| # taz.de -- Gentrifizierung: Der Wahnsinn hat Methode | |
| > Die Preise auf dem Wohnungsmarkt explodieren. Und sie werden bezahlt. Was | |
| > gestern ein Skandal, scheint heute normal. Für die Betroffenen aber geht | |
| > es um die Existenz. | |
| Bild: Schöne Aussicht auf Profite! Und die Menschen, die hier leben? | |
| „Warum soll ich besser verdienende Mieter vor Verdrängung schützen, die | |
| ihrerseits andere Mieter verdrängt haben?“, fragt Lichtenbergs | |
| Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD). Das ist nicht zynisch gemeint, | |
| sondern ein Hinweis auf Prioritäten. Lieber kümmere er sich um die Mieter | |
| zweier Wohnsiedlungen, deren Häuser einen neuen Eigentümer haben, so | |
| Geisel: „Die zahlen bislang 3,50 Euro pro Quadratmeter. Wenn die 5 Euro | |
| zahlen müssen, ist bei denen das Ende der Fahnenstange erreicht.“ | |
| 3,50 Euro, 5 Euro, 7 Euro, 10 Euro: Was ist die Ausnahme und was die Regel? | |
| Und was ist schon skandalös und nicht mehr normal? Das neue Monopoly auf | |
| dem Berliner Wohnungsmarkt hat alte Gewissheiten weggespült. Beängstigend | |
| schnell haben sich die meisten Beteiligten dabei an ihre neuen Rollen | |
| gewöhnt. | |
| Warum soll ein vormals durchaus sozial denkender Hausbesitzer für eine frei | |
| werdende Wohnung nicht die 10 Euro verlangen, die der Vermieter im | |
| Nachbarhaus auch fordert? Warum soll der Spanier, der vor der | |
| Hoffnungslosigkeit in Madrid floh, nicht 300.000 Euro für eine | |
| Hundert-Quadratmeter-Wohnung hinblättern, wenn er das Geld hat und etwas | |
| Vergleichbares in seiner Heimatstadt das Doppelte kostet? Warum sollen | |
| nicht Steine statt Farbeier auf Luxusneubauten fliegen, wo die doch viel | |
| mehr Aufmerksamkeit erreichen? | |
| Auch die Empörungsschwelle ist eine andere. Der Vermieter schreibt einen | |
| Brief, in dem er mit Löchern in den Decken droht? Gibt Schlimmeres. Er will | |
| dich rauskaufen? Was, so billig! Was gestern noch Skandal war, scheint | |
| heute normal. Was wird morgen normal sein? Oder übermorgen? Ein | |
| Rollkommando? | |
| Und war das schon immer so? Ja, wir haben uns stets ans Skandalöse gewöhnt. | |
| Solange es aber Alternativen gab, waren die Folgen nicht so existenziell. | |
| Wer 2007 wegen einer Mieterhöhung ausziehen musste, hat woanders eine | |
| Wohnung gefunden. Eine bezahlbare. Heute findet er nur noch Wohnungen für | |
| 10 Euro pro Quadratmeter Miete. Oder für 2.200 Euro pro Quadratmeter zum | |
| Kauf. | |
| ## Daseinsvorsorge Wohnen? | |
| Allenthalben wird von Rekommunalisierung gesprochen. Von Daseinsvorsorge | |
| bei Wasser und Strom. Und beim Wohnen? Wer heute sagt, Wohnen dürfe keine | |
| Ware sein, wird belächelt wie Sahra Wagenknecht. Old School. Wer dagegen | |
| als Eigentümer nimmt, was er bekommt, ist kein böser Kapitalist, sondern | |
| handelt irgendwie vernünftig. | |
| Ein Beispiel: Vermieter können bei Modernisierung 11 Prozent der Kosten | |
| umlegen. Nach neun Jahren hat der Mieter dem Eigentümer die Investition | |
| komplett bezahlt. Fällt deshalb die Miete wieder aufs Ursprungsniveau? | |
| Nein, der Eigentümer hat alles eingestrichen – und kann die Wohnung nach | |
| dem Auszug des Mieters wegen wohnwertsteigernder Merkmale noch teurer | |
| vermieten. Wer hinterfragt heute, ob das gerecht ist? Nicht einmal die | |
| Linke will an der Umlage rütteln, sie nur auf 5 Prozent reduzieren. Will | |
| sich ja keiner vorhalten lassen, er sei gegen Veränderung oder gar gegen | |
| Wärmedämmung. | |
| Andreas Geisel, der Lichtenberger Bürgermeister, hat in einem Recht. Die | |
| Mieter aus den Siedlungen mit den 3,50-Euro-Mieten haben wohl keine | |
| Alternative. Was er nicht bedenkt: Die, die in den begehrten Lichtenberger | |
| Altbaukiezen 7 Euro zahlen, würden bei 10 Euro auch die Segel streichen. | |
| Was ist skandalös? Was ist normal? Für viele Betroffene ist diese Frage | |
| akademisch. Es geht um ihre Existenz. | |
| Hintergründe über die Kämpfe um Wohnungen und Profite lesen Sie in der | |
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| 23 Aug 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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