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# taz.de -- Hamburger Abschiebepraxis: Raue Gangart
> Unangekündigtes Abholen bei Nacht, unvollständige Akte:
> Flüchtlings-Anwälte kritisieren verschärfte Abschiebepraxis.
Bild: Abschiebung zu Schills Zeiten: Ein Flüchtling aus Ex-Jugoslawien.
HAMBURG taz | Die Arbeitsgruppe Flüchtlings-Vertretung des Republikanischen
Anwaltsvereins (RAV) und der Flüchtlingsrat schlagen Alarm: „Wir sind
besorgt über die Menge an Fällen, bei denen seit dem Frühsommer
Asylbewerber unter Rechtsverstößen abgeschoben wurden“, sagt die
RAV-Anwältin Sigrid Töpfer. Es würden Menschen in der Nacht „überfallarti…
abgeholt, Familien getrennt, die Akteneinsicht für Anwälte zensiert,
Abschiebungen nicht mehr angekündigt und so der Rechtsweg ausgehebelt.
„Eine derartige Praxis gab es zuletzt unter dem Schill-Senat.“
Unter dem jetzigen SPD-Senat hat es Douglas Toure getroffen. Im Laufe
seines Asylverfahrens ist Toure vom Gericht 2012 ein Vormund bestellt
worden. „Der war all die Jahre nicht in der Lage, sein Verfahren allein zu
führen“, sagt Töpfer. Im Februar war für Toure, der 19 Jahre in Deutschland
lebte, eine neue Aufenthaltserlaubnis beantragt worden, wodurch eine neue
Sachlage eingetreten sei.
Dennoch ist Toure am 5. August nachts um drei Uhr geholt und zum Flughafen
gebracht worden, ohne dass er seine Anwältin informieren konnte. Diese
hatte bereits einen Eilantrag für das Gericht in der Schublade liegen. „Mit
einer geheimen Abschiebung war nicht zu rechnen, auch die Duldung war noch
länger erteilt“, sagt Töpfer. Die Duldung enthielt aber den Zusatz:
„erlischt mit Flugtermin“. In Begleitung eines Arztes ist Toure in die
Elfenbeinküste gebracht worden, wo er „nicht überlebensfähig“ sei, sagt
Töpfer. „Diese Art von Duldungen sind rechtswidrig“, sagt Töpfer und
verweist auf Verwaltungsgerichtsurteile.
Eine ihrer serbischen Roma-Mandantinnen sei nachts um 2.30 Uhr in ihrer
Unterkunft aufgesucht und ihr Freund von zwei Beamten auf einem Stuhl
festgehalten worden. Die Frau sei mit Psychopharmaka ruhiggestellt, dann
seien ihre Medikamente zusammengesucht und sie in ärztlicher Begleitung
nach Belgrad abgeschoben worden, bevor Töpfer ein Gericht anrufen konnte.
Neu ist für die Anwälte, dass ihre Akteneinsicht beschränkt wird, in dem
Akten weiße Blätter enthalten. „So etwas hab ich noch nie erlebt“, schimp…
Töpfer. „Das ist schlicht und ergreifend rechtswidrig.“
## Kranke auf der Liste
Die Gründe für die verschärfte Gangart möchte die grüne Politikerin Antje
Möller nun mit einer Kleinen Anfrage ergründen. Töpfer kann nur vermuten,
dass die Ausländerbehörde vor allem die teuren und psychisch kranken
Flüchtlinge loswerden möchte; und dass der SPD-Senat um Bürgermeister Olaf
Scholz, der ja 2001 in seiner Zeit als Interims-Innensenator den später vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geächteten Brechmitteleinsatz
für schwarze Drogendealer einführte, wieder die Abschiebeverhältnisse der
1990er-Jahre einführen möchte.
Der Sprecher der Ausländerbehörde, Norbert Smekal, versteht die Aufregung
nicht. „Die Praxis ist unverändert“, behauptet Smekal. Duldungen mit
„auflösenden Bedingungen“ gebe es schon immer. Sie seien zulässig.
29 Aug 2013
## AUTOREN
Kai von Appen
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