# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Kapitel 20: Männerabend | |
> Was bisher geschah: Leena und ihre Club-Bekanntschaft Gaga entfliehen den | |
> Bodyguards, um weiter nach der Lust zu suchen - incognito, versteht sich. | |
Bild: Der Weg dauerte ewig, weil Joe sich in die Oberbaumbrücke verliebt hatte. | |
Sie sprangen aus dem Fenster und schlichen sich vom Clubgelände. Zu Leenas | |
Bedauern wartete diesmal keine Limousine, um sie zum Mehringdamm zu | |
bringen, wo es die angeblich beste Currywurst der Stadt gab. | |
„Egal“, entschied Joe. „U-Bahn ist eh besser. Ich will Berlin erleben!“ | |
Das wirst du, dachte Leena. Nachts in Drag in der U-Bahn. Na danke. Am | |
Kiosk im U-Bahnhof holten sie sich zwei Pils. DIE LUST kippte Leena einige | |
Tropfen aus einem braunen Fläschchen ins Bier. Sie entspannte sich beinahe | |
sofort. Die U-Bahn-Fahrt verlief erstaunlich friedlich – Joe betrachtete | |
die Menschen, Leena ihr fremdes Spiegelbild im Fenster. Nach einer | |
Dreiviertelstunde standen sie in der Schlange vor der Currywurstbude. | |
„Wie aufregend!“, murmelte Joe in seinen Bartschatten. | |
„Was genau?“ | |
„Das Anstehen. Ich stehe sonst niemals an.“ | |
„Beneidenswert“, sagte Leena und zahlte. Sie schoben ihre Pappteller auf | |
einen der Stehtische. Joe, der vor einigen Stunden noch als androgynes | |
Wesen im Spiegelscherbenoutfit die Tanzfläche beglitzert hatte, war ohne | |
Absätze nur wenig höher als der Tisch. | |
„Du solltest ein Foto von ihr schießen und es an Perez Hilton verkaufen!“, | |
schlug DIE LUST vor. | |
„An wen?“, fragte Leena. DIE LUST stöhnte. Joe streckte sich über den | |
Tisch, um Leenas Pommes zu erreichen. | |
„Wahrscheinlich vermisst sie ihre Killer-High-Heels“, spottete DIE LUST. | |
„Er“, korrigierte Leena. „Seine“. Und dann: „Klappe!“ Es funktionie… | |
DIE LUST verstummte. Der Bart und die geliehenen Klamotten, das Baseballcap | |
und die zu großen Sneakers schienen Leenas Alter Ego Filip die Autorität zu | |
verleihen, die sie selbst nicht aufbringen konnte. Erstaunlich, befand sie | |
und pickte aus Angst um ihren Bart jede Pommes einzeln. Joe schob sich den | |
letzten Currywurstzipfel in den Mund und hieb Leena dann begeistert mit der | |
flachen Hand zwischen die Schulterblätter. „Und jetzt zeigst du mir, wie du | |
deine Nacht verbringen würdest!“ | |
Zuhause, dachte die alte Leena. Im Bett vermutlich. Ihre Filip-Seite, | |
angenehm aufgeputscht von der wüsten Mischung unterschiedlichster | |
Substanzen, die DIE LUST ihr eingeflößt hatte, war deutlich fantasievoller. | |
„Wir werden ein Taxi brauchen.“ | |
Der Weg dauerte ewig, weil Joe sich in die Oberbaumbrücke verliebt hatte. | |
In seiner Begeisterung nötigte er die Taxifahrerin, sie zur Schillingbrücke | |
zu fahren, um von dort aus ein Panoramafoto des Kreuzberger Wahrzeichens zu | |
schießen. Erst nach über einer halben Stunde betraten sie die Karaoke-Bar | |
an der Warschauer Straße. Aus den Karaokekabinen drang Gelächter. Joe | |
grunzte beglückt. Hinter der Bar stand ein Mensch, dessen Augenringe Joes | |
(aufgeschminkten) durchaus Konkurrenz machen konnten. | |
„Ist noch eine Box frei?“, überschrie Leena den Geräuschpegel. | |
„Ausgebucht“, rief er emotionslos zurück. „Aber ihr könnt auf die Open | |
Stage.“ | |
DIE LUST klatschte begeistert in die Hände. Der Barkeeper schob das | |
Kaugummi in die andere Backentasche. „Wollt ihr was trinken?“, fragte er | |
gleichgültig. | |
„Whiskey“, orderte Joe über Leenas Schulter hinweg. „Zwei. Kein Eis.“ | |
Leena wippte im Takt des City-Songs, der von der Bühne zu ihnen drang. Joe | |
schob eine Kreditkarte über den Tresen. American Express. Platin. Der | |
Barkeeper schob die Karte ungerührt zurück. „Sorry“, kaugummikaute er. | |
„Cash only.“ | |
Joe sah Leena hilfesuchend an. | |
„Kein Problem“, sagte sie. „Heute geht alles auf mich.“ DIE LUST drück… | |
ihr ein Bündel Scheine aus dem Plastikbeutel mit dem Kasinogewinn in die | |
Hand. Die Summe hätte für mehrere Whiskeyflaschen in Leenas Alter gereicht, | |
doch Leena reichte sie kommentarlos an den bleichen Barknaben weiter. | |
„Stimmt so“, soufflierte DIE LUST. | |
Leena drehte sich wortlos weg. Sie schlenderte hinter Joe in Richtung | |
Bühne, auf der sich eine Blondine im Kuhkostüm, das weniger queer als | |
vielmehr nach Junggesellinnenabschied aussah, erfolglos an einem | |
Rihanna-Song versuchte. Joes Kichern war eine Tonlage zu hoch für seinen | |
Habitus. Leena sah sich um und nahm einen Schluck Whiskey. „Meinst du, die | |
glauben echt, dass wir Kerle sind?“, fragte sie. | |
„Mir egal – solange sie nicht auf die Idee kommen, dass ich ich bin. ... | |
Und davon abgesehen: Sieht nicht so aus, als würde es hier einen | |
Unterschied machen, was du bist.“ Joe deutete auf eine hünenhafte Gestalt, | |
die auf die Bühne stakste, sich die Perücke zurechtrückte und die Lippen | |
nachzog, um dann im besten Bass Eminem anzustimmen. Ausgerechnet. | |
„Hast du Lust?“, fragte Leena. | |
„Lust?“, erwiderte Joe und verzog in bester Elvis-Manier die Oberlippe. | |
„Lust ist gar kein Ausdruck!“ | |
11 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Tania Witte | |
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