# taz.de -- Schlammschlacht im Wahlkampf: Klassentreffen auf Steuerzahlerkosten | |
> Der SPD-Bundestagstagsabgeordnete Lars Klingbeil hat seine Freunde auf | |
> eine Besucherfahrt nach Berlin mitgenommen. Die Kosten trägt das | |
> Bundespresseamt. Ärger hat er auch mit einem Konkurrenten. | |
Bild: Hat viele politisch interessierte Freunde: der SPD-Bundestagsabgeordnete … | |
HAMBURG taz | Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil aus Munster hat | |
alte Schulkameraden auf eine vom Bundespresseamt finanzierte Besuchsfahrt | |
nach Berlin mitgenommen. Das geht aus anonymen Schreiben hervor, die dem | |
Internetportal [1][Abgeordnetenwatch.de] und der Zeitschrift Stern | |
vorliegen. Klingbeil rechtfertigt sich damit, dass es sich um politisch | |
interessierte Bürgerinnen und Bürger gehandelt habe, also genau die | |
Zielgruppe, für die die Bildungsfahrten in die Hauptstadt gedacht seien. | |
Jeder Bundestagsabgeordnete kann jährlich bis zu drei Besuchergruppen aus | |
seinem Wahlkreis zu solchen Bildungsfahrten einladen. Geplant werden sie | |
vom Bundespresseamt. Zum Programm gehören neben Gesprächen mit | |
Bundestagsabgeordneten Termine im Bundeskanzleramt, im Bundespresseamt und | |
den Ministerien. Auch Museen und Gedenkstätten zur Zeitgeschichte werden | |
besucht. Das Bundespresseamt übernimmt die Kosten für die Anreise, | |
Übernachtungen und Verpflegung. | |
Im Falle Klingbeils stelle sich die Frage, „ob die Steuerzahler im Oktober | |
2012 vor allem Menschen aus dessen persönlichem Umfeld eine Hauptstadtreise | |
spendierten“, heißt es auf Abgeordnetenwatch. Das Internetportal erhielt | |
per Post einen Hinweis, nachdem Freunde und Familienmitglieder Klingbeils | |
auf der Teilnehmerliste gestanden hätten – darunter ehemalige | |
Klassenkameraden, die sich noch heute regelmäßig im privaten Kreis träfen. | |
Der Stern verweist auf eine ihm vorliegende Teilnehmerliste. Neben | |
angeblich langjährigen Freunden Klingbeils habe auch dessen Freundin, deren | |
Vater und ein Mitarbeiter Klingbeils, der dessen Webseite betreue, auf der | |
Liste gestanden. Der anonyme Hinweisgeber spreche von einem „Klassentreffen | |
auf Steuerzahlerkosten“. | |
Mit den Vorwürfen konfrontiert reagiert der SPD-Abgeordnete verschreckt und | |
schickt seinen Anwalt vor. „Es trifft zu, dass Teilnehmer der Veranstaltung | |
vom 17. bis 18. Oktober 2012 auch die von Ihnen genannten Personen waren, | |
alles höchst politisch interessierte Menschen, also exakt die Zielgruppe | |
des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung für solche | |
Veranstaltungen“, zitiert ihn der Stern. | |
Gegenüber der taz äußerte sich Klingbeil direkt: In der laufenden | |
Legislaturperiode hätten insgesamt 769 politisch interessierte BürgerInnen | |
aus den von ihm betreuten Wahlkreisen an solchen Bildungsfahrten | |
teilgenommen. Darunter seien auch im persönlich bekannte Leute gewesen, | |
schreibt er. „So auch bei der von Ihnen angesprochenen Fahrt.“ Die | |
Teilnehmerliste habe er dem Bundespresseamt vorgelegt, dessen Grundsätze | |
seien eingehalten worden. Den Anwalt habe er eingeschaltet, weil er mit | |
anonymen Briefen konfrontiert worden sei, deren Ursprung und Inhalt er | |
nicht kenne. | |
Der Stern weist darauf hin, dass im gleichen Zeitraum eine weitere | |
Reisegruppe aus Klingbeils Wahlkreis in Berlin gewesen sei – allerdings auf | |
eigene Kosten. Eingeladen hatte der SPD-Ortsverein Visselhövede, der | |
angeblich auf eigene Faust fahren wollte. „Wir haben nicht einmal eine | |
Anfrage gestellt an Klingbeil“, sagt dessen Vorsitzender Torsten Burmester. | |
Die Mitglieder des Ortsvereins hätten sich nicht in das Korsett der | |
Berlinfahrten des Bundespresseamtes zwängen lassen wollen. | |
„Auch im Freundeskreis eines Bundestagsabgeordneten gibt es viele politisch | |
Interessierte“, kommentiert er Klingbeils Teilnehmerliste. „Man sollte froh | |
sein über jeden Menschen, der mitfährt“, findet er. Ob es in Ordnung sei, | |
Freunde und Bekannte mitzunehmen, müsse jeder mit sich selbst abmachen. | |
Auffällig sei jedenfalls, dass der anonyme Brief kurz vor der | |
Bundestagswahl verschickt worden sei. | |
„Das ist eine schöne Schlammschlacht“, findet Burmester. Und damit meint er | |
nicht nur die öffentlich gewordene Teilnehmerliste Klingbeils, sondern auch | |
die zweifelhafte Ehre, die Klingbeils Konkurrenten um das Direktmandat im | |
Wahlkreis Rotenburg I/Heidekreis zuteil wurde. | |
[2][Der Blogger Stefan Niggemeier veröffentlichte einen Brief Reinhard | |
Grindels (CDU) an den Intendanten des NDR, Lutz Marmor.] Darin beklagt | |
Grindels sich, dass Klingbeil im Rahmen der Reportagereihe „Sieben Tage“ | |
porträtiert wurde. So etwas drei Wochen vor der Wahl zu senden, sei ein | |
massiver Eingriff in die Chancengleichheit von Wahlkreiskandidaten. „Ich | |
erwarte deshalb von Ihnen, dass das NDR Fernsehen sehr zeitnah in | |
geeigneter Weise für einen Ausgleich sorgt“, schreibt Grindel und schließt: | |
„Dazu bitte ich noch heute um Ihre Rücksprache.“ | |
Der NDR hat den Film mit Klingbeil „Sieben Tage … im Bundestag“ aus dem | |
Netz genommen. Ab dem 23. September ist er wieder zu sehen. | |
15 Sep 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.abgeordnetenwatch.de/ | |
[2] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wie-es-klingt-wenn-ein-politiker-einen… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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