| # taz.de -- Lesbisch-schwul-transgender-Kino: Verschiedene Vorlieben | |
| > Das Queerfilm Festival Bremen verhandelt ebenso wie die Lesbisch-Schwulen | |
| > Filmtage Hamburg mittlerweile eine große Bandbreite queerer Themen. | |
| Bild: In "Les Invisibles" erzählen französische Schwule und Lesben vom Krieg. | |
| Die erste Hälfte der neunziger Jahre waren eine Gründerzeit für lokale | |
| Filmfestivals. Das Filmfest Hamburg läuft gerade zum 21. Mal, das Filmfest | |
| Oldenburg hat vor ein paar Wochen seinen 20. Geburtstag gefeiert und auch | |
| das Queerfilm Festival in Bremen findet ab kommendem Dienstag zum 20. Mal | |
| statt. | |
| Damals herrschte ein von vielen Cineasten empfundener Mangel an | |
| Gelegenheiten, eine breitere Palette an Filmen in den Kinos zu sehen. Bei | |
| den verschiedenen Queerfilmfestivals – die Lesbisch Schwulen Filmtage | |
| Hamburg finden vom 15. bis zum 20. Oktober zum 24. Mal statt – kam dazu, | |
| dass es nur wenige Filme gab, in denen Lesben und Schwule ihre | |
| Lebensumstände wiedererkannten. | |
| Der Einführungstext im Programmheft des Bremer Festivals bringt es auf den | |
| Punkt: „Jahrzehntelang waren die Schwulen und Lesben auf der Leinwand | |
| mordende Psychopathen, blutsaugende Vampirinnen, bigotte Nonnen und | |
| dekadente Künstler, die sich mit dem Ausleben ihrer unmoralischen Triebe | |
| außerhalb der Gesellschaft begaben.“ | |
| Das queere Kino bestand früher aus mit wenig Geld unabhängig produzierten | |
| Filmen. Im Grunde wurden immer wieder zwei Grundgeschichten erzählt: Die | |
| des Coming-outs und die der gesellschaftlichen Ächtung und Verfolgung von | |
| Homosexuellen. | |
| Die großen Publikumserfolge waren Romanzen, in denen die bislang | |
| heterosexuell lebenden Menschen durch die Liebe der Protagonisten | |
| erkannten, dass die wahre Liebe für sie nur gleichgeschlechtlich sein | |
| konnte. | |
| Wie zur Abbitte für dieses oft kitschige Gefühlskino sahen sich dann auch | |
| viele die eher ernüchternden Dokumentationen an, in denen von | |
| Diskriminierung und Verfolgung berichtet wurde. Beide Arten von Filmen gibt | |
| es auch heute noch, aber die thematische und stilistische Bandbreite hat | |
| sich mittlerweile sehr vergrößert. | |
| Die Bezeichnung als „schwul-lesbisches Filmfest“ gilt inzwischen als eine | |
| politisch nicht mehr ganz korrekte Vereinfachung. Im englischen Sprachraum | |
| wird inzwischen von den „LGBT*“-Festivals gesprochen, das steht für | |
| „Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle“ und das Sternchen ist für alle, | |
| die sich auch dazugehörig, aber noch nicht berücksichtigt fühlen. Einfacher | |
| ist da die alles umfassende Bezeichnung „Queerfilm Festival“. Die Bremer | |
| waren so klug, sie von Anfang an zu benutzen. | |
| Verändert hat sich auch die Kinolandschaft. Im Unterhaltungsfilm sind | |
| inzwischen viel mehr queere Filmthemen möglich geworden. Deutlich wurde | |
| dies spätestens durch Ang Lees schwulen Western „Brokeback Mountain“. | |
| Inzwischen spielen Annette Bening und Julianne Moore ganz | |
| selbstverständlich in „The Kids Are All Right“ ein altes lesbisches Paar. | |
| Auch der cineastische Höhepunkt des Bremer Queerfilm Festivals des letzten | |
| Jahres, „Albert Nobbs“ mit Glenn Close, läuft mittlerweile in den | |
| Programmkinos. | |
| Über die Jahre hat sich das Bremer Queerfilm Festival einen Namen in der | |
| Szene gemacht: In diesem Jahr wurden über hundert Filme aus den | |
| verschiedensten Ländern eingereicht. | |
| Nach wie vor ist den Festivalmachern wichtig, dass in etwa gleich viele | |
| Filme für das schwule und das lesbische Publikum gezeigt werden, da deren | |
| cineastischen Vorlieben bei aller Solidarität sehr verschieden sind. | |
| Doch auch in dieser Hinsicht verschwimmen langsam die Grenzen. So handelt | |
| etwa der niederländische Spielfilm „20 Lügen, vier Eltern und ein kleines | |
| Ei“ von einem rebellischen 15-Jährigen, der bisher bei seinem lesbischen | |
| Elternpaar aufgewachsen ist, und nach einem großen Krach zu seinem | |
| biologischen Erzeuger ziehen will, der ebenfalls in einer homosexuellen | |
| Beziehung lebt. | |
| Das Bremer Festival beginnt traditionell am Dienstag mit einem „Langen | |
| Kurzfilm-Eröffnungsabend“, bei dem neben sechs Kurzfilmen auch ein | |
| Rückblick auf das Festivalgeschehen der letzten zwanzig Jahre gezeigt wird. | |
| In den folgenden fünf Tagen werden dann elf Langfilme und ein | |
| Kurzfilmprogramm für Lesben gezeigt. | |
| Jeweils eine romantische Komödie pro Zielgruppe ist Pflicht im Programm. | |
| Diesmal sind dies „Will You Still Love Me Tomorrow“ aus Taiwan, in dem | |
| Regisseur Chen Arvin von einem Mann erzählt, der nach einer langen Ehe | |
| einen ehemaligen Geliebten wiedertrifft und „Margarita“ von Dominique | |
| Cardona, in dem eine kanadische Familie die lesbische Nanny entlässt, | |
| wodurch in allen Beziehungen Chaos ausbricht. | |
| „Im Namen des ...“ ist ein polnischer Spielfilm, in dem von einem jungen | |
| katholischen Priester erzählt wird, der in einer kleinen Gemeinde in der | |
| Provinz versucht, seine Homosexualität zu unterdrücken. | |
| Alle anderen Langfilme des Festivals sind Dokumentationen – diese | |
| Gewichtung ist neu. In „Out in Ostberlin“ erzählen Schwule und Lesben aus | |
| der ehemaligen DDR von ihrem Leben. Obwohl dort anders als in der BRD die | |
| Homosexualität schon 1968 entkriminalisiert wurde, mussten sie sich ihre | |
| Freiräume gegen das herrschende System hart erkämpfen. | |
| Auch „Les Invisibles“ ist weitgehend ein Gesprächsfilm. Hier erinnern sich | |
| Schwule und Lesben aus Frankreich, die heute weit über 70 Jahre alt sind, | |
| an ihre Jugend während und nach dem Krieg und daran, wie sie sich in der | |
| bürgerlichen Gesellschaft unsichtbar fühlten. | |
| „Exposed“ ist wohl der umstrittenste Film des Festivals. In ihm stellt die | |
| Filmemacherin Beth B. die Neo-Burlesque-Szene von New York vor. Auf der | |
| Bühne stellen sich dort deformierte und behinderte Menschen zur Schau und | |
| legen es in ihren Performances darauf an, zu schockieren. Subversiv wird | |
| hier mit den Stilmitteln und Klischees von Freakshows gearbeitet. | |
| „Exposed“ ist einer von jenen Filmen, aus denen einige ZuschauerInnen | |
| schimpfend herausgehen werden. Doch auch provokante Grenzüberschreitungen | |
| sind Teil der Tradition des Queerfilmfestivals. | |
| ## Queerfilm Festival Bremen: 8. bis 13. Oktober, City 46, Bremen; Lesbisch | |
| Schwule Filmtage Hamburg: 15. bis 20. Oktober, Kampnagel, Metropolis, | |
| Passage-Kino, Studio-Kino, Bildwechsel, Rote Flora, Hamburg | |
| 2 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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