# taz.de -- Gated Communities: Unter uns | |
> Mit oder auch ohne Zaun: Der Wunsch, unter sich zu bleiben, grassiert in | |
> der oberen Mittelschicht. Gegen dieses „gated housing“ hilft nur ein | |
> neuer städtischer Konsens. | |
Bild: Filmszene aus dem Kinofilm "Auf der sicheren Seite" über Gated Communiti… | |
Zwei Pärchen (trendige Frisuren, legeres Outfit) haben sich auf einer | |
Liegewiese (sieht aus wie der Weinbergspark) zum Picknick niedergelassen. | |
Plötzlich kommt ein Flaschensammler (Schlabberweste, Schlabberhosen) näher | |
und stört ganz offensichtlich den Nahbereich der Mittelschichtsstädter. | |
Einer von ihnen steht auf und stellt sich (grimmiges Gesicht) dem | |
Eindringling entgegen. Dann aber lockern sich seine Gesichtszüge auf, und | |
zum Staunen des Flaschensammlers bietet er diesem ein Brausegetränk an. So | |
überraschend können Begegnungen unterschiedlicher Milieus in Städten sein, | |
lautet die Botschaft des Werbeclips von Coca-Cola – produziert für die | |
aktuelle Kampagne „Trink ne Coke mit Freunden“. | |
Puh, gerade noch mal gut gegangen. So wie auch der andere Cola-Clip. In dem | |
zieht eine Gang vor den Balkon einer verängstigten Seniorin. Wieder | |
grimmige Gesichter, wieder ein Happy End und eine Geschichte unter | |
ungleichen „Freunden“. Coca-Cola, wird nun der ein oder andere die Nase | |
rümpfen. Nie würde einer mit dem gewissen lässig-urbanen | |
Distinktionsbedürfnis eine Coke trinken. Aber würde er dem „Penner“ eine | |
Bionade anbieten? Eher nicht. Man ist halt lieber „unter sich“. | |
Schwer zu sagen, wann in Berlin der Rückzug in die eigenen Räume begonnen | |
hat. Die vielgerühmte Berliner Mischung geriet schon kurz nach der Wende | |
unter Druck, als der Exodus nach Suburbia begann – und die Ärmeren in den | |
Innenstadtvierteln zurückblieben. Zehn Jahre später begann die Aufwertung | |
bestimmter Innenstadtquartiere, dem die Rückkehr der Vorstadtberliner | |
folgte. Junge Paare in der Familiengründungsphase entschieden sich zu | |
bleiben – und passten die Infrastruktur ihren Bedürfnissen an. Aus | |
gemischten „Szenevierteln“ wurden peu à peu homogene, wenn auch bunte | |
Mittelschichtsquartiere. | |
Man muss also nicht auf die berüchtigten Gated Communities schauen, um | |
festzustellen, dass aus den „eigenen“ vier Wänden inzwischen das „eigene… | |
Quartier geworden ist – das recht fantasievoll gegen Eindringliche | |
verteidigt wird. Ein abschließbares Tor braucht es gar nicht, um ungebetene | |
Gäste fernzuhalten, ein scheinbar unbeabsichtigt platzierter Bobbycar wirkt | |
auch. Denn nicht nur das Geld der neuen Mittelschichtler regiert die Stadt, | |
sondern auch das Bedürfnis, sich abzugrenzen. | |
Nicht, dass man etwas gegen Flaschensammler oder migrantische Jugendliche | |
hätte, nur ein bisschen Abstand sollten sie schon halten. Was im | |
Schulbereich mit der Gründung von Privatschulen begann, setzt sich nun beim | |
Wohnen fort – ob mit oder ohne Zaun. Die Pointe dabei: Diese | |
Amerikanisierung der Städte wird vor allem von denen betrieben, die sie – | |
Coca-Cola! – gerne auch lautstark kritisieren. | |
Der bloße Appell an die Freundschaft – wie in den Clips der Coke-Kampagne – | |
wird aber nicht ausreichen, um die Stadt vor diesem Zerfall in ein Archipel | |
homogener Inseln zu bewahren. Vonnöten ist ein neuer Stadtvertrag, auf den | |
sich alle, die in der Stadt leben wollen, einlassen müssen. Das Verbot von | |
Gated Communities, wie es in Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert wird, | |
gehört dazu ebenso wie der Zwang für Investoren, in ihren | |
Immobilienprojekten ein Drittel Sozialwohnungen zu bauen, so wie in | |
München. Und wer auf den ehemaligen Flughafen Tempelhof ziehen will, muss | |
vorher unterschreiben, dass Lärm zu einer Stadt ebenso gehört wie der | |
eigene Balkon mit schöner Aussicht. | |
Stadt, das zeigt ihre Geschichte, hatte immer mit Reibung und Konflikt zu | |
tun. Und mit Angst. Doch die wird nicht geringer, wenn man sich | |
zurückzieht. Eher verlangt sie nach immer neuen Grenzziehungen, sonst heißt | |
es bei jeder Begegnung: Puh, noch mal davongekommen. | |
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4 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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