# taz.de -- Übersee-Museum: Respekt vor Afrika | |
> Nach zweijährigem Umbau hat das Übersee-Museum seine Afrika-Abteilung | |
> wieder eröffnet. Der Kontinent erscheint darin nicht nur als Opfer der | |
> Kolonialisierung. | |
Bild: Teil der neuen Afrika-Ausstellung: Die Fotoserie "Hell Loops". | |
In einem vom Rest der Ausstellung abgetrennten Raum im Übersee-Museum sitzt | |
Sokari Douglas Camp und hört Musik. BesucherInnen können hier unter 30 | |
Titeln aus verschiedenen Jahrzehnten wählen, alle SängerInnen stammen aus | |
Afrika. Auf die Frage, ob sie, deren Skulpturen regelmäßig in Ausstellungen | |
über afrikanische Kunst stehen, selbst Afrikanerin sei, muss Sokari Douglas | |
Camp lachen. „Afrikanisch – was soll das sein?“ Und sagt, sie sehe sich a… | |
„nigerianisch-britisch“. Weil sie in Nigeria geboren ist, aber mit | |
Unterbrechungen in England lebt, seitdem sie dort mit acht Jahren ins | |
Internat kam. Im Bremer Übersee-Museum hielt sie sich jetzt dennoch auf – | |
weil von ihr ein Kunstwerk in der nach zweijährigem Umbau wiedereröffneten | |
Afrika-Abteilung steht. | |
Es sei nicht leicht gewesen, eine Ausstellung zu konzipieren, die dem | |
Kontinent Afrika mit seinen 54 Staaten gerecht wird, erzählt | |
Museumsdirektorin Wiebke Ahrndt. In jedem Fall sollte es keine historische | |
Schau werden, sondern das Afrika der Gegenwart zeigen. Daher hätten sie | |
nach langer Diskussion darauf verzichtet, bei allen Exponaten deren | |
Geschichte zu erzählen. Deren Weg ins Museum verdiene eine eigene | |
Ausstellung, sagt Ahrndt. | |
Vermeiden wollten die AusstellungsmacherInnen, das Afrika-Klischee des | |
problembeladenen Opfer-Kontinents zu reproduzieren. Es gibt also keine | |
Bilder von hungernden Kleinkindern mit aufgeblähten Bäuchen, keine von | |
Kindersoldaten. Die ersten Exponate zeigen Mode aus Kenia, daneben eine | |
Vitrine mit Schulkleidung und gegenüber ein Film über eine Modemacherin aus | |
Nairobi, die für die aufstrebende kenianische Mittelschicht stehen soll. | |
Und es gibt sehr viel Kunst, die extra für das Übersee-Museum geschaffen | |
wurde. Neben der Metall-Skulptur von Sokari Douglas Camp, die die deutsche | |
Fremdherrschaft im heutigen Namibia thematisiert, ist dies eine Collage von | |
dem Künstler El Loko und eine von einem Kollektiv aus Nairobi: Es hat die | |
Wand der kleinen Caféteria im ersten Stock gestaltet, mit Hommagen an | |
Stadtviertel der kenianischen Hauptstadt. Eine weitere Arbeit greift das | |
Thema Kolonialismus auf: Der in der demokratischen Republik Kongo geborene | |
Fotograf Sammy Baloji hat aus dem Archiv des Übersee-Museums drei Fotos | |
ausgewählt, die die Situation der Menschen im kolonialen Namibia zeigen. | |
Daneben sind Szenen aus dem umkämpften Nord-Kivu im Osten der Republik | |
Kongo zu sehen. Auf einem Foto sind auf dem Rücken gefesselte Hände zu | |
erkennen. Im Erklärungstext steht, dass es sich um den Körper eines | |
hingerichteten Menschen handelt. | |
Wer afrikanisches Leiden in der Ausstellung sucht, wird es finden, aber es | |
springt einem nicht ins Gesicht. Auch der Bug eines bunt bemalten Holzboots | |
könnte beim schnellen Vorübergehen für ein Arbeitsmittel von Fischern | |
gehalten werden. Das ist es auch. Der Bootstyp wird aber, wie eine Tafel | |
erklärt, von Schleppern dazu benutzt, bis zu 200 Menschen von Westafrika | |
auf die Kanarischen Inseln zu bringen. „Elf Tage sollte die Reise dauern“, | |
erzählt ein junger Mann in einem Film, „deshalb wurde nur Proviant für elf | |
Tage mitgenommen“. Weil die Reise vier Tage länger dauerte, habe es am Ende | |
nicht einmal etwas zu trinken gegeben. Dass nicht alle vier Tage ohne | |
Wasser überlebt haben, kann sich die Zuschauerin ausrechnen, der von der | |
Kamera abgewandte Blick des Mannes spricht Bände. | |
Eher angedeutet werden auch die massiven Probleme, die mit dem Abbau der | |
Rohstoffe auf dem Kontinent einhergehen. Eindrücklicher als die Ausbeutung | |
und Gewalt ist der Reichtum an Bodenschätzen und landwirtschaftlichen | |
Produkten wie Kaffee, Holz, Kakao und Baumwolle. „Es profitiert wie zu | |
Kolonial-Zeiten nur eine kleine Zahl von Menschen, die überwältigende | |
Mehrheit bekommt nichts ab“, sagt dazu der Leiter der Abteilung | |
Handelskunde, Hartmut Roder. Und dass ihm die Reden auf Afrikas große | |
Zukunft – wie sie letztendlich auch in Teilen der Ausstellung vermittelt | |
wird – wie eine „Gesundbeter-Debatte“ erscheinen. | |
Zufrieden mit dem Konzept ist der wissenschaftliche Beirat der | |
KuratorInnen. „Es ist dem Übersee-Museum hervorragend gelungen, den | |
Kontinent mit Respekt darzustellen und ein realistisches, differenziertes | |
Bild zu zeichnen“, sagte der Frankfurter Paläoanthropologe Friedemann | |
Schrenk. Seine Expertise war gefragt, weil ein Teil der Ausstellung die | |
Menschwerdung, die in Afrika begann, beleuchtet. | |
Auch die afrikanische Künstlerin, die keine ist, war beeindruckt. „Das ist | |
das beste zu Afrika, was ich je gesehen habe“, sagte Sokari Douglas Camp, | |
„fürchterlich lehrreich in einem guten Sinne“. Das meiste, was sie aus | |
Museen kenne, sei sehr „verstaubt“, mit Szenen aus einem afrikanischen | |
Alltag, wie es ihn längst nicht mehr gibt. Also genau so, wie das | |
Übersee-Museum früher Afrika präsentierte. Für die NostalgikerInnen | |
geblieben sind einige ausgestopfte Tiere, darunter ein Dromedar. Auf dem | |
saß früher eine Puppe, die einen Tuareg darstellen sollte. Die Entscheidung | |
gegen eine solche Inszenierung hatte für das Museum den Vorteil, dass es | |
nicht ein neues Dromedar besorgen musste: „Unser Modell ist eine Stute“, so | |
Ahrndt, „da setzt sich kein Tuareg drauf, die werden nur als Lasttiere | |
benutzt.“ | |
13 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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