# taz.de -- Ausbildungsplätze: Das Mantra von der Flexibilität | |
> Auch die neuesten Zahlen belegen es wieder: Die Zahl der | |
> Ausbildungsplätze sinkt. Die Politik aber redet lieber über die angeblich | |
> so unbeweglichen Jugendlichen. | |
Bild: Dass alle Friseur werden wollen, ist nur ein Gerücht. | |
Wenn Politiker Sätze formulieren wie „Das zeigt die große Bereitschaft der | |
Wirtschaft“ oder „Die Hälfte der Jugendlichen will KfZ-Mechaniker werden�… | |
ist Vorsicht geboten. In der Regel geht es dann um das Ungleichgewicht auf | |
dem Ausbildungsmarkt – und das Mantra ist stets dasselbe: Die Schulabgänger | |
müssen flexibler werden, sich mehr anstrengen, qualifizieren. So war es | |
auch am Mittwoch bei „Berlins größter Jobmesse“ in der Station Berlin am | |
Gleisdreieck, wo Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) und der Chef des | |
regionalen Arbeitsamts (BA), Dieter Wagon, ihre Bilanz des Ausbildungsjahrs | |
2013 präsentierten. | |
Die nackten Zahlen lesen sich so: In Berlin meldeten sich bei | |
Arbeitsagenturen und Jobcentern zwischen Oktober 2012 und September 2013 | |
genau 22.093 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz (308 | |
mehr als im Vorjahreszeitraum). Dem gegenüber standen 12.063 betriebliche | |
Ausbildungsplätze (108 weniger als zuvor) sowie 2.487 außerbetriebliche | |
(106 mehr). Aktuell suchen noch 1.512 Jugendliche, gleichzeitig sind 683 | |
Ausbildungsplätze weiterhin unbesetzt. | |
## „Große Anstrengungen“ | |
Und die Interpretation dieser Zahlen? „In der Wirtschaft gibt es große | |
Anstrengungen, durch Ausbildung für Qualifizierung der eigenen Fachkräfte | |
zu sorgen“, erklärt Wagon. Zwar gebe es weniger Ausbildungsplätze, schiebt | |
er nach und verschweigt nicht, dass man mehr schaffen müsse. Aber vor allem | |
wolle man künftig mehr Berufsorientierung ab der 7. Klasse anbieten, „damit | |
nicht nur die üblichen zehn Berufe bekannt sind“. | |
Ins selbe Horn stößt die Senatorin. Nach den unvermeidlichen Jubelsätzen | |
zum leichten Rückgang der allgemeinen Arbeitslosigkeit (s. Kasten), den sie | |
natürlich auf „die gemeinsamen Anstrengungen von Bundesagentur und Senat“ | |
zurückführt, erklärt sie ihre Sorge, dass noch 1.500 Jugendliche | |
unvermittelt sind, „obwohl 680 Stellen unbesetzt“. Folgerichtig appelliert | |
Kolat an die Jugend, „nicht nur den Lieblingsberuf“ zu wählen. | |
Zwar fordert sie auch die Betriebe auf, „nicht nur auf die Schulnote zu | |
gucken“, sondern den jungen Leuten einfach mal eine Chance zu geben. Und in | |
ihrer Presseerklärung bringt sie ihre Unzufriedenheit mit der Zahl der | |
Ausbildungsstellen durchaus zum Ausdruck. „Die Berliner Betriebe müssen | |
mehr ausbilden!“, heißt es da. Wie man aber dahin gelangt, wird auf der | |
Veranstaltung nicht thematisiert. | |
## 7.000 suchen nicht mehr | |
Kein Thema für die Arbeitsmarktexperten sind auch diejenigen, die zwar | |
keine Ausbildung bekommen, aber auch nicht weiter offiziell suchen. In | |
diesem Jahr sind das immerhin 7.000 Jugendliche, also knapp ein Drittel der | |
ursprünglichen Bewerber. Was mit ihnen in der Zwischenzeit geschehen ist, | |
werde statistisch nicht erfasst, erklärt BA-Chef Wagon auf Nachfrage der | |
taz. Ein Teil von ihnen fange wohl ein Studium an, mutmaßt er. „Manche | |
machen auch ein berufspraktisches Jahr oder gehen in den | |
Freiwilligendienst.“ | |
Dass das Lamento von den unflexiblen Jugendlichen und ihrer Fixierung auf | |
wenige Lieblingsberufe allenfalls die halbe Wahrheit ist, zeigt sich auch | |
beim anschließenden Rundgang über die Jobmesse. Einer der Besucher, Steven | |
Burdack, erzählt von seiner nun schon fünf Jahre dauernden Suche nach einem | |
Ausbildungsplatz. 300 bis 400 Bewerbungen habe er wohl geschrieben, | |
schätzte der 24-Jährige, der einen erweiterten Hauptschulabschluss hat. | |
Eigentlich wolle er IT-Systemelektroniker werden, weil er sich mit | |
Computern, Hard- und Software auskenne. Beworben hat er sich aber auch | |
schon als Koch und als Tischler. „Heutzutage muss man flexibel sein“, weiß | |
der junge Mann das Credo der Zeit nachzubeten. Genützt hat ihm das bislang | |
nichts. | |
30 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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