# taz.de -- Oranienplatz: Gemeinsam oder gar nicht | |
> Kreuzbergs Bürgermeisterin geht auf die Flüchtlinge zu. Die kommen zum | |
> Protest ins Bezirksparlament. | |
Bild: Monika Herrmann (Grüne) auf dem Oranienplatz. | |
Monika Herrmann redet jetzt wieder von „gemeinsam“. Kaum zu zählen, wie oft | |
Kreuzbergs grüne Bezirksbürgermeisterin am Mittwoch das Wort in den Mund | |
nimmt. Anderthalb Stunden steht sie auf dem Oranienplatz, im offenen | |
Küchenzelt des Flüchtlingscamps, stellt sich dem Gespräch mit 40 | |
Flüchtlingen und Unterstützern. | |
Am Sonntag hatte Herrmann noch dem Camp die Duldung entzogen. Zuvor waren | |
80 Flüchtlinge in ein Winterquartier im Wedding gezogen, organisiert von | |
Bezirk und Senat. 150 Polizisten standen für den Abbau der Zelte bereit. | |
Nicht alle Flüchtlinge aber waren gegangen. Der Bezirk stoppte die Räumung. | |
Im Küchenzelt verteidigt Herrmann ihre Position. „Es ist nicht sinnvoll für | |
den Protest, hier im Winter zu wohnen.“ Die Flüchtlinge, die dort lebten, | |
hätten nicht ohne Grund um ein Haus gebeten. „Sie waren müde, krank.“ Dann | |
gibt sie eine Zusicherung: Keine Polizei mehr, die Zelte würden nur noch | |
„gemeinsam“ abgebaut oder gar nicht. | |
Nur: Seit Dienstag gibt es ein Ultimatum von Innensenator Frank Henkel | |
(CDU). Bis zum 16. Dezember solle das Camp weg, sonst gebe es | |
„bezirksaufsichtsrechtliche Maßnahmen“ (s. Kasten). Soll heißen: Dann wird | |
der Bezirk beauftragt zu räumen. Herrmann lehnt auch das ab. „Wenn die | |
Flüchtlinge in den Zelten bleiben, werden wir nichts tun.“ Es erfülle sie | |
„mit Sorge“, dass Henkel keine „Exitstrategie“ für eine friedliche Lö… | |
mehr offenlasse. | |
Im Camp wird Herrmann dennoch harsch angegangen. „Warum gehst du zu den | |
politischen Feinden?“, fragt die Sudanesin Napuli Langa. Der türkische | |
Dissident Turgay Ulu, Urbesetzer des Platzes, schimpft: „Lassen Sie uns | |
selber über unseren Protest entscheiden.“ Auch vor dem Camp sei das Leben | |
menschenunwürdig gewesen. Nicht für ein Haus protestiere man hier, sondern | |
„für unsere Rechte“. | |
Herrmann verschränkt die Arme, hört zu, versucht den Ärger auf den | |
Innensenator zu lenken. „Wenn Henkel die Polizei schickt, kann ich nichts | |
mehr machen.“ Deshalb müsse man vorher eine Lösung finden, „gemeinsam“.… | |
stehe zwischen den Fronten, gesteht Herrmann später. „Da muss ich jetzt | |
durch.“ Angst vor „persönlichen“ Disziplinarmaßnahmen, mit denen Henkel | |
auch gedroht hatte, habe sie nicht: Das ganze Bezirksamt stehe hinter der | |
Entscheidung. | |
Dort sieht man auch ein anderes Problem gelöst: Inzwischen seien alle | |
Bewohner des Camps untergebracht, die dies wollten. Neben den 80 | |
Flüchtlingen im Wedding seien 40 Plätze vorübergehend in herkömmlichen | |
Asylheimen gefunden. | |
Die Camp-Verteidiger ziehen derweil mit Unterstützern in einer Demo zum | |
Bezirksparlament, das am Abend tagt, und besetzen den Plenarsaal. Banner | |
werden gehisst. „Henkel vertreiben, O-Platz wird bleiben“, schallt es von | |
der Tribüne. Auch Turgay Ulu ist da. Er kapert das Mikro: „Nicht das Camp, | |
Deportation und Rassismus sind das Problem.“ Götz Müller von der CDU | |
beantragt den Abbruch der Sitzung: „Das macht keinen Sinn hier heute.“ Der | |
Ältestenrat lehnt ab. Die CDU verlässt die Plätze. Nach einer | |
Dreiviertelstunde beginnt die Sitzung. | |
Der Kampf um den Oranienplatz ist wieder offen. | |
27 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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