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# taz.de -- Privatisierung der Wasserbetriebe: Die Endabrechnung
> 14 Jahre lang waren private Anteilseigner an den Wasserbetrieben
> beteiligt, seit Dezember gehört das Unternehmen wieder allein den
> Berlinern. Zeit für eine Bilanz.
Bild: Das Wasser gehört uns allen? Seit Dezember stimmt es wieder.
Die Beteiligung privater Unternehmen an den Wasserbetrieben war 1999 stark
umstritten. Im Abgeordnetenhaus warben die Politiker der damals regierenden
Koalition aus CDU und SPD mit einer Reihe von konkreten Versprechungen um
Zustimmung. Die taz hat im Parlamentsarchiv nachgeschaut und vergleicht die
Ankündigungen mit der Realität.
## +++ Arbeitsplätze +++
Das Versprechen: Mehr Arbeitsplätze. Am 13. November 1997 sagte Elmar
Pieroth (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe: „Wir aber sollten den
Menschen in den Wasserbetrieben nicht unnötig Sorgen machen, denn deren
Arbeitsplätze sind mit die sichersten in Berlin. (…) Wir brauchen die
Wasserbetriebe als wirtschaftlichen Kern Berlins. (...) Lassen wir sie noch
mehr unternehmerisch tätig werden, dann werden die Arbeitnehmer in den
Wasserbetrieben durch sichere, neuartige und besser bezahlte Arbeitsplätze
davon profitieren, aber auch andere, die in Berlin Arbeit suchen. Bei
300.000 Arbeitslosen können wir nicht sagen: Alles muß genauso bleiben, wie
es ist. Dann bleibt auch die Arbeitslosenzahl, wie sie ist!“
([1][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13035.pdf:Plenarprotokoll
13/35])
Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender
CDU-Fraktionsvorsitzender: „Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist für uns
ein ganz zentrales Kriterium, denn wenn Investoren ein Filetstück der
Berliner Eigenbetriebe erwerben, haben sie auch die Verpflichtung, weitere
Arbeitsplätze in Berlin anzusiedeln.“
([2][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
Am 29. April 1999 gab das Abgeordnetenhaus dem Senat in einem Beschluss
vor, dieser solle bei der Teilprivatisierung die „Stärkung des
Wirtschaftsstandorts Berlin und Schaffung neuer Arbeitsplätze im Land
Berlin durchsetzen“.
([3][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
Die Realität: Weniger Arbeitsplätze
Die Zahl der Mitarbeiter entwickelte sich wie folgt:
1999: 6.265
2000: 6.262
2001: 6.114
2002: 5.984
2003: 5.811
2004: 5.646
2005: 5.605
2006: 5.498
2007: 5.444
2008: 5.372
2009: 5.338
2010: 5.283
Die Wasserbetriebe haben also die Zahl ihrer Mitarbeiter kontinuierlich
reduziert und in jedem einzelnen Jahr seit der Privatisierung wieder
zusätzliche Arbeitsplätze abgebaut - in der Summe 20 Prozent. Im Rahmen des
Programmes NEO ("Nachhaltige Effiziente Optimierung") wollen die
Wasserbetriebe bis 2017 weitere 158 Stellen streichen.
+++ Wasserpreise +++
Das Versprechen: Stabile Preise. Am 13. November 1997 sagte Elmar Pieroth
(CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe: „Die Privatisierung kann
natürlich nur erfolgen, wenn günstige Verbraucherpreise langfristig
abgesichert werden.“
([4][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13035.pdf:Plenarprotokoll
13/35])
Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender
CDU-Fraktionsvorsitzender: „Eine Privatisierung der Wasserbetriebe kann es
nur geben, wenn auch Verbraucher und mittelständische Wirtschaft durch
stabile – besser sinkende – Gebühren und Preise positiv betroffen und
entlastet werden.“
([5][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
Mit dem Gesetz über die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe beschloss das
Abgeordnetenhaus auch eine zeitlich begrenzte Gebührenstabilisierung. In
Paragraf 3 Absatz 5 hieß es: „Jedoch darf der Gesamtbetrag für Tarife der
Wasserversorgung zuzüglich der Tarife für die Entsorgung pro Kubikmeter für
den Zeitraum bis einschließlich 31. Dezember 2003 den entsprechenden
Gesamtbetrag zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht
überschreiten.“
([6][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
Am 30. März bezog sich auch Klaus Wowereit, damals Haushaltspolitiker der
SPD, auf diese Regelung. Er sagte im Hauptausschuss laut Inhaltsprotokoll,
das Gesetz „schreibe für den Zeitraum bis zum 31. 12. 2003 die Begrenzung
der Tarife nach oben fest. Der Entschließungsantrag der
Koalitionsfraktionen verweise zudem auf Bemühungen, durch die
Unternehmenspolitik eine Senkung des Wasserpreises zu erreichen; dies sei
dann aber entsprechend der Wirtschaftslage der Berliner Wasserbetriebe zu
entscheiden.“
([7][8080/starweb/adis/citat/VT/13/AusschussPr/ha/ha13088.i.pdf:Inhaltsprot
okoll 13/88])
Die Realität: Steigende Preise. Als die im Gesetz festgelegte Preisbremse
Ende 2003 auslief, erhöhten die Wasserbetriebe die Preise in einem ersten
Schritt um 15 Prozent. Inzwischen zahlt eine vierköpfige Familie mit einem
Wasserverbrauch von 160 Kubikmetern im Jahr für Trink- und Abwasser 785,90
Euro, das sind 28 Prozent mehr als 1999. Ab Januar 2014 immerhin sollen die
Preise wieder etwas sinken – um 7 Prozent.
## +++ Gewinnverteilung +++
Das Versprechen: Halbe-Halbe. Am 30. März 1999 sagte der SPD-Abgeordnete
Thomas Gaudszun im Hauptausschuss laut dem Inhaltsprotokoll, das die
Wortbeiträge in indirekter Rede wiedergibt: „In Bezug auf den Verdacht,
dass das Unternehmen unter den vorliegenden Voraussetzungen zu hohe Gewinne
erzielen könnte, sei darauf hinzuweisen, dass es sich um eine
Teilprivatisierung handele, bei der die Mehrheit und damit auch die
entsprechende Mehrheit der Gewinnentnahme beim Land Berlin verbleibe. Jede
besondere Effizienzsteigerung und Gewinnerhöhung komme in jedem Fall zu 51
Prozent dem Land Berlin zugute.“
Die Realität: sechzig-vierzig. In die tatsächliche Aufteilung der Gewinne
zwischen Privat und Staat in Millionen Euro in den einzelnen Jahren:
1999: 8 zu 0
2000: 135 zu 38
2001: 77 zu 0
2002: 78 zu 0
2003: 121 zu 98
2004: 134 zu 36
2005: 127 zu 58
2006: 135 zu 74
2007: 190 zu 149
2008: 128 zu 110
2009: 137 zu 133
2010: 132 zu 122
2011: 124 zu 108
2012: 96 zu 86
Die privaten Anteilseigner erhielten also in jedem einzelnen Jahr einen
höheren Anteil am Gewinn als das Land Berlin. Über den gesamten Zeitraum
floss nur knapp 40 Prozent ans Land, gut 60 Prozent an die Privaten. Für
die hat sich das Geschäft auch in der Gesamtschau gelohnt: Ihre Ausgaben
lagen bei 1,7 Milliarden Euro – so viel zahlten sie 1999 für ihren Anteil
an den Wasserbetrieben. Die Einnahmen lagen bei 2,9 Milliarden Euro (1,6
Milliarden Euro Gewinnausschüttungen plus 1,3 Milliarden Euro für den
Rückkauf der Unternehmensanteile). Das entspricht einer Rendite von 70
Prozent innerhalb von vierzehn Jahren.
## +++ Zukunftsfonds +++
Das Versprechen: Zehn Prozent des Verkaufserlöses fließen in einen
Zukunftsfonds. Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender
CDU-Fraktionsvorsitzender, „dass für uns 10 Prozent der Erlöse
selbstverständlich in einen Zukunftsfonds fließen müssen, damit die
hoffentlich hohen Erlöse des Landes Berlin beim Zustandekommen des
Vermögensgeschäfts nicht ausschließlich zur Schuldenminimierung und zur
Sanierung des Haushalts benutzt werden“.
([8][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
In einem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 29. April 1999 heißt es: „Das
Abgeordnetenhaus fordert den Senat auf, aus dem Erlös der
Teilprivatisierung 10 Prozent in einen Zukunftsfonds einzubringen.“
([9][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
Die Realität: Zwei Prozent flossen in den Zukunftsfonds. Bei einem
Verkaufserlös von 3,3 Milliarden DM hätten 330 Millionen DM in den
Zukunftsfonds fließen müssen, also 168,72 Millionen Euro. Tatsächlich waren
es nur 36 Millionen Euro.
## +++ Mitarbeiterbeteiligung +++
Das Versprechen: Aktien für Mitarbeiter und Kunden. Am 14. Januar 1999
sagte der SPD-Abgeordnete Hermann Borghorst: „Ich erinnere daran, dass wir
in dem Gesamtpaket auch beschlossen haben, dass es Aktien für die Kunden
und die Beschäftigten geben soll. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir
festhalten sollten.“
([10][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13057.pdf:Plenarprotokoll
13/57])
Das Abgeordntenhaus beschloss am 29. April 1999 mit den Stimmen von CDU und
SPD, der Senat möge bei der Teilprivatisierung die „Beteiligung der Kunden
und der Beschäftigten der Berliner Wasserbetriebe durch Ausgabe von Aktien
durchsetzen“.
([11][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
Die Realität: Keine Aktien für Mitarbeiter und Kunden. Die
Unternehmensanteile verblieben vollständig beim Land Berlin und bei den
privaten Anteilseignern, so dass auch diese alleine von den Gewinnen
profitierten.
## +++ Investitionen +++
Das Versprechen: Steigende Investitionen. Am 25. Februar 1999 sagte
Wolfgang Branoner (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe: „Für den
Senat ist vollkommen klar, dass wir die Investitionen und die
Instandsetzung fortsetzen.“
Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender
CDU-Fraktionsvorsitzender: „Die Fortsetzung der Investitionstätigkeit – die
Berliner Wasserbetriebe sind einer der größten Investoren in der Region –
ist für uns zentrales Kriterium für eine Zustimmung zum Unternehmensvertrag
und somit zum Vermögensgeschäft.“
([12][8080/starweb/adis/citat/VT/13/PlenarPr/p13062.pdf:Plenarprotokoll
13/62])
Die Realität: Sinkende Investitionen. Im Jahr 1999 lagen die Investitionen
der Wasserbetriebe noch bei 367 Millionen Euro. Seitdem sanken sie
kontinuierlich. Inzwischen sind es nur noch 270 Millionen Euro – das sind
27 Prozent weniger als vor der Privatisierung. Im Rahmen des derzeut
laufenden Programmes NEO ("Nachhaltige Effiziente Optimierung") wollen die
Wasserbetriebe die Investitionen durch Änderungen beim Ausschreibeverfahren
noch weiter senken.
Siehe auch:
- [13][//www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2010/10/30/a0019:Die Geschichte
einer räuberischen Privatisierung]
- [14][Die Wasserlügen von Rot-Rot] im Jahr 2005
-
[15][//blogs.taz.de/rechercheblog/2010/10/29/die_geheimen_wasservertraege/:
Die geheimen Wasserverträge] zum Download
- Kommentar: [16][Die Preise bestimmen andere]
5 Dec 2013
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## AUTOREN
Sebastian Heiser
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