# taz.de -- Benefizkonzert für Oranienplatz-Flüchtlinge: „Die Flüchtlinge … | |
> Der Arzt Peter Hauber half im Protestcamp medizinisch, jetzt hat er für | |
> Dienstagabend ein Benefizkonzert in der Gedächtniskirche organisiert. Im | |
> Interview erzählt er, wofür die Spenden benötigt werden. | |
Bild: Magenprobleme, Infekte, Schusswunden: Arzt Peter Hauber bei seiner Arbeit… | |
taz: Herr Hauber, Sie veranstalten Dienstagsbend ein Benefizkonzert für die | |
Flüchtlinge vom Oranienplatz. Was genau haben Sie vor? | |
Peter Hauber: Namhafte Musiker der Philharmoniker und anderer Orchester | |
spielen klassische Stücke, auch Tango und Jazz stehen auf dem Programm. | |
Zwischendrin liest der Regisseur Hermann Beil Berichte der Flüchtlinge vor, | |
die wir vorher zu Papier gebracht haben. Die Flüchtlinge selbst werden als | |
Gäste dabei sein. Auch einige Gedichte von Mascha Kaléko und Bert Brecht | |
werden eingestreut. Musik und Wort sind aufeinander abgestimmt. Das | |
Programm dauert sehr lange. | |
Wieso das? | |
Es haben sich so viele Musiker auf unsere Anfrage gemeldet, die wollten wir | |
nicht wieder ausladen. Wenn sie Gutes tun wollen, sollen sie mitmachen. Das | |
Konzert wird also alles in allem drei Stunden dauern. | |
Die Vorbereitung dafür bedeutet viel Arbeit. Warum machen Sie das? | |
Ich war seit Anfang Oktober immer wieder am Oranienplatz und zuletzt auch | |
im Caritas-Haus in Wedding, um die Menschen medizinisch zu versorgen. Bei | |
meinem ersten Treffen war ich tief beeindruckt und schockiert. Es kam mir | |
vor, als sei ich in den Slums in Bombay. Wie die Menschen da hausen, in | |
Zelten, wie in Höhlen. Ich bin mit den Flüchtlingen ins Gespräch gekommen. | |
Das sind sehr offene und sympathische Menschen. Es war eine richtig | |
fröhliche Stimmung. Als ich die medizinischen Untersuchungen angeboten | |
habe, bildete sich vor dem Zelt eine lange Schlange. Das habe ich | |
regelmäßig wiederholt. Und dann kam die Idee auf, ein Benefizkonzert zu | |
machen. | |
Einfach so? | |
Meine Frau und ich, wir organisieren seit 29 Jahren Benefizkonzerte. Wir | |
haben also viele Kontakte zu Musikern und mit so etwas schon Erfahrung. | |
Was für gesundheitliche Beschwerden hatten denn die Flüchtlinge im Camp? | |
Viele haben Magenprobleme und Infekte. Einer litt immer unter Schmerzen im | |
Brustkorb, den haben wir zum Röntgen geschickt. Da haben sie dann eine | |
Kugel gefunden von einer Schießerei in seinem Heimatland. Ein anderer hat | |
eine tiefe Depression, der ist inzwischen in psychiatrischer Behandlung. Es | |
ging viel ums Zuhören. Dass man ihre Hände nimmt und sagt: Wir wollen euch | |
helfen. Menschliche Fürsorge, das ist das, was sie am meisten brauchen. Die | |
Schicksale dieser Menschen sind erschütternd. Einiges davon wird auch | |
vorgelesen werden. | |
Zum Beispiel? | |
Viele Flüchtlinge wurden aus Libyen rausgeworfen, als die ersten | |
Nato-Bomben fielen. Man verfrachtete sie auf Boote nach Italien. Nach dem | |
Motto: Die Nato bombardiert uns, dann bombardieren wir die Nato mit euch. | |
Einer erzählte, dass er und seine beiden Kinder auf einem Schiff waren, | |
zusammen mit 800 Leuten. Das lief auf ein Riff, sie hatten zwei Tage nichts | |
zu essen und zu trinken. Als Hilfe kam, lehnten sich alle auf eine Seite, | |
so dass das Schiff kenterte und sie ins Wasser fielen. Dabei hat er seine | |
zwei Kinder verloren. | |
Wie ging es weiter? | |
In Lampedusa bekam er ein Papier für den Aufenthalt im Schengen-Raum. | |
Andere berichten, dass ihnen Geld bezahlt wurde, damit sie Italien | |
verlassen. Über Irrwege landete die Gruppe in Berlin. Jetzt leben sie im | |
Caritas-Haus in Wedding und haben wenigstens ein Dach über dem Kopf. Aber | |
eine Perspektive fehlt. Außerdem läuft bei vielen das Schengen-Papier ab. | |
Die Organisation „Asyl in der Kirche“ rief bei uns an. Die Flüchtlinge | |
brauchen dringend Geld, weil sie in Italien ihren Stempel erneuern lassen | |
müssen. Wir haben einen Vorschuss von 3.000 Euro aus den Konzerteinnahmen | |
überwiesen, damit sie weiterhin irgendein Existenzrecht haben. | |
Bisher kamen die Unterstützer der Flüchtlinge aus dem linken Milieu in | |
Kreuzberg. Erreicht das Anliegen mit dem Konzert die gesellschaftliche | |
Mitte? | |
Wir bekommen jedenfalls viele positive Rückmeldungen aus dem Bekannten- und | |
Kollegenkreis. Wir haben etwa darum gebeten, dass im Blatt der sicherlich | |
konservativen Kassenärztlichen Vereinigung eine Anzeige veröffentlicht | |
wird. Das hat geklappt. Im Übrigen ist es immer Sinn unserer Konzerte, | |
viele Menschen mit einer Botschaft zu erreichen. Früher haben wir | |
Anti-Atom-Konzerte veranstaltet. | |
Welche Forderungen richten Sie eigentlich an die politisch | |
Verantwortlichen? | |
Die Schicksale, die vorgetragen werden, stehen für sich. Da muss man gar | |
keine konkreten Forderungen stellen. Die Leute sollen schon sagen: Mensch, | |
so was gibt es in unserer Stadt! Den Abschluss des Konzerts bildet | |
afrikanische Trommelmusik. Und dann stehen wir da mit Körben und lassen | |
keinen raus, der nicht was reingeschmissen hat. | |
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## ■ Das Konzert: Dienstag, 10.12., in der Gedächtniskirche auf dem | |
Breitscheidplatz. Beginn 20 Uhr, Eintritt frei, um Spenden wird gebeten | |
9 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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