# taz.de -- Banküberfall 2.0: Methode Rambo | |
> Zwölf Geldautomaten wurden dieses Jahr in Berlin gesprengt, 18 Mal wurde | |
> es versucht: Die Diebe werden dabei immer gewalttätiger. | |
Bild: Geldautomat nach Sprengung in einer Sparkassenfiliale in Kreuzberg. | |
Mitte Dezember, 3.30 Uhr morgens: Zeugen hören im U-Bahnhof Alt-Tempelhof | |
eine Explosion. Kurz darauf sehen sie zwei Männer in einem dunklen BMW | |
davonrasen. Die Polizei findet bei ihrer Ankunft einen zertrümmerten | |
Geldautomaten vor. Teile der Ummantelung sind so weit geflogen, dass sie | |
die Spiegel auf der gegenüberliegenden Wand zerschlagen haben. Von den | |
Geldkassetten des Automaten fehlt jede Spur. | |
Zwölf Sprengungen von Geldautomaten und 18 Versuche, so lautet die Bilanz | |
der Kripo von 2013. Im Vorjahr wurden ganze drei Taten gezählt. „Es handelt | |
sich um ein neues Phänomen“, sagt Mario Hein, der beim Landeskriminalamt | |
die Ermittlungen leitet. Beim LKA hat man bereits Mitte des Jahres eine | |
Sonderkommission eingerichtet: Die Soko Giro. Es soll Zeiten gegeben haben, | |
in denen das Stethoskop zum Handwerkszeug von Tresorknackern gehörte. Man | |
kennt das aus Gangster-Klassikern: Am Klickgeräusch des Drehschlosses | |
erkannten die Einbrecher die Zahlenkombination zum Öffnen des Geldschranks. | |
Mario Hein ist seit 1976 bei der Berliner Kripo. Als er anfing, gab es noch | |
reichlich Überfälle, bei denen die Bankräuber den Kassierer mit | |
vorgehaltener Pistole zur Herausgabe der Barschaft zwangen. Ebenso kam vor, | |
dass Geldtransporter unter Einsatz von Maschinenpistolen und Äxten | |
überfallen wurden. Erbeutet wurden auf diese Weise Summen in | |
Größenordnungen bis zu einer Millionen Mark. „Diese Zeit ist definitiv | |
vorbei“ sagt Hein. Heute sind die Kassen mit digitalen Zeitschlössern | |
gesichert, Überwältigungsversuche zwecklos. Gangster wie die, die Anfang | |
des Jahres einen Tunnel zu der Volksbank-Filiale in Steglitz gruben und | |
unerkannt mit der Beute verschwanden, sind absolute Einzelphanömene. Die | |
Profis von heute mühen sich nicht mehr mit Hämmern und Trennscheiben ab – | |
„Rambo“ ist die Methode der Stunde. | |
Soko-Leiter Mario Hein geht davon aus, dass die Geldautomaten-Taten zu zwei | |
Dritteln auf das Konto einer einzigen Bande gehen. Die Täter – bis zu vier | |
Männer sind meistens beteiligt – sind mit Masken oder Sturmhauben | |
verkleidet. Die Vorgehensweise erfolgt arbeitsteilig. Das letzte Mal, dass | |
Unbekannte versuchten, einen Geldautomaten zu knacken, war am 23. Dezember | |
im U-Bahnhof Neukölln. Die Täter wurden jedoch von einem Passanten gestört, | |
bevor sie ihr Werk vollenden konnten. Zurück blieb neben dem Geldautomaten | |
einen Rollkoffer mit Gasflaschen und einsatzbereitem Schweißgerät. Die | |
Täter brachten Propangasflaschen mit, sagt Hein. Das explosionsfähige | |
Gemisch werde in die Öffnungen des Automaten geleitet. Dann werde er | |
Automat aus einiger Entfernung gesprengt. Die Heftigkeit sei so groß, dass | |
mitunter sogar die umliegenden Fensterscheiben zu Bruch gingen, sagt Hein: | |
„Die Gewalt ist nicht zu unterschätzen“. Er hält es für einen glücklich… | |
Zufall, dass noch keine Unbeteiligten verletzt worden sind. Bevor sie mit | |
einem Fahrzeug die Flucht ergriffen, sammelten die Täter ihre Gerätschaften | |
und die herausgesprengten Geldkasetten ein. In drei bis fünf Minuten sei | |
der Spuk vorbei. „Man lässt sich auf kein Riskio ein“, sagt Hein. Wenn es | |
Schwierigkeiten gebe, brächen die Täter sofort ab. | |
In einem Geldautomaten sind bis zu vier Geldkassetten. Ein fünf- bis | |
sechssstelliger Eurobetrag befinde sich darin, sagt Hein. Eine | |
Boulevardzeitung bezifferte den Betrag unlängst auf 300.000 Euro. Lohnen | |
tue sich das Ganze aber trotzdem nicht, sagt Hein: Die Geldkassetten seien | |
mit Farbpatronen ausgestattet. Bei illegaler Öffnung würden die Scheine mit | |
roter oder blauer Farbe geflutet. „Danach ist das Geld nicht mehr | |
verwendbar“. Im August 2013, bei einem Überfall auf einen Automaten der | |
Commerzbank am Bayrischen Platz, habe sich die Farbspur bis zum Fluchtauto | |
gezogen, erinnert sich der Kripobeamte. Das eingefärbte Auto sei jedoch nie | |
gefunden worden, auch eingefärbtes Geld sei nie aufgetaucht. Auch keine | |
einzige der vielen entwendeten Geldkassetten sei jemals gefunden worden. | |
„Wir haben keine Ahnung, woher die Täter kommen“, sagt Hein. In Berlin gebe | |
es rund 600 Geldautomaten. Es gebe kein Zeitmuster, keine bevorzugten | |
Bezirke, in denen die Sprengungen erfolgten. Bundesweit sind in diesem Jahr | |
56 Geldautomaten geknackt worden, sagt Hein – aber in keiner Stadt gebe es | |
so eine Häufung wie in Berlin. | |
29 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
## TAGS | |
Hacking | |
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