Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Mein Ein und Alles
> Der Skandal um die „Motorwelt“ zerstört nicht nur die Glaubwürdigkeit d…
> ADAC, sondern setzt auch gehöriges Erinnerungspotential frei.
Bild: Das Ziel aller Träume jedes Journalisten ist und bleibt die A-Klasse der…
Schon als kleiner Junge zur Vorschulzeit, dem Zeitpunkt meiner frühesten
Erinnerungen, war es einmal im Monat so weit. Ich kam mit Mutter vom
Kindergarten oder vom Einkaufen nach Hause, lief die letzten Meter vor und
zielstrebig auf unseren Briefkasten zu. Heraus fischte ich mit meinen
schmalen, zarten Kinderhänden mein Heiligtum: die ADAC Motorwelt.
Ich hielt sie triumphierend gegen die Sonne, warf mich sodann in meinem
Zimmer aufs Bett und war über Stunden versunken: Bilder von aufpolierten
Boliden, dem ADAC-Hubschrauber in Aktion, Anzeigen für Treppenlifte. Abends
schlief ich erst ein, wenn mir Vater die immer unterhaltsam und mit flotter
Feder geschriebene Seite-1-Kolumne der Motorwelt, das „Blinklicht“,
vollständig vorgelesen hatte.
Mit dem ADAC war ich bereits mein gesamtes kurzes Leben verbunden, denn
mein Patenonkel hatte mir gleich zur Taufe wohlwissend die
ADAC-Plus-Mitgliedschaft geschenkt. Ich bin bis heute überzeugt, dass ich
in den ersten Schuljahren nur meiner Motorwelt-Begeisterung wegen stets zu
den Klassenbesten im Lesen und Schreiben zählte. Andere Jungs in unserem
Münchner Vorort lasen das Manager Magazin, die Mädchen die ersten Ausgaben
des Manufactum-Katalogs und Problemkinder den Focus – ich verschlang immer
nur und immer wieder mit heißer Leidenschaft mein Ein und Alles.
Und wie ich sie las, meine Motorwelt! Ganze Reportagen über Nordkanada oder
die bekannte Südpol-Rosenheim-Rallye lernte ich auswendig und sagte sie am
Heiligen Abend vor der versammelten Familie auf. Bald stellte ich an meinem
Schreibtisch im Kinderzimmer meine eigene Motorwelt, die „ADAC Motokids“,
her und legte sie meinen Eltern wöchentlich neu auf den Beifahrersitz ihres
Wagens (Toyota Corolla, Sieger der ADAC-Pannenstatistik 1996/97).
Später einmal wollte ich, das stand fest, Chefredakteur der Motorwelt
werden. Oder doch lieber ein gelber Engel im Helikopter? Nein, nein:
Motorwelt. Und wenn alles schiefginge, könnte ich ja immer noch
Tunneltester werden.
## Das Ziel meiner Träume
Ich gebe zu, mit vierzehn, fünfzehn, als Pubertierender also, verpasste ich
die ein oder andere Ausgabe. Ich ließ sie links liegen und zog unter meinem
Bett ein paar dort heimlich versteckte Ausgaben des Tuning Magazins hervor,
auf dessen Cover stets leicht bekleidete Damen den Blick auf spektakulär
aufgebohrte PS-Monster versperrten. Einmal war ich gar kurz davor, mir eine
Autobild zuzulegen, an der Kasse unseres Kiosks trieb mir die perverse
Durchtriebenheit dieses Schmierblatts jedoch schnell die Schamröte ins
Gesicht, ich rannte davon und mit dem Ausklingen meine Teenager-Jahre
schließlich zurück zur Motorwelt.
Nach der Schulzeit war sie immer noch das Ziel meiner Träume. So schrieb
ich mich an der Münchner Universität im Fach Germanistik ein, belegte
Seminare für kreatives Schreiben, „Sichtung des Erlkönigs“ und
Auto-Didaktik. Meine Bachelor-Arbeit zum Thema „Alpha Romeos historische
Baureihe Giulia“ zählte bei der Abgabe 182 plagiatsfreie Seiten – nur die
besten, fleißigsten und ehrlichsten, so dachte ich, schaffen es zur
Motorwelt.
Vor wenigen Tagen wurde ich dann schmerzhaft eines besseren belehrt:
Korruption, Manipulation, Zahlenzauber, Heuchelexzesse. Die Motorwelt,
meine Motorwelt, und mit ihr der ADAC, mein ADAC, mitten in einem Sumpf aus
Lüge und Intrige. Mit mir wurden Millionen Deutsche um ihr „Lieblingsauto“
geprellt, im Innersten getroffen und verletzt.
Alle sind wir nun hilflos verzweifelt: Die Gottesdienste des vergangenen
Sonntags waren die bestbesuchten seit den fünfziger Jahren. Doch wir
sollten nicht verzagen und dürfen vor allem eines nicht: Die Motorwelt,
unsere Motorwelt und unseren ADAC aufgeben. Ein reflexhafter Club-Austritt,
wie von der schändlichen Bild propagiert, schadet nicht der korrupten
Führung, sondern den vielen kleinen ADAC-Gemeinden, die täglich nah am
motorisierten Bürger und seinen Sorgen sind. Sie verbreiten oft
ehrenamtlich die frohe Botschaft der Motorwelt und dürfen nun nicht für die
Perfidie und das Versagen weniger ADAC-Eliten bestraft werden.
Jeder von uns kann ein kleines Rädchen im Getriebe unseres Automobilclubs
sein und Kilometer für die gute Sache machen. Um zu beweisen, dass es sich
hierbei nicht nur um leere Worte handelt, wage ich nun nach 25 Jahren der
Vorbereitung den ersten Schritt und bewerbe mich an dieser Stelle
öffentlich um ein unbezahltes Praktikum bei meiner ADAC Motorwelt.
22 Jan 2014
## AUTOREN
Moritz Hürtgen
## TAGS
ADAC
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.