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# taz.de -- Protokolle von Abhängigen: "Das schafft das Heroin"
> Seit kurzem gibt Berlins erste Diamorphin-Praxis reines Heroin an
> Süchtige ab. Deren Erfahrungen lesen Sie hier, die Geschichte in der
> Wochenend-taz vom 25. Januar
Bild: Droge oder Medikament? In der Diamorphin-Ambulanz ist das gar nicht so ei…
„Heroin ist mein Begleiter“
Luis* ist 36, sein Gesicht ist eingefallen. Er spricht undeutlich, seine
Brücke hat er in einer City-Toilette vergessen. Als er vor knapp drei
Wochen zum Aufnahmegespräch kam, hatte er zwei Monate nicht geduscht. Jetzt
trägt er das dunkle Haar und den Bart sorgfältig gestutzt, grauer Sweater
zur Jeans. Luis nimmt seit über 20 Jahren Drogen. Seit Anfang Januar ist er
bei Patrida, der Diamorphin-Ambulanz, er verbringt hier den ganzen Tag.
"Ich bin seit über 20 Jahren drogenabhängig, hab ziemlich früh angefangen.
Heroin, Kokain. Das lag auch an meiner Kindheit. Da gab es viel Gewalt.
Mein Vater war auch drogenabhängig. Dadurch bin ich so geworden. Vor 12
Jahren bin ich aus Portugal nach Berlin gekommen. Wegen der Arbeit, ich
habe in einem Eiscafé gearbeitet. Als das dann immer mehr wurde mit den
Drogen, habe ich meine Arbeit verloren. Seit 2006 bin ich obdachlos. Ich
war mehrmals im Knast, bin kriminell geworden wegen der Drogen. Nur wegen
der Drogen. 200 Euro brauchte ich am Tag. Ich bin morgens aufgestanden, hab
mir ein Druck gesetzt und mich vorbereitet zum Klauen gehen. Ich bin nur
dem Geld hinterhergerannt. Geschlafen hab ich bei Bekannten oder in der
Notunterkunft.
Entzüge, Methadon-Programme haben bei mir nicht geklappt. So viele Jahre,
20 Jahre Heroin. Das ist mein Begleiter, mein ganzes Leben. Alles, was ich
hatte. Ohne fühlt es sich komisch an, so eine Leere. Dann kommt die
Realität, und die ist nicht gut. Ich habe nur darauf gewartet, dass sie
hier aufmachen. Ich bin von der Straße hierher kommen. Ich wollte schon
lange raus aus der Szene, ich hatte einfach keine Kraft mehr dafür. Seit 17
Tagen bin ich jetzt hier, kriege mein Dope jeden Tag. Das, was wir hier
kriegen, wirkt stärker als das gestreckte Zeug von der Straße. Da bin ich
aufgefüllt, brauche nichts anderes mehr. Auch kein Kokain. Keine einzige
Straftat habe ich seitdem mehr begangen.
Jetzt kommen die Punkte, die abgearbeitet werden müssen. Ich habe es
geschafft, eine Unterkunft zu bekommen, ein Einzelzimmer. Die Probleme mit
dem Gericht muss ich noch regeln. Ich habe eine Infektion in der Leiste,
die behandelt werden muss. Für die Psyche bekomme ich Antidepressiva. Aber
es ist alles noch sehr frisch, ich bin noch etwas vernebelt. 20 Jahre
Drogen. Ich brauche Zeit, um runterzukommen. Die meiste Zeit bin ich
einfach nur hier, um mich auszuruhen."
„Meine Kindheit ist ein dunkler Block“
Klaudia* ist 42, dunkelblonde lange Haare über dem Strickpulli. Ihr
16-jähriger Sohn lebt beim Vater, sie besucht ihn regelmäßig. Im
Kreativraum malt sie kleine, filigrane Bilder. Wenn sie spricht, schnell
und etwas aufgeregt, wirkt sie fast mädchenhaft. Klaudia nimmt seit 30
Jahren Drogen. Seit September ist sie bei Patrida.
"Das Warum ist schwierig, sehr komplex. Ich hab schon sehr früh mit den
Drogen angefangen. So mit Tabletten und Kiffen und so, schon mit 12 oder
13. Und Alkohol auch, ja. Ich wollte die Albträume weg haben, die Ängste.
Ich wurde als Kind schwer misshandelt, oft verprügelt, eingesperrt. So mit
Anfang 20 hab ich mit allem aufgehört, war 11 Jahre lang clean. Dann hat
mich mit Anfang 30 mein Partner verlassen, da kam alles wieder hoch.
Meine Kindheit ist ein dunkler Block, an den ich nicht gern denke, der sehr
wehtut. Heroin war ein bewährtes Mittel gegen die Verzweiflung, um den Kopf
zuzumachen, um dichtzumachen. Es entspannt, macht gleichgültig gegenüber
den Problemen, löst den Schmerz. Und dann hatte ich ganz schnell wieder das
normale Junkie-Leben. Wenn man schon mal abhängig war und wieder drauf
kommt, geht das ganz schnell. Ich habe den Straßenfeger verkauft und bin
putzen gegangen. Und sobald ich 10 oder 20 Euro zusammen hatte, bin ich zum
Dealer gegangen und hab mich versorgt. So ging das den ganzen Tag, man ist
eigentlich immer nur beschäftigt, Kohle zusammen zu kriegen. Ich habe den
Konsum niedrig gehalten, aber 40 Euro brauchte ich auch. Das muss man mit
Putzen und Zeitungen verkaufen erst mal hinkriegen. Aber klauen wollte ich
nicht, anschaffen sowieso nicht. Das war mir wichtig.
Ich bin dann ziemlich schnell ins Methadon-Programm. Aber da fehlt etwas,
man ist nie satt. Das macht Depressionen, man fühlt sich nie richtig gut.
Aber ohne Methadon hätte ich viel mehr Heroin gebraucht, da hätten 40 Euro
nicht gereicht. Oh Mann, in der Zeit bin ich morgens aufgestanden und hab
mich wie 80 Jahre alt gefühlt, die Knochen tun einem weh. Es geht einem
echt schlecht. Man fühlt sich erst wieder normal, wenn man was gedrückt
hat. Letztes Jahr war ich dann ziemlich am Ende, das geht eben nicht
jahrelang gut. Ich war erkältet, Fieber – egal, ich musste raus, das Geld
beschaffen. Und wie auf einen herabgeschaut wird. In den Methadon-Praxen
war man Mensch zweiter Klasse. Wenn man krank war – ach die ist ja süchtig,
daher kommt das. Da lernt man, dass man weniger wert ist als andere.
Und das fällt jetzt alles weg. In den letzten fünf Monaten hat sich echt
viel verändert in meinem Leben. Zum ersten Mal ist ein Versprechen wahr
geworden. Der Suchtdruck geht wirklich weg, so nach drei vier Monaten. Im
ersten Monat hab ich noch ein zwei Mal was probiert. Im zweiten Monat hab
ich mir noch mal was gekauft, um mir was zu beweisen. Im dritten Monat
hatte ich nicht mal mehr dazu Lust und als mich einer auf eine Kugel Heroin
einladen wollte, hab ich gesagt, nee, wozu. Das hätte es früher nie
gegeben, das hätte ich doch nicht abgelehnt. Hier kriegt man die Zeit, sich
zu stabilisieren. Es gab zu viel Unvorhergesehenes, zu viel Schlechtes in
meinem Leben. Hier hab ich einen Rahmen, auf den ich mich verlassen kann.
Ohne Versagensängste, wieder rückfällig zu werden.
Klar, würde ich irgendwann gern ein nüchternes Leben führen. Aber dann
bräuchte ich ja trotzdem was, um einschlafen zu könne, um die Ängste in den
Griff zu kriegen. Antidepressiva möchte ich nicht, damit habe ich ganz
schlechte Erfahrungen gemacht. Das fühlt sich ganz künstlich an, als knipst
einer ein Licht im Gehirn an. Ich will aber meine eigenen Gefühle, ich will
nur damit umgehen können. Und das schafft das Heroin. Ich wache morgens
wieder auf mit guter Laune. Trink erst mal einen Kaffee und mach mich in
Ruhe fertig. Dann komm ich hierher."
„Erst mal zu Kraft kommen“
Uwe* ist 48, schwarze Mütze auf dem weißen Haar, Grübchen um die funkelnden
Augen. Rauchige Stimme, die viel singt. Schlanke Hände, die vor allem
Gitarre und manchmal Klavier spielen. Er nimmt seit 34 Jahren Drogen und
ist seit September bei Patrida.
"Ich hab mit 14 angefangen zu kiffen, LSD, Speed. Ganz normale
Drogenkarriere. Das hat geboomt damals zu der Zeit in den Siebzigern und
Achtzigern. Gerade bei uns in Dortmund, an der Grenze zu Holland. Vor
Heroin hatte ich lange einen Heidenrespekt, gerade vor der Nadel. Aber dann
haben es ein paar Freunde probiert, und dann hab ich es mir auch
reingezogen. Am Anfang gab es da noch diesen richtigen Flash – Oah, ist das
toll. Und dann ist die Optik aufgegangen und eine innere Ruhe und
Gelassenheit eingekehrt. Damals vor über 20 Jahren war das Zeug ja noch so
rein, da war man nach zwei drei Knallern schon drauf. Und das ist mir dann
leider passiert. Aber bei dem starken Heroin hat man auch einen ziemlichen
starken Affen gehabt, also Entzug. Da hab ich dann alles versetzt, bin
klauen gegangen. Das war meine schlimmste Zeit, damals in Dortmund.
1989 bin ich nach Berlin und zu Synanon (Drogen-Selbsthilfeprojekt mit
resoluten Abstinenz-Regeln, Anm. d. Red.) gekommen und anderthalb Jahre
geblieben. Dann war ich bei deren Tochterfirma Umzugshelfer, hab Geld
verdient. Als ich nach einem Urlaub noch was übrig hatte, stand der Kotti
offen. Da hab ich mir halt Dope gekauft, und da war ich wieder drauf. Bin
wieder abgestürzt. Aber immerhin, seit 10 Jahren hab ich das Geld fürs Dope
nur noch legal beschafft. Ich war Straßenmusiker. Jeden Tag raus. Klar, hab
ich auch meinen Spaß drangehabt, wenn die Leute klatschen. Aber dann im
Winter, so hoch der Schnee, kein Mensch in den Kneipen und du musst
trotzdem. Wir mussten fast 3 Gramm am Tag besorgen, meine Freundin und ich.
Das sind 100 Euro. Manchmal haben wir nur 50 Euro verdient, dann musste man
ein bisschen Methadon nachziehen.
Nur Methadon hat mir nie gereicht. Man hat trotzdem immer noch den
Suchtdruck. Ich hab immer zusätzlich Heroin genommen. Hab mir in der
City-Toilette das Dope reingedrückt. Da hattest du ja nur ein paar Minuten
und dann geht die Tür wieder auf. Da lag dann schon auch mal einer und ist
umgekippt. Aber äußerst selten passiert das heute nur noch. Ist ja nur noch
fünf Prozent Heroin drin in dem Zeug, das man auf der Straße kriegt. Wir
haben das letzte Jahr privat gekauft, mussten nicht mehr auf die Straße. Da
wussten wir wenigstens was drin war. Ich hab es mal erlebt, da waren
dreihundert Leute im Paracelsus-Bad und haben auf den Ticker gewartet.
Dreihundert Leute! Und als der dann endlich kam, hat sich eine riesige
Traube gebildet und der Kampf ging los. Wie im Krieg um das letzte Stück
Butter. So lief das halt.
Inzwischen sehe ich die Leute draußen rumlaufen und denk mir, Mensch die
Ärmsten, ich war mal einer von denen. Ja, ich hatte Glück. Ich bin am 16.
September 2013 hier eingeflogen. Als Patient Nummer 23, meine Freundin war
die 20. Nützt ja nichts, wenn einer drauf ist und der andere nicht. Jetzt
bin ich immer gegen 12 Uhr hier, ich bin Langschläfer. Dann kriege ich
meine Dosis. Und abends komme ich noch mal wieder, fahre mit meiner
Freundin zusammen nach Hause und kann einen ruhigen Abend verbringen. Wie
jeder andere. Wir sind fast 20 Jahre wie getriebene Tiere durch das Land
gelaufen und hatten keinen anderen Anspruch, als das Heroin zu besorgen.
Wir müssen erst mal zur Ruhe kommen, zu Kraft. Dann möchte ich mich
musikalisch weiterentwickeln, will gern auf Bühnen singen. Das will ja
jeder Musiker. Den Anspruch hatte ich früher schon, aber das war überhaupt
nicht realisierbar."
"Mit Heroin fällt es mir leichter zu leben“
Andreas* ist 39, hager aber kräftig. Die braunen Haare hat er zum Zopf
gebunden, eine dicke Silberkette baumelt über dem gelben Sweatshirt. Hände
und Arme voller Tattoos. Andreas spritzt seit 26 Jahren Heroin.
"Ich nehme seit meinem 13. Lebensjahr Heroin. Schon beim zweiten oder
dritten Mal hab ich gespritzt. Das hat bei mir eine ganz komische
Vorgeschichte. Da wo ich aufgewachsen bin, da wurde der Film gedreht „Wir
Kinder vom Bahnhof Zoo“. Ich war da acht oder so und wusste ja noch gar
nicht, was das alles ist. Aber ich hab die Ü-Wagen stehen sehen und die
Kamerateams. Und als ich so 12 war, wollte ich den Film unbedingt sehen.
Ich war damals schon das, was man einen schweren Jungen nennt. Meine Mutter
hat gut mit mir zu tun gehabt.
Auf jeden Fall durfte ich den Film dann sehen, aber nur im Beisein von
einer Frau von der Familienfürsorge. Die ist zwei Mal die Woche gekommen
und hat sich um mich gekümmert. Der Film hat mich aber nicht abgeschreckt,
im Gegenteil. Das hat mich interessiert, weil mein Leben auch gerade aus
der Bahn lief. Ich habe die Schule geschwänzt, Alkohol getrunken,
Zigaretten geraucht und so. Ich habe rebelliert. Mein Vater wollte mich
nicht, und das hat er mich auch spüren lassen. Ich habe viel Schläge
bekommen, wurde nie wahrgenommen. Im Nachhinein weiß ich, dass ich dann
immer mit Absicht was Schlimmes gemacht habe, weil dann hat er mich ja
wahrgenommen. Und nach dem Film wusste ich, das ist meins, das hat mich
angezogen.
Dann habe ich zwei, drei Mal mein Taschengeld gespart und bin zum Bahnhof
Zoo gefahren. Ganz allein, ich war immer ein Einzelgänger. Beim ersten Mal
haben die mich weggeschickt, die anderen Junkies: Ey, du bist noch zu jung.
Dann habe ich was getrunken und bin wieder hin. Dann hat mir einer Pfeffer
verkauft. Also das hat ein paar Anläufe gebraucht. Beim Konsumieren war es
dann so, da hab ich jemanden getroffen, dem ging es nicht so gut. Und dann
hat der mich gefragt, ob ich ihm was abgeben kann. Klar, habe ich gesagt,
aber dafür musst du mir den Druck machen. Ich habe ihm erst danach gesagt,
dass das mein erster Druck war, da war der voll sauer.
Was hat Heroin in mir ausgelöst? Geborgenheit, Wärme, keine schlechten
Gefühle mehr. Mit Heroin fällt es mir leichter zu leben. Auch wenn ich die
ersten Male unglaublich viel gekotzt habe. Ich bin dann mit 16 zu einer
Pflegefamilie aufs Dorf gekommen. Von dort bin ich dann abgehauen nach
Hamburg. So mit 17. Von da an war Heroin meine Droge. Ich war aber nicht so
ein Junkie, der nur in der Ecke liegt. Ehrlich jetzt, ich hab immer
versucht, viel zu machen. Ich habe Fußball gespielt, habe Ausbildungen
angefangen, hatte zwei lange Beziehungen, aus der einen ging eine Tochter
hervor, mit der ich mich gut verstehe. Aber ich war auch insgesamt 15 Jahre
wegen Beschaffungskriminalität im Knast.
2012 bin ich wieder verhaftet worden und musste meine ganzen Reststrafen
absitzen. Ich hab immer auch im Knast Heroin genommen, das war verfügbar.
An einem Tag hab ich auf zehn Tabletten Diazepam noch zweieinhalb Gramm
Heroin gespritzt. Das war wohl zu viel und ich bin mittags unter der Dusche
zusammengebrochen. Dann hat mich stundenlang keiner gefunden. Irgendwann
bin ich wieder zu mir gekommen, Platzwunde am Kopf, alles voller Blut. Dann
haben die da mitgekriegt, dass ich eine Überdosis hatte und haben dafür
gesorgt, dass ich am nächsten Tag ins Substitutionsprogramm aufgenommen
werde. Eigentlich wollte ich das nie wieder nehmen. Weil ich immer
Beigebrauch hatte und sehr sehr viel Methadon brauchte, bis 80 Milligramm
am Tag.
Eine Idee, was nach dem Knast kommt, hatte ich nicht. Meine
Vollzugshelferin kannte das Projekt hier und hat mich gefragt, ob ich mir
das vorstellen kann: Heroin auf Rezept. Klar konnte ich das. Heroin ist
das, was mir geholfen hat, klar zu kommen, seit ich 13 bin. Also habe ich
einen Lebenslauf geschrieben und habe mich beworben. Aber ich brauchte ja
das Aufnahmegespräch. Und dann ist der Dr. Peschel zu mir in den Knast
gekommen. Welcher Arzt würde das denn machen, wegen einem Substituierten?
Und dann hat der mich gefragt, eine Woche vor meiner Entlassung, was denn
mein Plan ist. Ich hab ehrlich gesagt: Normalerweise wäre ich raus aus dem
Knast, meine Klamotten irgendwo am Bahnhof in ein Schließfach gepackt und
dann los und Dope besorgen. Ich hatte keinen anderen Plan. Das war immer
mein Plan. Und da hat Dr. Peschel gesagt: Dann kommen Sie mal nach ihrer
Entlassung zu uns.
Das war am 27. November und ich habe sofort gemerkt, es ändert sich was.
Ich kam hierher und hatte nichts: Ich war obdachlos, hatte keine
Krankenversicherung. Ich bin dann erst mal zu meiner Mutter gezogen und die
war erst sehr skeptisch – wenn der jetzt wieder was nimmt. Ich hab sie dann
mit hierher genommen in die Praxis. Und die konnte gar nicht glauben, dass
man das, was ihr Sohn die ganze Zeit genommen hat, jetzt vom Arzt bekommt.
Sie hat dann nach zwei drei Wochen auch wieder Vertrauen zu mir gewonnen
und mir einen Schlüssel gegeben, damit ich in die Wohnung kann, wenn sie
nicht da ist. Das wäre früher nicht gegangen, ich hätte Zeug versetzt und
sonst was für die Drogen.
Seit ich hier bin habe ich noch mal zwei Diazepam genommen, weil ich nicht
schlafen konnte. Ich kiffe ab und zu, sonst habe ich keinen Beigebrauch. An
die üblichen Plätze gehe ich nicht mehr, das habe ich früher immer gemacht,
selbst wenn ich clean war, ich kannte ja niemanden anderen. Jetzt hab ich
meine Familie und hier die Kontakte. Das ist ein bisschen wie Heimat, heißt
ja auch Patrida.
Vor ein paar Wochen habe ich in der Zeitung geblättert und eine Anzeige
gelesen wegen Arbeit. Und dann habe ich da angerufen, bin vorbeigegangen,
habe zwei Gebäudereinigungs-Zertifikate gezeigt, die ich im Gefängnis
gemacht habe. Wir hatten ein gutes Gespräch und ich hab sofort angefangen
zu arbeiten in einem Minijob. Die Chefin hat mir so viel Vertrauen
geschenkt und dann hab ich gegrübelt, was ich mache. Ich wollte sie nicht
anlügen, also hab ich ihr alles erzählt habe. Und dann hat die Firma
tatsächlich gesagt, Sie machen gute Arbeit, wir geben Ihnen die Chance. Und
jetzt habe ich die Aussicht, davon bald auch leben zu können. Wenn mir das
vor drei Monaten jemand gesagt hätte – Alles was ich jetzt erreicht habe,
wäre vor drei Monaten nicht möglich gewesen, so krank wie ich war. Ich war
immer nur hinter dem Heroin her, weil ich nur damit leben konnte. Für mich
fällt das inzwischen auch raus aus den Drogen, für mich ist das ein
Medikament."
* alle Namen geändert
Protokolle: Manuela Heim
24 Jan 2014
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