| # taz.de -- Kommentar Reform der Sozialsysteme: Hartz im Élysée-Palast | |
| > Peter Hartz in Paris – das ist das perfekte Symbol, warum der Euro | |
| > auseinanderbricht. Die deutsche Selbstzufriedenheit ist fehl am Platz. | |
| Bild: Die französische Version der deutschen Grundsicherung. | |
| Viele Deutsche fühlen sich als Sieger. Während Europa in der Rezession | |
| verharrt, herrscht bei den Bundesbürgern das Gefühl: Eurokrise? Welche | |
| Krise? In Deutschland scheint es doch zu boomen. Die Exporte explodieren, | |
| und die Zahl der offiziell Arbeitslosen sinkt. | |
| Besonders freudig wird nach Frankreich geblickt. Es befriedigt, dass der | |
| große Nachbar in Schwierigkeiten steckt. Jeder zusätzliche Arbeitslose in | |
| Frankreich bestärkt hier den Eindruck: Die Agenda 2010 war richtig – und | |
| die anderen Euroländer täten gut daran, die Hartz-Reformen schleunigst zu | |
| übernehmen. | |
| Für diese deutsche Selbstzufriedenheit existiert neuerdings das passende | |
| Symbol: Wie jetzt bekannt wurde, war Peter Hartz vor zwei Monaten Gast im | |
| Élysée-Palast, um mit dem französischen Präsidenten Hollande zu sprechen. | |
| Dieses Geheimtreffen wird nicht dementiert; von der Regierung in Paris wird | |
| lediglich bestritten, dass Hartz zum offiziellen Berater von Hollande | |
| aufsteigen soll. | |
| Ob mit oder ohne Hartz – den Franzosen wird nichts anderes übrig bleiben, | |
| als die deutsche Agendapolitik zu übernehmen. Dies ist jedoch keine gute | |
| Nachricht für Europa, sondern läutet das Ende des Euro ein. | |
| ## Deutschland als Aggressor | |
| Nicht Frankreich ist der Versager, sondern Deutschland ist der Aggressor – | |
| weil es Lohndumping betreibt. Zwischen 2000 und 2010 sind die deutschen | |
| Reallöhne im Mittel um 4,2 Prozent gefallen, während sie in Frankreich um | |
| etwa 15 Prozent gestiegen sind. Nun sind die französischen Waren deutlich | |
| teurer als die deutschen Produkte. | |
| Die Franzosen sind nicht mehr konkurrenzfähig, obwohl sie sich richtig | |
| verhalten haben. Sie haben ihre Reallöhne mit der Produktivität erhöht. | |
| Dies mag technisch klingen, beschreibt aber die eherne Regel des | |
| Kapitalismus: Wenn mehr Waren entstehen, müssen auch die Gehälter steigen, | |
| damit die zusätzlichen Produkte Käufer finden. | |
| Eigentlich müssten die Deutschen ihre Gehälter drastisch erhöhen, um das | |
| vergangene Lohndumping zu korrigieren. Stattdessen ist man stolz auf die | |
| Agenda 2010. Daher bleibt den Franzosen nur, ihre Gehälter ebenfalls | |
| abzusenken, wenn sie gegen die Deutschen bestehen wollen. Die Folgen sind | |
| unerfreulich: Mit den Löhnen sinkt die Nachfrage. Es kommt erneut zur | |
| Rezession. Die Preise geben nach, und Europa rutscht endgültig in die | |
| Deflation. | |
| Hartz in Paris – dies ist das perfekte Symbol, warum der Euro | |
| auseinanderbricht. | |
| 28 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Sozialsystem | |
| Francois Hollande | |
| Deutschland | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| „Demo für alle“ in Frankreich: Tausende gegen Familienpolitik | |
| Sie wollen kein Recht auf künstliche Befruchtung für Lesben und werfen der | |
| Regierung „Famillienfeindlichkeit“ vor. In Paris sind die Konservativen auf | |
| der Straße. | |
| Gerüchte über Beratung Hollandes: Absage an Hartz-Kur für Frankreich | |
| Ja, Peter Hartz war zu Gesprächen bei François Hollande. Sein Berater beim | |
| Umbau der Sozialsysteme wird er aber wohl nicht. |