# taz.de -- Experte Groß über Ausländerwahlrecht: „Es ist Sache der Lände… | |
> Bremen will Ausländern Stimmrecht geben: Freitag prüft der | |
> Staatsgerichtshof den Gesetzentwurf. Experte Thomas Groß erklärt, warum | |
> der gute Chancen hat. | |
Bild: Anna Netrebko und Rolando Villazón mögen noch so schöne Stimmen haben … | |
taz: Herr Groß, was macht es so schwierig, in Deutschland lebenden | |
Ausländern das Wahlrecht zu geben? | |
Thomas Groß: Die Frage ist, ob sich das mit dem Grundgesetz vereinbaren | |
lässt. Um das zu prüfen, hat die Bremische Bürgerschaft den dortigen | |
Staatsgerichtshof angerufen: Die traditionelle Auffassung ist ja, dass nur | |
eigene Staatsangehörige auch an der Zusammensetzung der Parlamente | |
mitwirken dürfen. | |
Das steht im Grundgesetz? | |
Nicht ausdrücklich – dort ist nur das Demokratieprinzip verankert, dass | |
alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen muss. Aber das | |
Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass dieses Wahlvolk „von den | |
Deutschen gebildet“ werde. | |
Das war, als Hamburg das Wahlrecht für Ausländer einführen wollte? | |
Hamburg und Schleswig-Holstein: Es waren zwei Urteile, die 1990 am selben | |
Tag verkündet wurden. | |
Und mittlerweile gibt es Zweifel an dieser Interpretation? | |
Diese wohlwollend gesagt ethnozentrische Auslegung war schon damals nicht | |
unumstritten. Es gab auch damals schon Fachleute, die meinten, dass sich | |
das Wahlrecht als Individualrecht besser fassen ließe und nicht an die | |
Abstammung zu knüpfen wäre. | |
In Ihrer Stellungnahme für den Bundestag zu diesem Thema hatten Sie die | |
Menschenwürde als Wurzel der Demokratie bestimmt. Jetzt differenziert aber | |
auch der Bremer Entwurf zwischen Ausländern, denen man nur erlauben will, | |
auf kommunaler Ebene mitzubestimmen, und EU-Angehörigen, die sogar das | |
Landtagswahlrecht bekommen sollen. Wie kann man denn das Wahlrecht als | |
Ableitung aus der unteilbaren Menschenwürde teilen? | |
Es gibt ja weiterhin Unterschiede zwischen Wahlrecht und Menschenwürde. | |
Diese ist ein allgemeines Grundprinzip und gilt für jeden immer und | |
überall. Ein völlig entgrenztes Wahlrecht zu fordern – so weit geht, glaube | |
ich, keiner: Das hieße ja, es müsste jeder Mensch hier wählen dürfen … | |
… sogar Touristen? | |
Eigentlich sogar Menschen überall auf der Welt. Das wäre nicht sinnvoll. Es | |
muss schon durch sachgerechte Kriterien limitiert werden – etwa durch eine | |
bestimmte Aufenthaltsdauer. | |
Aber die Unterscheidung EU-Bürger und Nicht-EU-Bürger greift ja doch auf | |
ein erweitertes Staatsbürgerprinzip zurück. | |
Diese Unterscheidung ist ausdrücklich in Artikel 28 des Grundgesetzes | |
eingeführt worden, weil es europäischem Recht widersprach, EU-Bürgern von | |
der Mitgestaltung auszuschließen. Das ist also unproblematisch, und es hat | |
gezeigt, dass eine solche Ausweitung nicht das Demokratieprinzip als | |
solches berührt ... | |
… das durch die Ewigkeitsklausel geschützt gewesen wäre? | |
Genau: Das Demokratieprinzip ist durch das Grundgesetz selbst der | |
gesetzgeberischen Gestaltung entzogen. Wenn das aber für den Volksbegriff | |
nicht zutrifft, wenn der geändert werden kann – dann liegt es, das ist | |
meine Interpretation, in der Kompetenz der Länder, zu definieren, wer in | |
ihnen wahlberechtigt ist: Das Grundgesetz schreibt ihnen nur vor, das | |
Demokratieprinzip zu verwirklichen. | |
Aber genau darüber hat doch das Bundesverfassungsgericht 1990 entschieden! | |
Auch das Bundesverfassungsgericht ändert mitunter seine Meinung. | |
Wieso sollte es? | |
Es kommt zwar ausgesprochen selten vor, aber es ist nicht ausgeschlossen. | |
Das Bundesverfassungsgericht reagiert dann auf gesellschaftliche | |
Veränderungen, die in diesem Fall ja offenkundig sind: Einerseits ist die | |
Zahl gerade der Bürger, die nicht aus der EU stammen, aber dauerhaft hier | |
leben, seit 1990 stark gestiegen. Trotzdem wird ihnen ein wichtiges | |
Mitwirkungsrecht vorenthalten. Und zugleich hat sich die Bewertung dieses | |
Zustands geändert. | |
Woran machen Sie das fest? | |
Das zeigen nicht zuletzt die Initiativen für ein Ausländerwahlrecht auf | |
Landesebene – wie die in Bremen. | |
## Mündliche Verhandlung: Freitag, 31. 1., 9.30 Uhr, Staatsgerichtshof | |
29 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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