| # taz.de -- „Der Anständige“ auf der Berlinale: Mehr als die Banalität ei… | |
| > „Der Anständige“ von Vanessa Lapa setzt historische Aufnahmen, private | |
| > Briefe und Tagebuchnotizen von Heinrich Himmler zusammen. | |
| Bild: Heinrich und Gudrun Himmler, aus „Der Anständige“ von Vanessa Lapa. | |
| Vor sieben Jahren wurde ein Konvolut mit persönlichen Dokumenten von | |
| Heinrich Himmler und seiner Familie gefunden; der Film „Der Anständige“ | |
| tritt als Auswertung dieser Materialien, vor allem der Briefe auf, die sich | |
| Himmler und seine Frau Marga, später auch Tochter Püppi und Geliebte Hedwig | |
| schrieben. Die Briefe werden von Schauspielern wie Sophie Rois und Tobias | |
| Moretti gelesen, die Kinder von Morettis Kindern. Dem Gesülze des | |
| Reichsführer SS und seiner Gattin wird ambitioniert ausgesuchtes | |
| Archivmaterial gegenübergestellt. | |
| Das ist eine überbordende Fülle von Dokumentar-, Privat- und | |
| Propaganda-Material von 1900 bis 1945; am Anfang oft noch in | |
| zeitgeschichtlich illustrierender Absicht, später zunehmend kommentierend, | |
| in kontrastierendem, oft eindrucksvoll lakonischem Bezug auf die Texte. | |
| Man sieht wenig bekanntes Material, das zudem in einer Weise geschnitten | |
| wird, die sich von den üblichen sinnstiftenden Erzählungen unterscheidet – | |
| auch wenn der Titel ein bisschen suggeriert, dass hier mal wieder nur die | |
| Banalität eines Bösen ausgemalt werden soll. | |
| Es bleibt zum Glück nicht bei dieser freilich immer auch zutreffenden | |
| Diagnose: das aggressive, selbstgerechte, betuliche, sich stets für | |
| verfolgt haltende deutsche Spießertum, das sich am liebsten in privaten | |
| Burgen und Festungen zurückziehen möchte und drum herum alles ausrotten, | |
| erscheint in einer materialdichten Konsistenz, die seine erschreckend | |
| vielen Verbindungen zu heute noch durch die Gegend laufenden und | |
| Internetkommentare verfassenden Meinungsbesitzern in aller gebotenen | |
| psychologischen Ausführlichkeit präsentieren darf. | |
| Leider macht der Film aber einige schwere und auch völlig unverständliche | |
| Fehler. Zu Beginn liegen unter den zeitgeschichtlichen Bildern meist | |
| zeitgenössische Musikaufnahmen, gelegentlich schon etwas störende | |
| Synchronisationen von marschierendem Fußgetrappel aus heutigen Tonstudios. | |
| Leider wird dieses Prinzip bei den Bildern aus der Nazizeit und schließlich | |
| aus Krieg und Massenmord immer dominanter. | |
| ## Unerträgliche akustische Illustration | |
| Vollends unerträglich und unbegreiflich sind nachsynchronisierte knallig | |
| krispe Schüsse, wenn man auf schlecht erhaltenem Filmmaterial schemenhaft | |
| Erschießungen erkennen kann. Und wenn dann noch wuschiges Gewische | |
| abgespult wird, um den Klang des Gräberaushebens rüberzubringen, zieht es | |
| einem die Schuhe aus. Dagegen ist die Entscheidung, bei sich abzeichnenden | |
| „Untergang“ ernste Moll-Akkorde auf brummelnden Celli zu bringen, fast noch | |
| harmlos zu nennen in ihrer vertrottelten Unbedarftheit. | |
| Auch wenn natürlich unklar bleibt, ob diese Töne für dunkle Flecken auf | |
| Püppis sich langsam verfinsterndem Gemüt stehen sollen oder das, was wir | |
| hier sonst so zu sehen kriegen. Die Kontraste zwischen der betonierten | |
| Blumigkeit im Gehirn des verhetzten Mädchens und der Wirklichkeit des | |
| Jahres 1944 werden so wieder eingedampft – als wäre das von dräuender Musik | |
| repräsentierte Verhängnis eines, das sich wie schlechtes Wetter über Opfer | |
| und Täter legt. | |
| ## Verharmlosung in den Untertiteln | |
| Schließlich: Wahrscheinlich kann man diese Sprache nicht adäquat | |
| übersetzen, aber was diese Untertitel machen, ist brachiale Verharmlosung. | |
| „Völkisch“ wird durchweg mit „national“ übersetzt, ein „Volksschäd… | |
| bloßen „Traitor“, und als Himmler einmal davon träumt, ein KZ zu bauen, in | |
| dem alle Homosexuellen „sofort auf der Flucht erschossen werden“, wird | |
| daraus eines, in dem sie auf Englisch im Falle ihrer Flucht erschossen | |
| werden. | |
| Vielleicht kann man diese Titel noch ändern. Es steht aber zu befürchten, | |
| dass der Schaden, der diesem an sich verdienstvollen Versuch durch seine | |
| Klang- und Tonpolitik widerfahren ist, TV- und Verwertungsgründe hat und | |
| dass gegen deren Populismus kein Kraut gewachsen ist. | |
| 10 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Diedrich Diederichsen | |
| ## TAGS | |
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