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# taz.de -- Interview Comiczeichnerin Soufeina Hamed: "Sie fühlen sich nicht u…
> In den Comics von Soufeina Hamed ist das Kopftuch Merkmal für
> Gruppenzugehörigkeit. Die 24-jährige Psychologiestudentin aus Osnabrück
> trägt selbst eins.
Bild: Muss bei Glatzenträgern schlucken: Soufeina Hamed.
taz: Frau Hamed. Sie tragen ein Kopftuch und zeichnen Comics. Es gibt
Menschen, für die ist das ein Widerspruch.
Soufeina Hamed: Für mich nicht. Ich bin ein Mensch, der sich kreativ
ausleben will. Und ich bin keine Ausnahme. Ich habe ganz viele muslimische
Freunde, die künstlerisch tätig sind, zum Beispiel ganz viele
Blogger-Freunde, die die gleichen Gedanken teilen wie ich. Ich kenne auch
ganz viele Muslime, die Poetry Slam machen, singen oder rappen. Es gibt
alles Mögliche.
Wie sind Sie dazu gekommen, Muslime in Deutschland in Comics zum Thema zu
machen?
Ich habe vor vier oder fünf Jahren angefangen, meine Comics auf der
Online-Plattform [1][www.deviantart.com] hochzuladen. Die ersten Bilder
hatten keine Aussage. Aber dann habe ich eine Situation festgehalten, wie
ich in der U-Bahn stehe und von einer älteren Dame angestarrt werde. Aus
ihrer Perspektive bin ich in dem Comic ein Alien. Darauf gab es sehr viele
Reaktionen, sowohl von Muslimen als auch von Nicht-Muslimen. Mir ist so
klar geworden, dass das Thema eine Tür ist, um Menschen zu erreichen.
Auf ihren Bildern ist häufiger eine junge Frau mit Kopftuch zu sehen …
Ich habe nicht immer beabsichtigt, mich selber zu zeichnen. Aber das sind
Erfahrungen, die ich, meine Freunde oder meine Familie gemacht haben.
Sie haben sich selbst entschieden ein Kopftuch zu tragen. Warum?
Das ist Teil meiner Religion. Ich trage es, seit ich zwölf Jahre alt bin.
Das war für mich ein ganz normaler Schritt. Ich habe das für mich selbst
gemacht. Für meinen Glauben. Für meine Beziehung zu Gott. Ich will mich
dadurch nicht ausgrenzen und auch nicht ausgegrenzt werden. Für mich ist
das auch kein politisches Zeichen, sondern etwas ganz Persönliches.
Wenn es nach einem ihrer Comics geht, trägt Ihre Mutter aber kein Kopftuch.
Doch, sie trägt eins. Das hat mich sicherlich beeinflusst. Auf dem Bild
habe ich sie aber zu Hause gezeichnet, wo sie keins trägt. Ich zeichne auch
meine muslimischen Protagonisten ohne Kopftuch, wenn ich sie zu Hause
darstelle.
Was bedeutet Ihnen das Kopftuch?
Mein Kopftuch ist selten ein theologisches Kopftuch. Auf den Bildern ist es
eher ein Merkmal einer Gruppenzugehörigkeit. An einem Kopftuch erkennt man
sofort, dass es um eine Muslima geht. Deshalb ist es für ein visuelles
Medium sinnvoll, es zu nutzen. Für mich persönlich ist das Kopftuch etwas
total privates, ein religiöses Symbol. Andererseits weiß ich natürlich,
dass ihm von der Gesellschaft noch sehr viel mehr Bedeutung zugeschrieben
wird. Deshalb will ich es von der ganzen Bürde entlasten, die es mit sich
trägt.
Was sagen Sie Leuten, die es für ein Zeichen der Unterdrückung halten?
Natürlich gibt es unterdrückte Frauen – sowohl mit als auch ohne Kopftuch.
Das gehört für mich nicht zusammen. Alle meine Freundinnen, die Kopftuch
tragen, fühlen sich eindeutig nicht unterdrückt. Das sind sehr engagierte,
sehr selbstbewusste Frauen. Vielleicht gerade wegen des Kopftuchs. Sie
haben in vielem Anfeindungen erlebt und mussten sich wehren. Ich glaube
aber, dass wir ganz andere Probleme als das Kopftuch haben.
Nämlich?
Wenn man Unterdrückung bekämpfen will, muss man in ganz andere Strukturen
reinschauen, etwa in Familienstrukturen.
Auf einem Ihrer Bilder schauen eine Frau mit und eine ohne Kopftuch
einander an und glauben, dass die jeweils andere sie ablehnt. Haben Sie
selbst Vorurteile gegen Nicht-Muslime?
Garantiert. Vorurteile sind etwas Menschliches. Ich habe Psychologie
studiert. Deshalb ist es für mich natürlich, dass Menschen Stereotype
haben. Wir kategorisieren sehr gern und ordnen andere ein, um auf sie
reagieren zu können. Zu einer Gefahr wird das, wenn man wertet und glaubt,
von dem anderen gehe etwas Negatives aus. Wichtig ist dann, das zu
hinterfragen: Warum habe ich jetzt bei dem da ein schlechtes Gefühl? Oder
warum glaube ich, dass die Frau mit Kopftuch unterdrückt wird?
Gibt es typische Vorurteile von Muslimen gegenüber Nicht-Muslimen? Wie ist
das bei Ihnen?
Ich muss bei deutschen Männern immer erst mal schlucken, wenn sie eine
Glatze haben. Das ist natürlich nicht immer berechtigt. Schließlich haben
die wenigsten Männer mit Glatze eine rechtsradikale Einstellung. Aber das
passiert ganz automatisch. Ich muss dann aber gleichzeitig auch über mich
lächeln.
Sie studieren Interkulturelle Psychologie in Osnabrück. Welches ist Ihr
Schwerpunkt?
Mein Lieblingsbereich ist die interkulturelle Sozialpsychologie. Die
befasst sich mit allem, was Gruppenkonflikte und soziale Identität angeht,
etwa dass wir Menschen gern kategorisieren. In meiner Master-Arbeit wird es
wahrscheinlich darum gehen, wie wir durch Kontakt Angst vor einer
Fremdgruppe mindern.
Haben Sie Kontakt zu anderen Comiczeichnern?
Dadurch, dass ich eher spät Comics gelesen und spät angefangen habe, sie
professionell zu zeichnen, habe ich wenig Kontakt zu deutschen
Comiczeichnern. Außer einmal auf der Leipziger Buchmesse bin ich auch nie
auf Messen dabei. Aber ich kenne international ein paar andere Künstler. In
Malaysia und Indonesien sind viele muslimische Comiczeichner. Ich habe auch
mit zwei Brüdern in Indien Kontakt, die Muslime sind und sich damit in
ihren Comics befassen. Aber die haben eine ganze andere Richtung. Sie
thematisieren eher das Spirituelle im Islam.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen?
Vom Inhalt weniger. Auch weil sie ganz anders arbeiten und ihre Comics
anders aufbauen. Aber ich glaube, unser Ziel ist sehr ähnlich: Wir wollen
alle das Image des Islams ein bisschen gerade rücken, weil wir wissen, dass
es verzerrt ist.
Welche Erlebnisse geben Sie in Ihren Zeichnungen wieder?
Ein Comic handelt von meiner Schwester, die Apothekerin ist und auch ein
Kopftuch trägt. Ihr passiert es öfter, dass sie beleidigt wird oder dass
Kunden sich nicht von ihr bedienen lassen wollen. Obwohl sie ganz
freundlich auf sie zugeht. Ansonsten habe ich viel über die Schule
mitbekommen. Ich war an einer Schule mit einem sehr hohen Anteil an
Muslimen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass einige Lehrer dachten, sie
müssten uns aufklären oder von unserem Kopftuch befreien. Ich hatte oft das
Gefühl, dass ich mich für das verteidigen muss, für das, was ich tue oder
was ich bin, was ich glaube.
Die Lehrer wollten, dass Sie sich vom Kopftuch befreien?
Direkt sagt das einem keiner. Aber man merkt das an Diskussionen oder
bestimmten Erlebnissen. Als eine Freundin von mir angefangen hat, ein
Kopftuch zu tragen, hat ihre Lehrerin eine Woche später bei ihr zu Hause
angerufen und gefragt, ob alles in Ordnung ist. Mir ist schon klar, dass
sie besorgt war und eine gute Absicht hatte. Aber trotzdem hat es einen
komischen Beigeschmack, gerade wenn man sich freiwillig für das Kopftuch
entschieden hat.
Sind Ihre Comics politisch?
In dem Sinne, dass ich eine verbreitete Meinung ändern und mit beeinflussen
will: Ja.
Engagieren Sie sich selbst?
Ich bin in mehreren Projekten aktiv, zum Beispiel beim Juma-Projekt in
Berlin. Juma steht für jung, muslimisch, aktiv und ist ein interkulturelles
Dialogprojekt, in dem auch schon Muslime, Christen und Juden
zusammengearbeitet haben. Ich glaube, es ist wichtig, Zeichen zu setzen,
dass man zusammenleben kann, auch wenn man nicht genau gleich ist. Und dann
bin ich noch im Zahnräder-Netzwerk aktiv: Wir veranstalten Konferenzen, auf
denen Muslime ihre Projekte vorstellen können. Die besten werden für ein
Jahr unterstützt. Wir Muslime sind oft sehr engagiert. Die meisten
Engagierten verstehen das als Teil der Religion.
Was sind Ihre eigenen Pläne?
Nach dem Master will ich in einer Unternehmensberatung oder in einem
anderen Unternehmen im Bereich Personalentwicklung arbeiten. Und nebenbei
werde ich auf alle Fälle weiterzeichnen und hoffentlich irgendwann – auch
wenn es lange dauern wird – eine Graphic Novel veröffentlichen. Das ist
mein großer Traum.
15 Feb 2014
## LINKS
[1] http://www.deviantart.com
## AUTOREN
Anne Reinert
## TAGS
Kopftuch
Muslima
Indonesien
Amsterdam
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