# taz.de -- Mahmood Falaki über das Leben zwischen den Kulturen: „Ich passte… | |
> Der Schriftsteller hat das Buch „Ich bin Ausländer und das ist auch gut | |
> so“ geschrieben. Nach 30 Jahren in Deutschland ist ihm aber auch seine | |
> alte Heimat Iran fremd geworden. | |
Bild: Muss mitunter starkes Gestikulieren über sich ergehen lassen: der Hambur… | |
taz: Herr Falaki, Ihr neuestes Buch heißt: „Ich bin Ausländer und das ist | |
auch gut so“. Wie meinen Sie das? | |
Mahmood Falaki: Einerseits meine ich damit gegenseitige Befruchtung. | |
Ausländer und Deutsche können voneinander lernen. Andererseits bin ich ein | |
Literat im Exil. Aber auch aus einer schwierigen Situation kann man seinen | |
Vorteil ziehen, wie ich aus meinem Exil. | |
Fühlen Sie sich nach 30 Jahren noch fremd in Deutschland? | |
Ich bin nicht gedanklich fremd. Ich denke wie viele Europäer und habe | |
Gleichgesinnte hier. Ich fühle mich mehr als ein Europäer. Aber ich sehe | |
anders aus und das merke ich manchmal daran, wie mich Menschen ansehen oder | |
sich verhalten. Das hat mich früher sehr gestört, weil ich empfindlicher | |
war. Als ich noch nicht gut Deutsch sprach und Menschen irgendwo lachten, | |
dann fühlte ich mich oft ausgelacht. Obwohl ich nicht gemeint war. Ganz | |
selten kommt die Empfindsamkeit noch zurück. | |
Wie fühlen Sie sich wahrgenommen in Deutschland? | |
Ab und zu merke ich, dass man nicht richtig von den Deutschen angenommen | |
wird oder sie unterschätzen einen. Ich gehe seit 17 Jahren zu dem gleichen | |
Arzt. Die Sprechstundenhilfe kennt mich seitdem. Aber immer, wenn sie mit | |
mir spricht, gestikuliert sie ganz automatisch. Wenn ich anrufen soll, dann | |
zeigt sie auf das Telefon. Sie will mich nicht beleidigen, aber die Gesten | |
sind übertrieben. Sie denkt sich wohl, der Mann ist Ausländer und versteht | |
mich nicht. Vielleicht hat sie ja Erfahrungen gemacht mit Menschen, die sie | |
nicht verstanden haben und deswegen gestikuliert sie. | |
Machen Sie solche Erfahrungen öfter? | |
Auch andere Menschen reden manchmal wie mit einem Kind mit mir. Es ist so | |
ein klischeehafter Gedanke zu denken, jeder Ausländer versteht kein | |
Deutsch. So was bleibt zurück. In letzter Zeit erlebe ich viel Positives. | |
Meine Tochter ist hier aufgewachsen und hat fast nur deutsche Freunde. Die | |
junge Generation hat keine Probleme miteinander, weil sie miteinander | |
aufgewachsen sind. Jetzt ist es ein bisschen multikultureller und bunter | |
geworden. Die jungen Leute reden ganz normal mit mir. | |
Sie schreiben mal auf Deutsch, mal auf Persisch. Wie entscheiden Sie, in | |
welcher Sprache Sie schreiben? | |
Ich habe schon lange nicht mehr auf Persisch geschrieben, aber vor zwei | |
Wochen hatte ich auf einmal ein persisches Gedicht geschrieben. Da denke | |
ich nicht drüber nach, warum ich in welcher Sprache schreibe. Die Themen, | |
mit denen ich mich in letzter Zeit beschäftige, passieren in Hamburg und | |
dann schreibe ich automatisch auf Deutsch. Auf Deutsch schreibe ich | |
offener, direkter und realistischer. Manche deutschen Wörter wie zum | |
Beispiel Wahrnehmung kann man nicht auf Persisch übersetzen. | |
Warum sind einige Ihrer Werke im Iran verboten? | |
Zum einen aus politischen Gründen, aber manche Werke sind zu erotisch. | |
Meine Literaturkritiken sind erlaubt. Die werden sogar an der Uni benutzt. | |
Mein Verleger hat mir gesagt, es ist unmöglich, mein Buch „Carolas Tod“ im | |
Iran zu veröffentlichen, solange die Mullahs an der Macht sind. Sie haben | |
was gegen erotische Literatur. Unter dem Schah gab es auch Zensur, aber es | |
gibt einen Unterschied. Damals durften erotische Szenen bleiben, aber keine | |
politischen oder ideologischen. Heute ist es ideologischer, das ist noch | |
schwieriger. Körperteile darf man nicht beschreiben, Religion auch nicht. | |
Macht es Sie traurig, dass diese Werke verboten sind? | |
Es hat immer einen Vorteil, wenn ein Buch verboten ist. Das interessiert | |
dann plötzlich viele Leute. Manche schmuggeln meine Bücher in den Iran. Als | |
in einer Zeitung mein Buch als verboten auftauchte, war es schlagartig | |
bekannt. Daraufhin wurde ich sofort interviewt. | |
Warum mussten Sie in der Schah-Zeit ins Gefängnis? | |
Ich war aktiv an studentischen Bewegungen beteiligt. Ich habe Flugblätter | |
und politische Gedichte geschrieben und war im Untergrund aktiv. Wir haben | |
versucht, die Bevölkerung wachzurütteln. Deswegen wurde ich mit 23 Jahren | |
verhaftet und musste drei Jahre ins Gefängnis. Ich wurde einige Monate vor | |
der Revolution entlassen. Die Situation war anders, locker. Das Regime hat | |
zu der Zeit viele Gefangene entlassen, um in der Bevölkerung Sympathien zu | |
gewinnen. | |
Wie haben Sie die Revolution erlebt? | |
Ich hatte große Hoffnung auf die Revolution und habe begeistert | |
teilgenommen. Wir dachten, egal wer kommt, er wird besser sein als der | |
Schah. Das war ein großer Fehler. Unter dem Schah gab es keine politische | |
Freiheit, aber man hatte seine persönliche Freiheit. Nach der Revolution | |
haben wir in den ersten Jahren Freiheit und Demokratie erlebt. Aber die | |
Mullahs haben langsam die oppositionellen Kräfte verhaftet und | |
hingerichtet. Die Parteien verboten. Und um mich herum wurden meine | |
Genossen auch verhaftet. Ich wusste, ich bin auch bald dran. | |
Was haben Sie dann gemacht? | |
Wegen meiner politisch-literarischen Aktivitäten musste ich in den | |
Untergrund abtauchen. Später bin ich dann mit meiner Frau geflohen, mit | |
Schmugglern über die Türkei, zu Fuß und zu Pferd. Das war gefährlich. Man | |
war nie sicher. Deswegen haben wir unsere kleine Tochter im Iran | |
zurückgelassen. Meine Tochter blieb für zwei Jahre bei ihrer Großmutter und | |
wurde uns dann nach Deutschland gebracht. | |
Warum sind Sie nach Deutschland geflohen? | |
Ich wollte eigentlich nach Frankreich. Ich habe die französische Literatur | |
geliebt, kannte die Schriftsteller und die Kultur. Das war mein | |
Lieblingsland. Als wir in der Türkei waren, haben die Schlepper uns gesagt, | |
dass die einzige Möglichkeit, nach Europa zu gehen, durch die DDR sei. Wir | |
wollten dann eigentlich weiter nach Frankreich, sind dann aber in | |
Deutschland geblieben. Zum Glück! Ich war einige Male in Frankreich und bin | |
froh, dass wir hier geblieben sind. | |
Wie war der Anfang in Deutschland? | |
Ich musste erst mal vieles verdauen. Das war aber kein Kulturschock. Wir | |
haben im Iran Jahrhunderte lang für Demokratie und Freiheit gekämpft. Und | |
plötzlich von heute auf morgen hatte ich alles. Theoretisch wusste ich, wie | |
das funktioniert. Aber wenn man das erlebt, brauchte ich ein wenig, um | |
moderne Demokratie besser zu verstehen. Im Iran war noch keine Demokratie | |
möglich, die Menschen waren noch nicht soweit. Mann kann nicht auf | |
Knopfdruck Demokratie schaffen. | |
Wann waren Sie zuletzt im Iran? | |
Als Khatami an der Macht war. Er versuchte, die Gesellschaft zu reformieren | |
und wollte Iraner im Exil zurückgewinnen. Nur Mörder durften nicht | |
zurückkommen. Sie haben mir persönlich garantiert, dass ich zurückkommen | |
kann ohne Strafe. Da war ich nach 20 Jahren einmal im Iran. Seit | |
Ahmadinedschad war ich nicht mehr da. | |
Wie war es, zurück zu sein? | |
Ich fühlte mich fremd, nicht nur, weil ich so lange nicht da gewesen war. | |
Sondern auch, weil die Menschen mir so fremd waren. Ich passte nicht mehr | |
in die Welt rein, weil sie und ich uns geändert hatten. Ich war enttäuscht, | |
vielleicht weil das Bild, das ich von der Gesellschaft hatte, anders war. | |
Im Laufe der Zeit malt man sich vieles aus. Die Menschen waren anders. | |
Viele waren religiöser als vorher, aber nicht die Jugendlichen. Sie | |
versuchten modern zu sein. Mich hat enttäuscht, wie meine Kollegen, die | |
Schriftsteller, sich entwickelt haben. Wir sprechen zwar alle persisch, | |
aber verstehen uns nicht. Nicht im kulturellen Bereich, sondern von den | |
Gedanken her. | |
Ist Ihre Familie noch im Iran? | |
Meine Geschwister sind alle im Iran. Ich bin der Einzige, der hier ist. Es | |
war schwieriger als ich jünger war, getrennt von meiner Familie zu sein. | |
Aber in den letzten Jahren war es nicht mehr so wichtig. Wir telefonieren. | |
Sie kamen mich hier besuchen. | |
Verfolgen Sie, was im Iran passiert? | |
Ja. Ich verfolge, was meine Kollegen machen, aber nicht so intensiv wie | |
früher. Ich beschäftige mich mehr mit deutscher Literatur. Ich lese fast | |
nur auf Deutsch. Mir ist wichtiger, was in Deutschland und Europa passiert. | |
## ■ „Ich bin Ausländer und das ist auch gut so“, Sujet Verlag Bremen, 1… | |
S., 11,80 Euro | |
## ■ Lesung mit Mahmood Falaki: Fr, 28. 2., 19.30 Uhr, Kulturzentrum | |
Lagerhaus, Bremen | |
21 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Mai-Britt Wulf | |
## TAGS | |
Iran | |
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