# taz.de -- Gebäcktesterin Anne Seubert: „Alles kann ein Keks sein“ | |
> Kekse sind sympathisch, findet Bloggerin Anne Seubert – auch die mit Senf | |
> gefüllten. Über Enttäuschungsmomente und den Vorteil gegenüber Kuchen. | |
Bild: Waff? | |
taz: Frau Seubert, haben Sie schon mal selbst Senf in Pfannkuchen gefüllt? | |
Anne Seubert: Nein, leider noch nicht. Aber ich würde gerne Senfkekse | |
backen. | |
Das klingt nicht viel appetitlicher. Gibt es so was? | |
Nein. Deswegen ja. Und wussten Sie, dass Berliner nicht nur mit Senf | |
gefüllt werden, sondern auch mit Sägespänen? | |
Nein. Aber normalerweise ist Faschingsgebäck eher saftig, oder? Es fällt | |
auf, dass vieles in heißes Fett getaucht wird, wenn es auf Aschermittwoch | |
zugeht. | |
Das liegt traditionell an den harten Zeiten, die bevorstehen, wenn die | |
Fastenzeit auf einen lauert. Man will sich noch einmal stärken. | |
Faschingsgebäck ist meistens sehr gehaltvoll, die Teige enthalten Fett, | |
Zucker und Ei. Aber es ist nicht nur der Aschermittwoch, sondern auch der | |
schmutzige Donnerstag, an den man bei diesem Thema denken muss. | |
Der Tag, an dem Weiberfasching gefeiert wird. | |
Interessant ist, dass dieser Ausdruck sich gar nicht in Zusammenhang mit | |
Schmutz entwickelt hat, sondern mit Schmalz. | |
Es müsste also schmalziger Donnerstag heißen. | |
Vor der Fastenzeit wurde meist noch einmal geschlachtet. Dann begann das | |
Großreinemachen. Und gleichzeitig stand man vor dem Problem, dass es nun | |
viel Fett gab, das schnell wegmusste. Also benutzte man es auch zum Backen. | |
Ein anderer Grund ist sicher, dass man Fettgebäck auch machen kann, wenn | |
man keine Backröhre hat. Es ist nicht viel vonnöten, jeder kann das. Auch | |
die Geschichte des Berliner Pfannkuchens rührt der Legende nach daher. | |
Die müssen Sie erzählen. | |
Die Pfannkuchen sollen 1756 von einem Zuckerbäcker erfunden worden sein, | |
der unter Friedrich dem Großen bei den Kanonieren dienen sollte, es aber | |
nur zum Feldbäcker brachte. Weil es auf dem Feld keinen Ofen gab, buk er | |
Hefeteigballen in Pfannen, die mit heißem Fett gefüllt waren. Und wegen | |
seiner Faszination für die Artillerie gab er seinem Gebäck die Form von | |
Kanonenkugeln. | |
Ist der Berliner Pfannkuchen identisch mit dem, was man in Süddeutschland | |
Krapfen nennt? Und auch Vorbild? Oder gibt es auch noch andere | |
Geburtsstätten? | |
Es gibt keinen Urpfannkuchen, sondern unendlich viele Varianten. Denken Sie | |
an hessische Kreppel, rheinische Hefeballen, Mutzen, Quarkbällchen oder | |
Nonnenfürzchen, die sind etwas kleiner. Und dann gibt es auch noch die | |
flacheren Sorten, Auszogene in Bayern oder Schenkeli in der Schweiz. Ich | |
liebe besonders die Merveilles. Die sind hauchdünn, haben ein Orangenaroma. | |
Und kommen aus dem Elsass, ich kenne sie aber auch aus der Schweiz. Basler | |
sagen dazu Fastnachtschüechli. | |
Was macht einen guten Pfannkuchen aus? | |
Wichtig ist der weiße Rand. Der zeigt, dass der Hefeteig aufgegangen ist. | |
Ich will so hineinbeißen können, dass die Hände und das halbe Gesicht mit | |
Puderzucker überstäubt sind. | |
Und mit dem ersten Biss muss man schon die Füllung erreichen. Sonst hat man | |
einen Enttäuschungsmoment: Man weiß nicht, welchen Geschmack man erwischt | |
hat. Und ob es doch der Pfannkuchen mit Senf ist. | |
Je kleiner, umso feiner. | |
Unbedingt! Je kleiner die Teilchen sind, umso gehaltvoller. Bei den | |
größeren Varianten ist die Gefahr groß, dass nur Luft drin ist oder das | |
Verhältnis von Fülle und Teig nicht stimmt. Und: Je unregelmäßiger die | |
Teilchen geformt sind, umso mehr kann man davon ausgehen, dass sie | |
handgemacht sind. | |
Hat der Krapfen für Sie einen ernsthaften Konkurrenten? Die Merveille | |
wahrscheinlich? | |
Auf jeden Fall. Aber ich finde schon, der Berliner hat was. Er ist übrigens | |
auch ein Exportartikel der Hauptstadt. In Portugal etwa heißt er Bolo de | |
Berlin, es gibt ihn das ganze Jahr und die Portugiesen lieben ihn. Entweder | |
ungefüllt oder mit Vanille. Die Begegnung dort hat meine Wertschätzung für | |
den Berliner Pfannkuchen erst geweckt. | |
Er ist also auch ein Keks, der die Welt verändert. | |
Und zwar zum Positiven: Er ist einer, der sie etwas besser macht. | |
Das ist das Motto Ihres Blogs. Gibt es Kekse, die tatsächlich die Welt | |
verändert haben? | |
So wie der deutsche Butterkeks? Im Ernst: Es gibt durchaus Kekse wie den | |
sogenannten Anzac-Cookie, der Teil der Truppennahrung der australischen | |
Armee im Ersten Weltkrieg war. Solche Kekse, die enorm nahrhaft und ähnlich | |
wie Zwieback extrem lang haltbar sind, haben sicher vielen Menschen über | |
harte Zeiten geholfen. Und ich will nicht wissen, wie viele Kekse heute | |
einsame Menschen an Weihnachten retten. Der Keks ist keine Erfindung einer | |
einzelnen Nation oder eines krümelbegeisterten Menschen. Man kann nicht mal | |
sagen, der Keks wäre zu einem bestimmten Zeitpunkt in unser Leben getreten | |
und hätte es verändert. Er war eigentlich schon immer da. Ein | |
kulturübergreifendes Nahrungsstückchen. Ob das jetzt eine Pariser Macaron | |
oder der amerikanische Chocolate Chip Cookie ist, der zusammen mit einem | |
Glas Milch für Mutterliebe steht. Oder der mit Senf gefüllte Pfannkuchen, | |
der für uns fest zu Fasching gehört. | |
Ist das nicht eine sehr weite Auslegung des Begriffs „Keks“? | |
Ach, ich bin da nicht dogmatisch. Meine Definition ist sehr umarmend: Ich | |
nehme alles, was klein und krümelig daherkommt. Es muss nicht mal zwingend | |
süß sein. Alles kann ein Keks sein, solange es keine Buttercremetorte ist. | |
Was ist der Unterschied? | |
Kekse haben einige Vorteile: Sie sind von Grund auf sympathisch, weil sie | |
klein und handlich sind. Man muss sich nicht für einen entscheiden, kann | |
verschiedene probieren, auch schon vor dem Verschenken. Bei Kuchen ist das | |
schwieriger. Kuchen muss man anschneiden, um festzustellen, ob sie gut | |
geworden sind. | |
4 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Jörn Kabisch | |
## TAGS | |
Kekse | |
Fasching | |
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