# taz.de -- Dokumentation: Die kurdischen Kämpferinnen | |
> Der Hamburger Kurde Yüksel Yavuz hat mit "Hêvî - Hoffnung" eine | |
> Dokumentation über starke Frauen im kurdischen Widerstand gedreht. | |
Bild: Auch auf Demos dabei: Die Rechtsanwältin Eren Keskin (Mitte) in der Doku… | |
Hoffnung geben dem Filmemacher Yüksel Yavuz im Befreiungskampf der Kurden | |
die Frauen. In einem Film, der in der Türkei von Erdogans schleichender | |
Islamisierung gedreht wurde, erwartet man nicht solche starke Frauen wie | |
seine vier Protagonistinnen. Yavuz will offensichtlich ein Gegenbild zu den | |
dort herrschenden Verhältnissen zeigen. | |
So lässt er im ersten Drittel seiner Dokumentation namens „Hêvî – Hoffnu… | |
die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin einfach nur reden. In | |
ihrer Wohnung berichtet sie mit dem Charme einer geborenen Erzählerin von | |
ihrer Zeit als Anwältin, als sie sich in den 90er-Jahren für kurdische | |
Frauen einsetzte und dabei selber regelmäßig inhaftiert wurde. Ohne jemals | |
bitter oder resigniert zu klingen erzählt sie davon, wie Verhaftete | |
verschwanden und oft erst viel später in Massengräbern entdeckt wurden, wie | |
Dörfer niedergebrannt und Frauen systematisch vergewaltigt wurden. | |
Regisseur Yavuz hat Eren Keskin bei diesen manchmal nur schwer erträglichen | |
Schilderungen von Ungeheuerlichem in langen Einstellungen gefilmt, eine | |
davon ist viereinhalb Minuten lang. Er vertraut auf die Ausstrahlung von | |
Keskin und tatsächlich ist sie in ihrer souveränen Gelassenheit sehr | |
überzeugend. Doch zugleich irritiert dieser minimalistische Beginn des | |
Films: Er ist betont kunstlos und Zuschauer, die der türkischen Sprache | |
nicht mächtig sind, müssen zügig die vielen und langen Untertitel lesen. | |
So ist es auch eine Erleichterung, wenn sich der Film im zweiten Teil | |
öffnet. Der Film geht „von einer Wohnung in die Stadt“, sagt Yavuz selber | |
im Gespräch über diesen Wechsel. Mit seiner Kamera begleitete er die | |
Politikerinnen Gültan Kişanak und Aysel Tuğluk bei einer Kampagne zur | |
Unterstützung eines Hungerstreiks von politischen Gefangenen. Man sieht sie | |
beim Wahlkampf mit einem Bus von Dorf zu Dorf fahren und bekommt einen | |
Eindruck davon, wie sie im Widerstandskampf die Mühen der Ebene bewältigen | |
müssen. | |
Im letzten Drittel wird der Film dann zu einer Märtyrergeschichte, die | |
Yavuz so gar nicht beabsichtigt hatte. Geplant hatte er Dreharbeiten mit | |
der politischen Aktivistin Sakine Cansiz, die eine Gründerin der PKK war | |
und lange in den Bergen als Guerilla gekämpft hatte. Doch kurz vor den | |
ersten Aufnahmen wurde sie am 9. Januar 2013 zusammen mit zwei Freundinnen | |
in Paris ermordet. So erinnern sich nun Kampfgefährtinnen, Freunde und | |
Verwandte vor der Kamera an Cansiz. | |
Außerdem folgte Yavuz mit seiner Kamera ihrem Sarg bei der Rückführung in | |
die Heimat und der Beerdigung. Dabei wird deutlich, wie intensiv sie von | |
vielen Kurden als Ikone des Widerstands verehrt wurde und wie zentral ihre | |
Rolle im politischen Kampf bis zuletzt war. Cansiz hat lange als politisch | |
Verfolgte in Europa gelebt und so erzählt Yavuz hier auch von den Kurden in | |
der Diaspora. | |
Als solchen versteht er auch sich selber, obwohl er als 16-Jähriger nach | |
Deutschland kam und seit 30 Jahren deutscher Staatsbürger ist. In der | |
Türkei war er zehn Jahre lang auf einer Internatsschule gewesen, in der er | |
nur Türkisch sprechen durfte und die er heute „Assimilationsfabrik“ nennt. | |
So ist ihm seine kurdische Muttersprache fremd geworden, und auch in der | |
deutschen Sprache fühlt er sich nicht so heimisch wie ein hier Geborener, | |
obwohl er sie perfekt spricht. Darum wurde er nach anderthalb Jahren Arbeit | |
in einer Wurstfabrik, dem zweiten Bildungsweg und einem Studium der | |
Soziologie und Volkswirtschaft zum Filmemacher, denn mit Bildern kann er | |
sich besser ausdrücken als mit Worten. | |
In seinen ersten Filmen verarbeitete er dann auch mehr oder weniger | |
autobiografisch seine Situation als Kurde in Deutschland. Sein Debüt war | |
1994 eine Dokumentation mit dem programmatischen Titel „Mein Vater, der | |
Gastarbeiter“, danach drehte er den Spielfilm „Aprilkinder“, in dem er von | |
drei Geschwistern einer kurdischen Einwandererfamilie erzählte. | |
Der Held in „Kleine Freiheiten“ von 2003 ist ein 16-jähriger Kurde, der in | |
Hamburg untertaucht, weil ihm die Abschiebung droht. Dieser Film wurde | |
damals von den Auswahlgremien der Berlinale abgelehnt, stattdessen jedoch | |
zur „Quinzaine des Realisateurs“ der Filmfestspiele von Cannes eingeladen, | |
weil dort „sein ganz anderer Blick auf Deutschland“ erkannt wurde. Ein Jahr | |
später gewann Fatih Akins „Gegen die Wand“ den Goldenen Bären der | |
Berlinale. | |
Seitdem ist Yavuz zumindest in seinen Filmen aus der Diaspora in sein | |
Geburtsland zurückgekehrt. In „Close up Kurdistan“ macht er als Protagonist | |
tatsächlich eine Reise von Hamburg in die Türkei, die schließlich in einem | |
Flüchtlingslager im irakischen Kurdistan endet. Seine Fernsehproduktion | |
„Sehnsucht nach Istanbul“ zeigt, dass neben vielen Kurden auch andere | |
Minderheiten sich in der Metropole angesiedelt haben und dort ihre eigenen | |
Musikstile pflegen. | |
Yavuz hat in den zehn Jahren seit „Kleine Freiheiten“ nur noch | |
Dokumentationen gedreht, weil diese schlicht billiger zu produzieren sind. | |
Zwei Drehbücher sind bislang in der Schublade gelandet, weil sich keine | |
Fernsehsender für die Finanzierung gefunden haben. Eines davon handelt von | |
einem jungen Kurden, der in Deutschland aufwächst und dann zur PKK in die | |
türkischen Berge geht. | |
## „Hêvî – Hoffnung“: 6.–12. 3., Metropolis und 3001 Kino, Hamburg; 2… | |
29. 4., Kommunales Kino, Kiel | |
6 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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