# taz.de -- Umweltfreundliche Programmierung: Strom sparen beim Rechnen | |
> Nach der Hardware schraubt die Szene jetzt an der Software. Grüne | |
> Programmcodes sollen Strom und damit viel Geld sparen. | |
Bild: Der SuperMuc generiert eine millionenschwere Stromrechnung. | |
MÜNCHEN taz | Gut 150 Schränke, 150 Kilo schwer, darin an die 150.000 | |
Prozessorkerne – das ist super, und weil diese Anlage in München steht, ist | |
es der „SuperMUC“: eine Hochleistungsmaschine, eine der schnellsten und | |
größten ihrer Art auf der Welt. Hier draußen in Garching vor München | |
entstehen Simulationen für die Wissenschaft: Die Maschine tastet zum | |
Beispiel den menschlichen Körper ab und berechnet die Strömungsverhältnisse | |
in Lungen und Adern in all ihren Verästelungen. Geologen sagen mithilfe des | |
Computers Klimakatastrophen voraus, und auch die Zukunft des Automobils | |
wird hier entworfen. | |
Der „SuperMUC“ ist das Herzstück des Leibniz-Rechenzentrums, des | |
IT-Dienstleisters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Auf fünf | |
Stockwerken surren viele weitere Geräte, die nicht zuletzt auch ganz banal | |
die Internetseiten der Universitäten betreiben, elektronische Post | |
transportieren und den Bücherbestand verwalten. Das alles verschlingt viel | |
Geld – in der Anschaffung, aber nicht zuletzt auch im Betrieb. | |
„Abhängig von der Last, die wir haben, benötigen wir drei bis sechs | |
Megawatt. Das entspricht dem Stromverbrauch einer mittleren Kleinstadt“, | |
sagt Arnd Bode. Der Informatiker leitet das Rechenzentrum. Flattert die | |
jährliche Stromrechnung auf seinen Schreibtisch, dann steht da eine Summe | |
zwischen fünf und zehn Millionen Euro. Bode spart deshalb, wo es geht – und | |
setzt dafür auch auf grünen Programmcode. | |
Technik hat sich längst in alle Bereiche des Lebens hineingeschlichen. | |
Mehrere Studien zeigen, dass der Bereich „Information und Kommunikation“ | |
heute gut zehn Prozent der gesamten Stromerzeugung in Deutschland | |
verschlingt. Nun schrauben freilich Gerätehersteller seit Jahren an ihrer | |
Hardware, damit die Geräte sparsamer werden. Zugleich kommen aber immer | |
neue Geräte auf den Markt: erst Smartphones, dann Tabletcomputer, nun | |
smarte Uhren. Und das Cloud Computing, das Speichern und Verarbeiten der | |
Daten in abgelegenen Rechenzentren, befindet sich erst in seinen Anfängen. | |
## Heizung mit Computerchips | |
Auch das Rechenzentrum im Münchener Norden ist nichts anderes als so eine | |
Datenwolke – die immer weiter wächst. Und auch hier haben sie jahrelang an | |
den greifbaren Komponenten getüftelt. Statt Klimaanlagen, bei denen noch | |
der Großteil der Energie für die Kühlung statt für die eigentliche | |
Rechenleistung draufging, setzt Bode nun auf Wasser. Es läuft direkt über | |
die Chips. Die Hitze, die das Wasser dabei aufnimmt, wärmt letztlich die | |
Heizungsanlagen des Geländes und so im Winter die Büros und Hörsäle. So | |
funktioniert Effizienz. | |
Das alles spart irre viel Energie, allein: Auch dieses Potenzial gilt nun | |
als weitgehend erschöpft. Deshalb knöpfen sich die Tüftler neuerdings die | |
Software vor und verpassen ihr so etwas wie künstliche Intelligenz. | |
Füttern Geologen, Mediziner oder Physiker den Großrechner mit neuen Formeln | |
und Datensätzen, damit der „SuperMUC“ ihre Modelle berechnet, arbeitet das | |
System nicht wie üblich brav den Programmcode ab. Es analysiert ihn vorher | |
und erkennt, wie sehr es sich überhaupt anstrengen muss. | |
Früher sei Energieeffizienz „kein Entwurfskriterium“ gewesen, erzählt Bod… | |
„Man war als Rechnerarchitekt froh, wenn man eine Hardware und eine | |
Software bauen konnte, die die Wünsche des Nutzers zur rechten Zeit | |
befriedigen konnte.“ | |
Heutzutage komme aber eben als zweiter, mindestens ebenso wichtiger Wunsch | |
dazu, dass das alles auch noch so betrieben wird, dass es bezahlbar bleibt. | |
Der Strompreis habe eben den Druck erhöht. | |
## Eine Kampfansage | |
Die Betreiber von Großrechnern messen sich deshalb nicht mehr nur mit Blick | |
auf die Leistungsfähigkeit ihrer Systeme, sondern auch was Energieeffizienz | |
angeht. Deutlich wird das in Darmstadt. Dort baut das Helmholtz-Zentrum | |
derzeit in einem 30 Meter breiten, 27 Meter tiefen und 25 Meter hohen | |
Würfel eine neue Anlage, die helfen soll, den Aufbau von Materie besser zu | |
verstehen. Der werbeträchtige Name der Anlage, die letztlich mit etwa | |
300.000 Prozessorkernen die Wissenschaft unterstützen soll: „Green Cube“, | |
ein „umweltfreundliches Höchstleistungsrechenzentrum“. Das ist auch eine | |
Kampfansage. | |
Der Trend zum grünen Programmcode erreicht mittlerweile auch den | |
Endverbraucher. Die großen Softwarehäuser trimmen ihre Betriebssysteme für | |
Allerweltscomputer zunehmend auf Energieeffizienz. Microsoft, Google und | |
Apple haben sich bereits in den vergangenen drei Jahren ein Wettrüsten mit | |
ihren Browsern geliefert, auf dem Weg zu sauberem Surfen: Ruft der Nutzer | |
eine Animation auf, dann soll das Programm bei der Aufbereitung nur genau | |
die Leistung anzapfen, die dafür gebraucht wird, und nicht mehr wie in den | |
vielen Jahren zuvor erst mal auf Verdacht den Prozessor hochpeitschen. | |
## Umweltschutz als Nebeneffekt | |
Apple wiederum bewirbt sein jüngstes Betriebssystem mit „bahnbrechender | |
Energieeffizienz“: Zieht der Nutzer seine Musiksammlung oder eine | |
Textverarbeitung über den Browser oder ein Video, dann stoppt das System | |
von sich aus die Animation – zumindest solange sie ohnehin verdeckt ist. | |
Auf der Stromrechnung des Nutzers macht sich das natürlich nicht ernsthaft | |
bemerkbar. Bei Endverbrauchern geht es deshalb auch weniger um Umweltschutz | |
als vor allem um längere Akkulaufzeiten. Apple und Co. bedienen in erster | |
Linie die Bequemlichkeit der Nutzer. Umweltschutz ist für sie ein | |
Nebeneffekt. | |
„Natürlich sind die Geräte heutzutage schon derart optimiert, dass sie über | |
die Jahre nur Strom für vielleicht 50 und 150 Euro benötigen“, sagt Ralph | |
Hintemann, der beim Berliner Borderstep Institut unter anderem für die | |
Bundesregierung in Sachen Green-IT forscht. Energieeffizienz spüre da | |
niemand ernsthaft. „Aber wenn ich mir überlege, wie viele Millionen | |
Computer in den Haushalten stehen – allein in Deutschland etwa 40 Millionen | |
–, dann kommt da in der Summe schon eine riesige Menge zusammen.“ | |
Der Nachhaltigkeitsforscher teilt allerdings auch die Einschätzung des | |
Münchner Informatikers Bode: Energieeffizienz ist für viele Programmierer | |
auch im Jahr 2014 noch ein Stück Neuland. „Man muss letztendlich schon in | |
den Hochschulen anfangen und den Informatikstudenten beibringen, wie man | |
möglichst effizient programmiert“, sagt Hintemann. Und genau das passiert | |
nun allmählich – nicht zuletzt am „SuperMUC“. | |
Korrekturhinweis: In einer ersten Version dieses Artikels war im dritten | |
Absatz von „drei bis sechs Megawatt am Tag“ die Rede. Das war falsch und | |
wir haben den Fehler korrigiert. | |
17 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
## TAGS | |
Energieeffizienz | |
Programmieren | |
Internet | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Berlin-Domain beliebt: Berlin am Ende | |
Ab heute können sich auch Privatleute Internetdomains mit der Endung | |
".berlin" registrieren lassen. Eine Internetadresse erklärt, welche | |
Vorteile das hat | |
Kommentar Energiewende: Wie im Mittelalter | |
Die Politik muss für ein zeitgemäßes und umweltverträgliches Bergrecht | |
sorgen. Und dafür, dass die Energiewende ausschließlich erneuerbar ist. | |
Öko-Suchmaschinen: Grüner als Google | |
Mit ökologisch korrekten Suchmaschinen lässt sich beim Surfen der Regenwald | |
retten. Die Methoden sind unterschiedlich, der Ertrag auch. |