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# taz.de -- Berliner Grünen-Parteitag: Spagat auf freiem Feld
> Auf ihrem Parteitag beschließen die Berliner Grünen, die „Initiative 100%
> Tempelhofer Feld“ zu unterstützen - obwohl sie eigentlich eine Bebauung
> fordern.
Bild: (Fast) alle dafür... Abstimmung auf dem Parteitag der Berliner Grünen a…
Der Buhmann sitzt vorne rechts im Saal. Er würde der Partei in den Rücken
fallen, hört er von der Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann.
Dabei hat Andreas Otto, renommierter Wohnungs- und Mietexperte der
Grünen-Abgeordnetenhausfraktion, seiner Partei bloß klar gemacht, dass sie
nach dem Wochenende mit gewisser Wahrscheinlichkeit wieder mal als
Verhinderungs- und Verbotspartei dastehen könnte. Denn dieser Parteitag mit
seinen rund 150 Delegierten beschließt – mit nur zwei Gegenstimmen und zehn
Enthaltungen – die Quadratur des Kreises: Beim Volksentscheid mit „Ja“ f�…
die Initiative „100% Tempelhofer Feld“ zu stimmen und damit eine
Randbebauung abzulehnen – aber zugleich eine „maßvolle Bebauung“
anzustreben.
Aus Sicht der Grünen blockiert ein erfolgreicher Volksentscheid am 25. Mai
nicht dauerhaft die Entwicklung des Felds. Er ist in ihren Augen die
einzige Möglichkeit, die aktuellen Pläne des rot-schwarzen Senats für eine
Bebauung abzulehnen. Anschließend will die Partei das durchsetzen, was sie
den „Dritten Weg“ zwischen dem Null-Bebauungs-Ansatz der Initiative und den
Plänen des Senat nennt: Weniger kompakt soll die von den Grünen angestrebte
„maßvolle“ Bebauung sein, mit mehr Bürgerbeteiligung soll sie entstehen u…
vorrangig für Menschen mit wenig Geld reserviert sein. Bei einem
erfolgreichen Volksentscheid hätte ein Bebauungsverbot zwar Gesetzeskraft.
Parteichefin Bettina Jarasch aber hatte schon im taz-Interview zum
Wochenende gesagt, dass kein Gesetz für die Ewigkeit gemacht sei.
## Stoppschild für den Senat
„Am 26. Mai werden wir da stehen und die Debatte neu beginnen“, ruft
Jarasch ihren Parteifreunden am Samstag zu. „Realpolitisch“ nennt sie die
grüne Strategie für den Volksentscheid, es sei die „einzige Möglichkeit,
dem Senat ein Stoppschild“ zu zeigen. Baupolitiker Otto hält dieses
Vorgehen nicht für machbar: „Wenn wir ’Ja‘ sagen zur Initiative, können…
nicht am nächsten Tag im Abgeordnetenhaus sagen: So, diesen Gesetzentwurf
ändern wir jetzt wieder.“
Wie viel Zeit bis zu einer Neuplanung und Bebauung unter grüneren
Vorzeichen vergehen könnte, bleibt beim Parteitag offen. Die
Fraktionschefin im Kreuzberger Bezirksparlament, Paula Riester, spricht von
einer Notbremse, „damit wir in 15 oder 20 Jahren die Möglichkeit haben,
etwas zu gestalten“. Die Bundestagsabgeordnete und frühere
Spitzenkandidatin Renate Künast mag sich nicht mal festlegen, dass es
überhaupt zu einem neuen Anlauf kommt und bemüht dazu den Konjunktiv: „Ich
weiß nicht, wann das ist, aber irgendwann könnte der Tag kommen, an dem die
Berlinerinnen und Berliner sagen, jetzt diskutieren wir eine Randbebauung
neu.“
Riesters Kreuzberger Parteifreund Dirk Behrendt versucht sich an einer
vermeintlichen Parallele zum jüngsten Volksentscheid zum Thema Energie.
Auch dort habe man nicht mit allem im Volksbegehren übereingestimmt und es
dennoch unterstützt. Was er nicht sagt: Konflikte gab es dabei über
manches, aber nicht über den Kern, die Stromversorgung in Bürgerhand zu
bringen. Beim Volksentscheid „100% Tempelhofer Feld“ ist der Kern des
Gesetzentwurfs der Initiative: keine Bebauung – und gerade diese Bebauung
haben die Grünen vor allem im Abgeordnetenhaus bisher befürwortet.
Bei Gesprächen am Rand des Parteitags wird schließlich zunehmend deutlich,
dass die Grünen offenbar auf ein Scheitern des Volksentscheids setzen:
Ginge es nach der Partei, soll die Forderung der Initiative zwar mehr
Stimmen bekommen als der von SPD- Und CDU-Fraktion verfasste Gesetzentwurf
des Abgeordnetenhauses, aber nicht das nötige Quorum erreichen. Über
600.000 Ja-Stimmen wären dafür nötig. Die zu holen soll trotz der
parallelen Europawahl unmöglich sein.
## „Wahrheit und Klarheit“
Immer wieder rechnen einem Parteitagsdelegierte vor, dass es bei einer
üblicherweise schwachen Europawahlbeteiligung unwahrscheinlich ist, das
Quorum zu knacken. Zumal die Stimmungslage nicht so klar sei wie bei den
jüngsten Volksentscheiden zu Energie und Wasser. Dann hätte man beides,
eine Schlappe für den Senat – und kein Verbot für die eigentlich gewollte
Bebauung.
Man bekommt viele Konjunktive zu hören, wie sie schon Künast benutzte,
„könnte“, „wäre“ und „hätte“. Dem früheren Kreuzberger Stadtrat…
Jordan, der sich wie Andreas Otto gegen eine Unterstützung der
100-%-Initiative ausspricht, aber mit einem entsprechenden Antrag
scheitert, ist das alles zu widersprüchlich. Was er auch am Rednerpult
sagt: „Ich will Klarheit und Wahrheit.“
30 Mar 2014
## AUTOREN
Stefan Alberti
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