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# taz.de -- Religiöses Leben in Bremen: Wo die Kirche noch wächst
> Sie ist klein, aber auch eine Staatskirche. Jetzt bekommen die
> reformorientierten Alt-Katholiken auch in Bremen eine eigene Gemeinde –
> bei den Methodisten
Bild: Noch ist die Erlöserkirche in Schwachhausen leer: Ostermontag feiert die…
Der Name ist natürlich ein echtes Problem, also: für die religiöse
Vermarktung. Weil: Wenn er „Alt-Katholiken“ hört, dann denkt der Laie ja
meist erst mal an reaktionäre Sektierer, an eine fragwürdige Abspaltung
halt, womöglich schlimmer noch als die Pius-Bruderschaft.
Dabei ist ja genau das Gegenteil der Fall! Jetzt gibt es diese
Alt-Katholiken auch in Bremen, mit einer eigenen Gemeinde. Am Ostermontag
wird sie offiziell gegründet, mit einer Eucharistiefeier in der
Erlöserkirche in Schwachhausen, in einem gemeinsamen Gottesdienst der
dazugehörigen – evangelisch-methodistischen – Pastorin und des
alt-katholischen Pfarrers.
Damit ist auch schon viel über diese kleine Staatskirche gesagt. Denn sie
hat mit all dem kein Problem. Denn die Alt-Katholiken selbst weihen,
jedenfalls seit 1996, Frauen zu Priesterinnen. Sie finden nicht, dass die
Frau sich dem Manne unterzuordnen habe. Sie sind gegen die kultische
Verehrung Mariens und sie verstehen die Sache mit der Jungfrauengeburt auch
nicht als biologische Aussage.
Sie erlauben ihren Geistlichen, PartnerInnen, Sex und Kinder zu haben und
ihre Bischöfe werden nicht von Rom ernannt, sondern von der Gemeinde
gewählt. Sie feiern Abendmahl zusammen mit Protestanten, sie trauen
homosexuelle Paare und sie wählen bekennende Schwule zu Diakonen. Kurzum:
Sie stehen für alle jene Reformen, auf die viele KritikerInnen in der
römisch-katholischen Kirche schon ebenso lange wie vergeblich hoffen.
## Sie wachsen stetig an – zumindest ein bisschen
In Bremen haben sie trotzdem nur knapp 30 Mitglieder, und das sind sogar
schon ein paar mehr als noch vor einigen Jahren. Bundesweit gab es Ende
vergangenen Jahres 15.840 Alt-Katholiken, immerhin geringfügig mehr als im
Jahr zuvor. Zum Vergleich: Die „Römer“, wie die Alt-Katholiken sie nennen,
zählen bundesweit über 24 Millionen Katholiken, in Bremen sind es knapp
80.000. Soviel zur Frage von Einfluss und Bedeutung.
Die Alt-Katholiken seien „weder alt noch katholisch“, hat der verstorbene,
ultrakonservative Fuldaer Bischof Johannes Dyba mal gesagt. Über ersteres
lässt sich noch streiten: Der Grundstein der Alt-Katholische Kirche wurde
1870 gelegt – mit dem 1. Vatikanischen Konzil. Seinerzeit haben die Römer
amtlich verfügt, dass der Papst in Glaubensfragen unfehlbar ist und
obendrein die oberste rechtliche Gewalt in der Kirche innehat.
Katholiken, die derlei Neuerungen mit Verweis auf die Bibel und ihr
Gewissen ablehnten, wurden exkommuniziert. Also haben sie eine eigene
katholische Kirche begründet und 1873 in Deutschland ihren ersten Bischof
geweiht. Aus ihrer Sicht der Dinge sind die Römer also „neu-katholisch“.
Während sie eben an der alten katholischen Kirche festhalten, wie sie bis
zum 1. Vatikanischen Konzil existierte.
In Bremen gibt es alt-katholische Feierlichkeiten zwar schon seit den
fünfziger Jahren, doch für eine eigene Gemeinde hat es nie gereicht. Ihr
erster Gottesdienst wurde gar in Oldenburg gefeiert, später wurden die
bremischen Alt-Katholiken aus Bielefeld betreut, dann aus Hannover,
schließlich aus Nordstrand, einem kleinen Ort in Nordfriesland, auf einer
Halbinsel vor Husum. Dort sitzt der noch immer für Bremen zuständige
Pfarrer: Georg Reynders.
## „Römer“ sind keine Feinde
Der 63-Jährige war als Römer schon Pfarrer, aber das ist mittlerweile 35
Jahre her. Irgendwann habe er die Linie seiner Kirche „nicht mehr
nachvollziehen“ können. Andererseits gilt auch für ihn der Satz: „Einmal
katholisch, immer katholisch“. Und so ist er nun bereits seit 20 Jahren der
Pfarrer der Bremer Alt-Katholiken. Die Römer, so Reynders, seien „nicht
seine Feinde“, ja, er habe ein „gutes Verhältnis“ zu ihnen. Und er wolle
auch nicht in die römisch-katholische Kirche hineinwirken.
„Das steht uns gar nicht zu.“ Ob er trotzdem auf Veränderung in der
römisch-katholischen Kirche hofft? Hoffen, ja. Und der neue Papst? Mal
abwarten. „Es ist besser geworden“, sagt Reynders. „Aber die
Grundstrukturen sind geblieben.“ Die Alt-Katholiken erkennen den Papst zwar
als Bischof von Rom an, aber eben nicht seinen Anspruch auf Unfehlbarkeit.
Allein in Bremen hat die römisch-katholische Kirche seit 2006 über 4.000
Mitglieder verloren. Der Altkatholiken hingegen haben gerade ihre Seelsorge
in ganz Norddeutschland neu organisiert – als „Impuls für weiteres
Wachstum“. Dabei ist sie bislang vor allem im Süden und Westen der Republik
stark, in traditionell eher von Katholiken dominierten Gebieten.
Dennoch gibt es jetzt auch in Wilhelmshaven eine neue Pfarrgemeinde,
gemeinsam mit jener in Bremen bekommt sie demnächst einen eigenen Pfarrer –
für „Niedersachsen-West“, wie es offiziell heißt. Die alte Pfarrgemeinde
Niedersachsen hatte 1.600 Gläubige, verteilt über das ganze Bundesland. Es
sei „erstaunlich“, wie viele Menschen sich in den letzten drei, vier, fünf
Jahren den Alt-Katholiken angeschlossen hätten, sagt Reynders. In
Wilhelmshaven war ein Streit innerhalb der römisch-katholischen Kirche der
Beginn des Aufschwungs der Alt-Katholiken.
## Protestantismus? Kommt nicht in Frage …
Auch Karl Küpper ist einer von denen, die erst jüngst dazu kamen. Früher
war er Gymnasiallehrer für Geschichte und Religion an der Gesamtschule Ost,
und seine ganze Ausbildung, sagt er, lief „im kirchlichen Kontext“, ja, er
hat sogar mal katholische Theologie studiert. Und irgendwie fand der die
Altkatholiken früher schon „ganz wichtig“.
Dennoch blieb er all die Jahre ein Römer, der Übertritt zu den Protestanten
kam nie in Frage, auch wenn die ihm, damals, in den Siebzigern, im Grunde
viel näher standen als jene in Rom. „Ich habe immer versucht, meine
Katholizität relativ unabhängig von Rom zu leben“, sagt Küpper.
Andererseits war ihm Papst Johannes Paul II. immer zu autoritär, und sein
Nachfolger Benedikt auch. Irgendwann ist er dann doch zur alternativen
katholischen Kirche gewechselt. Und die Sache mit dem Namen? „Ist nicht
ganz so wichtig“, sagt Küpper.
16 Apr 2014
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Bremen
Kirche
Ostern
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