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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Biene Klaus
> Alleinstehende Drohnen, die ihrem Volk zur Last gefallen sind, leben in
> prekären Verhältnissen und müssen sich als Tagelöhner durchschlagen.
Bild: Der Traum jeder Drohne: ein Bienenleben in Saus und Braus.
Klaus ist eine echte Biene. Der stämmige Mitvierziger lebt alleine in einem
Schrebergarten im Frankfurter Osten. Bis hierher hat er sich
durchgeschlagen, nachdem er plötzlich aus dem Leben gerissen worden ist.
Einst ist Klaus ein gefragter junger Mann voller Tatendrang gewesen. Als
Hahn im Korb, oder besser Drohne im Nest, hat er alle Vorzüge des Lebens
einer männlichen Biene genossen: Diese besitzen keinen Stachel und gehen
auch nicht auf Nahrungssuche. Drohnen werden einfach nur gefüttert und
gestreichelt, ihre einzige Aufgabe besteht in der Fortpflanzung.
Doch das Glück von Klaus findet damals ein jähes Ende. Am Tag, an dem die
Sonne am längsten am Himmel steht, kehrt er von einem seiner seltenen
Ausflüge heim und findet das Nest verschlossen vor. Nach mehrmaligem
Klopfen tritt eine Handvoll Arbeiterinnen vor die Tür und vertreibt ihn aus
dem Bienenstock, der für Klaus fortan Tabu ist, da die bereits befruchtete
Königin ihn zur Persona non grata erklärt.
Klaus ist nicht das einzige Opfer dieser „Drohnenschlacht“. Alle männlichen
Bienen, die ihren Job erledigt haben, gelten als Schmarotzer – der straff
organisierte Idealstaat versucht dann, die unliebsamen Mitesser
loszuwerden. Die meisten Drohnen fügen sich dem Diogenes gleich ihrem
Schicksal, legen sich auf den nackten Boden und warten, bis sie vergehen.
## Klaus fristet sein Leben als Saisonarbeiter
Doch nicht so Klaus, seine Neugierde hält ihn am Leben. Nachdem er vom
Frankfurter Westen aus die Stadt überquert hat, erreicht er völlig
erschöpft deren anderes Ende: die Schrebergärten am Bornheimer Hang.
Mittellos und ausgebrannt von den psychischen und physischen Eskapaden
ernährt er sich mehrere Wochen lang nur von Gartenabfällen. Kurzzeitig
verdient er sich als Wachmann einer Nistgemeinschaft ein paar Blüten, doch
am Bornheimer Hang gibt es noch mehr zu entdecken. Klaus verdingt sich als
Saisonarbeiter und erlernt das Bestäuben von Erdbeeren und Tulpen.
Allerdings ist auch dieser Aushilfsjob mit dem Anbau der sich selbst
bestäubenden Gerste überflüssig geworden. Also schließt sich Klaus einer
Schlafgemeinschaft von Bienenmännchen an.
Doch auch dieses biologisch unsinnige Projekt, das lediglich mit dem
ausgeprägten Bedürfnis der Bienen nach Nähe zu erklären ist, langweilt ihn.
Ebenso ergeht es ihm in der Bürgerwehr. Als er eines Nachts ziellos
herumirrt, trifft er auf eine Gruppe von Kuckucksbienen. Ihre Raubzüge, bei
denen die eigene Brut in fremden Nestern versteckt wird, schockieren Klaus.
Zunehmend sucht der kräftige Mann die Einsamkeit und beteiligt sich immer
seltener am spontanen Zellenbau und der kollektiven Futtersuche. Viel
lieber summt er vor sich hin, schwelgt in Erinnerungen an längst vergangene
Zeiten und genießt die Süßspeisen, die die Menschen mit in ihre Gärten
bringen. „Die Leute lassen einen einfach gewähren, weil sie glauben, wir
wären alle nützliche Honigbienen – und weil sie Angst haben, man könnte
stechen.“
Plötzlich hält Klaus inne und wird bleich um seine große Nase. „Sollten die
rausfinden, dass ich eine Drohne bin, wäre das mein Ende.“
Denn so schön das Leben einer Drohne einen Sommer lang sein mag, danach ist
sie auf sich alleine gestellt. Ohne Honig – und ohne Stachel.
21 Apr 2014
## AUTOREN
Timo Reuter
## TAGS
Drohnen
Bienen
Imkerei
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