Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Teebrücke von Timmendorf: Ostasien auf der Ostsee
> Das Geschenk des Multimillionärs Jürgen Hunke kostet das Ostseebad
> Timmendorf Millionen. Gemeindevertreter fühlen sich von solchen
> Großprojekten überfordert.
Bild: "Unsere Strandphilharmonie": Am 1. Juli sollen Brücke und Teehaus in Tim…
HAMBURG taz | Peter Ninnemann nimmt es nur noch mit Sarkasmus. „Das wird
eine richtig teure Tasse Tee“, spottet der SPD-Gemeindevertreter im
Ostseebad Timmendorfer Strand. Wenn in zwei Monaten die Bauarbeiten an der
Teebrücke an der Lübecker Bucht beendet sein werden, dürfte das den Badeort
mehr als drei Millionen Euro gekostet haben, gut doppelt so viel wie
ursprünglich geplant. Kritiker des Projekts lästern schon länger über
„unsere Strandphilharmonie“. Das Geld hätten wir besser für anderes
brauchen können, sagt auch Ninnemann: „Kinder, Jugendliche, Sozialfälle,
Wohnungsbau, Straßensanierung.“
## Ein Teehaus in asiatischer Bauform
Timmendorfer Strand hatte für etwa 1,7 Millionen Euro einen Neubau der
maroden alten Seebrücke geplant (siehe Kasten). Dann kam der illustre
Hamburger Multimillionär Jürgen Hunke auf die Idee, seinem Zweitwohnsitz
„ein Teehaus in asiatischer Bauform“ auf dem Brückenkopf zu schenken. Gut
eine Million Euro wollte er sich das kosten lassen, wenn die Gemeinde den
Unterbau finanziere. Erste Schätzungen gingen von Mehrkosten in Höhe vom
600.000 Euro aus – macht 2,3 Millionen Euro.
Vor zwei Jahren aber verkrachten sich Hunke und Timmendorf. Der Mäzen hatte
sich ein Teehaus und eine Galerie in dem pagodenähnlichen weißen Gebäude
vorgestellt, die Gemeinde aber wollte „eine richtige Gastronomie“. Nach
Vertragskündigungen, Rechtsstreitereien und einem Prozesstermin schlossen
die Kontrahenten einen Kompromiss: Hunke lieferte den Rohbau des Teehauses,
die Gemeinde baut alles fertig.
Und das kostet sie nochmals gut und gerne 800.000 Euro, bestätigt
Hauptamtsleiter Martin Scheel – die Drei-Millionen-Marke ist geknackt.
Allerdings seien noch „ein paar Details“ zu klären – zum Beispiel die
Heizungsanlage. Nicht auszuschließen, dass da finanziell „noch etwas
Bewegung“ sein könnte – nach oben, versteht sich.
## „Mit dem komplizierten Projekt etwas überfordert“
Zudem kristallisiere sich heraus, sagt Ratsherr Ninnemann, dass der
laufende Unterhalt „wohl teurer wird als angenommen“. Satte 150.000 Euro
dürften jedes Jahr fällig werden. Das wären in 20 Jahren weitere drei
Millionen. Selbstkritisch räumt er ein: „Mit so einem komplizierten Projekt
waren wir als ehrenamtliche Gemeindevertreter vielleicht etwas
überfordert.“
Eben davor hatte Mike Weber, Wortführer der Hunke-Kritiker und Initiator
eines gescheiterten Bürgerentscheids gegen die Teebrücke, schon länger
gewarnt. Die Verträge seien „nicht wasserdicht“, urteilte der
Verwaltungsjurist, der vor zwei Jahren Bürgermeisterkandidat der
Timmendorfer Piraten war. Rat und Verwaltung der Gemeinde seien „völlig
überfordert gewesen“.
Hunke, der demnächst 71 Jahre alt wird, ist mit dem Thema angeblich durch.
„Das Leben ist zu kurz, um sich zu ärgern“, sagt er. Als
Versicherungsmakler ist er reich geworden. Präsident des Hamburger SV war
er von 1990 bis 1993. Seit 1994 gehören ihm die Hamburger Kammerspiele, die
er vor dem Ruin rettete und komplett renovierte. Er selbst sieht sich als
„unabhängigen, selbstbestimmten Privatier“ sowie Verleger, Galerist – und
Eigentümer von Deutschlands größter Buddha-Sammlung.
In Timmendorfer Strand, wo er seit 1999 seinen Zweitwohnsitz hat, sanierte
der „bekennende Lutheraner mit einem Faible für die buddhistische
Philosophie“, wie er sich selbst beschreibt, 2004 eine baufällige
öffentliche Lesehalle auf eigene Kosten. Seitdem betreibt Hunke die Halle
unter Verweis auf seinen Mikado-Verlag als „Mikado Garden Kunst + Buch“,
wie er sagt, „als Künstler, nicht als Kaufmann“. Verdient habe er damit
„noch keinen Cent“. Er selbst residiert 100 Meter weiter in seiner
„Trilogie der Harmonie“ – drei geräumigen, ostasiatisch anmutenden Villen
in Weiß, Schwarz, Rot und Glas direkt am Meer. „Mein Wohlfühlhaus“, nennt
Hunke das Anwesen, Kritiker Weber verspottet es als
„Selbstinszenierungsensemble“.
Jedenfalls hat Hunke aus seinen weißen Villen einen unverbaubaren Blick auf
die 135 Meter lange Seebrücke, die – das ist vertraglich geregelt –
offiziell „Mikado-Brücke“ heißen wird. Und auf das Teehaus am Brückenkop…
in dem der Gastronom Christian Kermel ab dem 1. Juli in seinem Restaurant
„Wolkenlos“ erlesene pazifische Spezialitäten anbieten will. Kermel hat
nach eigenen Angaben weitere 500.000 Euro in das 360 Quadratmeter große
Gebäude mit 160 Sitzplätzen investiert. Alles in allem lassen Gemeinde,
Hunke und Kermel sich das ostasiatische Teehaus auf der Ostsee runde fünf
Millionen Euro kosten. „Das mag ja ein attraktiver Blickfang werden“, sagt
Ninnemann, „aber reichlich teuer ist das schon.“
28 Apr 2014
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Ostsee
Investoren
Mäzene
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.