# taz.de -- Dokumentation „20 Feet from Stardom“: Kraftwerke im Hintergrund | |
> Morgan Nevilles Film rückt Backgroundsängerinnen berühmter Bands ins | |
> Zentrum – und trifft dabei auf sehr unterschiedliche Biografien. | |
Bild: Jo Lawry, Judith Hill and Lisa Fischer – ein Backgroundchor zum Dahinsc… | |
Als Darlene Love sich eines Tages beim Schrubben eines fremden Haushalts | |
mit „Christmas (Baby Please Come Home)“ selbst im Radio hört, ist dies kein | |
Moment des Triumphs, sondern einer des Scheiterns. Love, die sich in den | |
60er Jahren zunächst als Lead-Sängerin der Girlgroup „The Blossoms“ | |
hervorgetan hatte, um anschließend in undurchsichtigen Phil-Spector-Mühlen | |
zu verschwinden, wollte eigentlich viel mehr: von der zweiten oder dritten | |
Reihe in die erste. Ebenjene „20 Feet“ nach vorn, die sie von der | |
vermeintlichen Hauptperson trennten. Der Weihnachtshit im Radio ist ein | |
Weckruf. Darlene Love packt ihre Sachen und fährt nach New York City. Und | |
beginnt ihre Karriere als nunmehr 40-Jährige noch mal neu. | |
So wie Love gelingt es bei weitem nicht jeder Backgroundsängerin. Morgan | |
Neville trommelt in seinem Oscar-prämierten Dokumentarfilm „20 Feet from | |
Stardom“ eine ganze Menge von ihnen zusammen, um sie als sprechende Köpfe | |
von glorreichen und weniger glorreichen Zeiten berichten zu lassen. | |
Und dann sind da viele große Namen im Film: Mick Jagger, Bruce Springsteen | |
oder Sting zum Beispiel. Um sie geht es in Nevilles Film nicht. Sie sind | |
da, um den Rahmen für Lisa Fischer, Merry Clayton und Claudia Lennear zu | |
stellen. Sie schwärmen unverblümt, erinnern sich. Oft fällt das Wort | |
„Powerhouse“ – Kraftwerk. Die Männer vergleichen die Stimmgewalt der | |
Sängerinnen mit der eines Kraftwerks. | |
Und dennoch kann ein Film wie „20 Feet from Stardom“ ohne Mick oder Bruce | |
oder Stevie kaum auskommen. Möchte man die Geschichte „vom Hintergrund“ | |
erzählen, muss man sich natürlich die Frage gefallen lassen, für wen denn | |
der Platz im Vordergrund reserviert war. Und schon ist man mittendrin im | |
großen Showbiz. | |
## Ein Befreiungsschlag? | |
Dies ist ein Grund, warum Nevilles Film zu einer recht unterhaltsamen | |
Angelegenheit geworden ist: er ist bis oben hin vollgestopft mit | |
Konzertmitschnitten und Fernsehauftritten. Beginnend mit Schnipseln aus den | |
50er Jahren, über welche sich der Cast von „20 Feet from Stardom“ fast | |
geschlossen amüsieren kann: weiße brave Mädchen, an ihren Notenblättern | |
klebend, lächelnd, starr. Folgt ein Befreiungsschlag auch für die Frauen | |
selbst? | |
Nicht unbedingt. So sieht man Claudia Lennear als dünn bekleidetes Mitglied | |
der Ikettes (Ike Turner stellte für sich und Frau Tina Turner ein eigenes | |
Backup-Trio zusammen – „The Ikettes“) über die Bildfläche hüpfen, wäh… | |
Ike Turner das Treiben vom Bühnenrand aus doch ziemlich fest im Auge hat. | |
Produzent Phil Spector baut seine Stimmen auch ein, wo und wie es ihm | |
gerade passt. Und Táta Vega muss mit dem Urteil zurechtkommen, „zu fett“ | |
und „zu alt“ zu sein. | |
Dann aber erzählt der Film auch solch großartige Geschichten wie die von | |
Merry Clayton und den Rolling Stones – und wie Clayton zu ihrem „Gimme | |
Shelter“-Part kam. Jener ist als Originaltonspur auch noch einmal zu hören | |
und damals wie heute: nicht von dieser Welt. | |
Doch auch für Clayton wollte es mit einer Solokarriere nicht klappen. | |
Ebenso wenig wie für Claudia Lennear, die nach einigen eher mittelmäßig | |
erfolgreichen Versuchen eine zweite Laufbahn als Französisch- und | |
Spanischlehrerin einschlug. Ein Grammy, wie ihn Lisa Fischer 1992 für „How | |
Can I Ease the Pain“ bekam, war jedenfalls keiner von ihnen vergönnt. | |
Regisseur Neville nimmt dann noch eine gewisse Judith Hill näher in den | |
Blick, deren vielversprechender Werdegang jäh unterbrochen wurde – kurz vor | |
deren Antreten einer großen Tournee mit Michael Jackson verstarb der King | |
of Pop. Hill versucht es nun allein. | |
Am Ende wendet man sich dann der Formation „The Waters“ zu. Versunken | |
sitzen die Geschwister Waters hier an einem Tisch und zählen Engagements | |
auf – von Disneys „Der König der Löwen“ über Neil Diamond bis hin zu d… | |
Vogelstimmen von „Avatar“ ist da wirklich einiges dabei – oder sie singen | |
die jeweiligen Parts gleich noch einmal selbst ein. Julia, Maxine, Luther | |
und Oren sind sehr erfolgreich, aber völlig unbekannt. Und allem Anschein | |
nach durchaus nicht unglücklich darüber. | |
29 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Carolin Weidner | |
## TAGS | |
Musik | |
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