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# taz.de -- Wohnen im Märchenschloss: Hauswächter ohne Bezahlung
> Bremen sucht Käufer für das Herrengut Hohehorst. Bis dahin sollen es
> „verantwortungsvolle junge Erwachsene“ nach den Regeln einer
> Hauswächterfirma bewachen.
Bild: Hier sollen künftig die Regeln von Camelot gelten: dann wird kein Nagel …
BREMEN taz | Schlafgemächer mit angeschlossenen Ankleideräumen, ein Saal
mit offenem Kamin und Kronleuchter, davor eine riesige Terrasse, auf deren
Geländer steinerne Jagdgesellen in Richtung Park grüßen – für nur 180 Euro
pro Monat können Zwischennutzer demnächst im Herrengut Hohehorst wohnen.
Die holländische Hauswächterfirma Camelot macht es möglich.
Die künftigen Übergangsbewohner sollen aber auch nicht zu ihrem Vergnügen
einziehen, sondern das Anwesen im niedersächsischen Schwanewede während der
Zeit des Leerstands bewachen. Partys sind tabu, ebenso wie Kinder. In den
Räumen des etwa zwanzig Autominuten von Bremen entfernt gelegenen Anwesens
wird Rauchen verboten sein. Wer Veranstaltungen machen will, muss sie
schriftlich bei Camelot beantragen. Das Unternehmen fragt dann beim
Besitzer, dem Land Bremen nach, ob die Zusammenkunft genehmigt werden kann.
## Spontane Kontrollen
Besucher, die über eine Woche bleiben wollen, müssen beim
Camelot-Hausverwalter angekündigt werden. Auch wer selbst länger als zwei
Tage verreisen will, muss sich abmelden. Jederzeit können unangemeldete
Camelot-Kontrolleure vorbeischauen, um den Zustand der den Nutzern
zugewiesenen Wohnräume zu überprüfen.
Diese müssen unverändert bleiben. Nicht mal einen Nagel für einen
Bilderrahmen dürfen Bewohner in die Wand schlagen, ohne vorher um Erlaubnis
zu fragen. Und der Wohn-Spaß kann binnen vier Wochen plötzlich zu Ende
gehen. Das ist die Frist, die Camelot üblicherweise in den sogenannten
Gebrauchsüberlassungsverträgen mit den Zwischennutzern festlegt.
Der Leerstand und die von Camelot organisierte Zwischennutzung könnten
länger anhalten. Mit Hilfe des Maklerbüros Robert C. Spieß sucht Bremen
seit über einem Jahr nach einem Käufer für den früheren Landsitz des
Textil-Großindustriellen Georg Carl Lahusen. Eine Millionen Euro möchte das
Land für Herrenhaus, Nebengebäude und den über zwanzig Hektar großen Park
mit Badesee haben. „Wir können uns vor allem eine Nutzung für
Luxushotelerie oder Tagungsbetriebe vorstellen“, sagt Peter Schulz,
Sprecher des städtischen Unternehmens Immobilien-Bremen, das Hohehorst im
Auftrag des Landes verwaltet.
Bislang nutzt die Drogenhilfe Bremen das Anwesen als Entzugsklinik. Aber
die Sozialeinrichtung zieht Mitte August aus, unter anderem wegen der
horrenden Heizkosten von rund 80.000 Euro jährlich. Die unter Denkmalschutz
stehenden Häuser und der Park wurden in den vergangenen Jahrzehnten eher
notdürftig gepflegt. Der Sanierungsbedarf beläuft sich je nach Schätzung
zwischen zehn und zwanzig Millionen Euro.
Zum problematischen Zustand und den eingeschränkten Möglichkeiten bei
künftigen Um- und Neubauten auf dem Gelände kommt noch die schwierige
Historie der Immobilie. Lahusen hatte das schlossartige Haupthaus 1928 als
Sommerresidenz für seinen Familienclan errichten lassen. Doch die Freude am
privaten Landsitz währte nicht lang. 1931 meldete der Nordwolle-Konzern des
Bremer Großindustriellen Konkurs an. Das Anwesen ging an die Bremer
Landesbank, die es 1937 an Heinrich Himmlers SS verkaufte.
Die Nazi-Eliteorganisation richtete in Hohehorst Heim Friesland ein, eine
von neun Einrichtungen des Lebensborns. Umgeben von Pracht und Luxus
konnten ausgesuchte Mütter, vorzugsweise Angehörige von Nazi-Kadern, ihren
Nachwuchs zur Welt bringen. Kurz vor Kriegsende wurden die Kinder aus
norwegischen Lebensbornheimen hierher evakuiert. Noch heute kommen manchmal
ältere Besucher auf das Gut, um nach ihren Wurzeln zu suchen.
Die Investoren stehen gegenwärtig also nicht gerade Schlange. Schon seit
Herbst bereitet die Immobilien-Bremen deshalb die Leerstandsphase vor.
Hauswächter sollen das Anwesen bewohnt halten und Hohehorst vor
Buntmetalldieben und Vandalen schützen. Die Entscheidung für Camelot
begründet Peter Schulz mit wirtschaftlichen Argumenten: „Wir haben nach
einem professionellen Leerstandsmanagement gesucht. Camelot, das Immobilien
durch eine sicherheitstrategische Bewohnung schützt, hat die besten Kosten,
Nutzungs und Vertragsbedingungen geboten.“
Die kostengünstigste Lösung ist Camelot dennoch nicht. Denn neben dem
kommerziell agierenden Unternehmen hatte auch die Bremer Zwischen Zeit
Zentrale (ZZZ) ein Konzept für die Leerstandszeit eingereicht. Das sah vor,
nach Künstlern und Kreativen zu suchen, die nicht nur das Haus gehütet,
sondern auch die Möglichkeiten der Schlossanlage genutzt hätten. „Wir
hatten bereits eine Fotografin gefunden, die gern eingezogen wäre. Auch
eine Theatergruppe hat Interesse bekundet“, sagt Oliver Hasemann von der
ZZZ.
Zusätzliches Geld hätte Bremen für die ZZZ nicht aufwenden müssen. Die
Agentur, die für kreative Projekte, etwa im ehemaligen Bremer Sportamt oder
in der Baumwollkämmerei Blumenthal jüngst von der Bundesregierung
ausgezeichnet wurde, wird bereits öffentlich finanziert. Offenbar ist also
die kreative Nutzung von Hohehorst nicht gewünscht.
## Kommerzielles Interesse
Camelot hat eine andere Gruppe von Nutzern im Blick. „Wir suchen nach
verantwortungsvollen jungen Erwachsenen im Alter von 25 bis 35 Jahren, die
auf das Haus aufpassen wollen“, sagt Dirk Rahn, für Norddeutschland
zuständiger Manager bei Camelot-Deutschland. Kommt es zum Abschluss eines
Gebrauchsüberlassungsvertrages, müssen die Hauswächter ein Brandschutzset
mit Feuerlöscher, Löschdecke und Rauchmelder für 55 Euro erwerben und in
den ihnen zugewiesenen Wohnräumen installieren.
Das Unternehmen verfolgt vor allem ein kommerzielles Interesse. In Camelots
Heimat, den Niederlanden wurden Hausbesetzungen bis 2010 strafrechtlich
nicht verfolgt, wenn ein Gebäude länger als ein Jahr leer stand. Daraus
machte die Firma ein Geschäft. Seit 1993 versucht es solche, für
Immobilieneigentümer unerwünschten Leerstandsfolgen zu verhindern.
Peinlich achtet die Firma dabei darauf, bei den Zwischennutzern von
Hauswächtern und nicht von Mietern zu sprechen. Denn letztere haben Rechte,
die Camelot mit seinen Bedingungen vielfach bricht. „Camelot beutet
Zwischennutzer für die Interessen der Immobilienwirtschaft aus“, kritisiert
Daniel Schnier von der ZZZ.
Wie viel das Land Bremen sich den Auftrag an Camelot kosten lässt, will
Immobilien-Bremen Sprecher Schulz nicht sagen. Geschäftsgeheimnis. Das
Unternehmen erfreut sich allerdings eines rasanten Wachstums. Allein
zwischen 2009 und 2012 seien die Umsätze um 113 Prozent gestiegen, heißt es
in einer Pressemitteilung. Camelot-Manager Dirk Rahn schätzt den
Gesamtumsatz im vergangenen Jahr auf über 20 Millionen Euro. Billige
Hauswächter als Dienstleister für die Immobilienhändler sind gefragt.
Neuerdings auch in Bremen.
12 May 2014
## AUTOREN
Clemens Haug
## TAGS
Flüchtlinge
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