# taz.de -- Studierende organisieren Festival: Hochamt der Praktikanten | |
> Anfang Juni findet in Lüneburg bereits zum elften Mal das | |
> Lunatic-Festival statt. Für die ist es Teil des Curriculums, manche | |
> kommen extra für das Seminar in die Heide. | |
Bild: Sieht professionell aus, wird aber von Studenten im Rahmen eines Seminars… | |
LÜNEBURG taz | Die Zeit rennt. Noch zwei Wochen. Dann muss alles klappen – | |
die Anlagen müssen aufgebaut, die Getränke gekühlt, die Zäune bewacht und | |
die Musiker abgeholt sein. Die Organisatoren des Lunatic-Festivals werden | |
auf der Bühne stehen und sich ihren Applaus abholen. Und dann ist auch | |
schon wieder alles vorbei, die Arbeit von 50 Leuten, von einem | |
Dreivierteljahr. An nur zwei Nachmittagen wird sich zeigen, ob jeder seinen | |
Job gemacht hat. | |
Das Lunatic-Festival in Lüneburg ist kein Festival wie jedes andere, auch | |
wenn das Endprodukt – zwei Tage Musik- und Kulturveranstaltung mit | |
internationalen Acts – anderen seiner Art ähnelt. Denn das | |
Organisationsteam speist sich aus dem Seminar „Projektmanagement in der | |
Festivalorganisation“. Das klingt für vorlesungsmüde Studierende | |
interessant und entsprechend beliebt ist das Seminar, das immer zum | |
Wintersemester fächerübergreifend angeboten wird. | |
Die Teilnehmer bilden Teams – Booking, Finanzen, Technik und Infrastruktur, | |
PR. Unterstützung erhalten sie von den schon aus den Vorjahren erfahrenen | |
Festivalleitern. Was manche Studierende zu Beginn des Seminars nicht | |
wissen: Sie schrieben sich, zumindest für die Zeit unmittelbar vor dem | |
Festival, für einen ehrenamtlichen Fulltime-Job ein. | |
Wo anderswo Riesenfirmen große Sponsoring-Pakete springen lassen, kommt | |
hier der Haupterlös aus dem Ticket- und Getränkeverkauf. Jedes Jahr wird | |
gezittert, ob der „Break Even“ erreicht wird, und gehofft, dass es diesmal | |
– es wäre das erste Mal – zum Ausverkauf der 3.000 Tickets kommt. | |
Von fiebrigem Zittern und Hoffen allerdings ist an diesem heißen Nachmittag | |
im Besprechungsraum der Universität Lüneburg noch nicht viel zu merken. Die | |
Sonne knallt von draußen rein, und die zehn Mitglieder des Teams | |
„Festivalleitung“ fächern sich Luft zu. Die Ruhe vor dem Sturm? | |
„Die großen organisatorischen Dinge sind zu diesem Zeitpunkt längst | |
geklärt“, sagt Sarah Kociok, eine der Leiterinnen des Lunatic-Festivals. | |
„Jetzt geht es an die Umsetzung der vielen Details.“ Fragen wie die, wann | |
der Online-Ticketshop schließen soll, damit die Tickets noch rechtzeitig | |
mit der Post ankommen, wollen ebenso geklärt werden wie die Zahl der | |
Security-Männer vor dem Backstage-Bereich. | |
Dabei wird basisdemokratisch entschieden. Wenn nicht alle ihr Okay geben, | |
wird weiter diskutiert. Die Hierarchien sind nicht flach, sondern streng | |
genommen gar nicht vorhanden. Der Status als Festivalleiter schützt nicht | |
vor unliebsamen Aufgaben wie Plakatieren oder Flyerverteilen. | |
Alena Kruse ist Master-Studentin an der Uni Lüneburg und seit letzen Herbst | |
„Lunautin“. Von ihren regulären Seminaren hat sie im Sommersemester nur | |
wenig mitbekommen, zu groß ist der Arbeitsaufwand kurz vor dem Festival. | |
Gerade sitzt sie an den Texten für das Booklet, die Deadline für den Druck | |
rückt näher. „Ich wusste, worauf ich mich einlasse“, sagt sie. „Die | |
Möglichkeit, bei der Festivalorganisation mitzuarbeiten, war ein Hauptgrund | |
für mich, hier mein Studium zu beginnen.“ | |
Auch später am Nachmittag ist von Nervosität nicht viel zu spüren. Das | |
Seminar ist kurzfristig nach draußen verlegt worden, in einer Runde im | |
Halbschatten wird über die letzten dringenden Anliegen geredet. Der Teufel | |
steckt auch hier im Detail. Ein Bierwagen fehlt, ein Gastronomiestand hat | |
kurzfristig abgesagt, es gibt nicht genügend Kühlschränke. | |
Warmes Bier auf dem Festival, das gab es schon einmal, als nachts der Strom | |
ausfiel. Unmut bei den Getränkeverkäufern, Unmut bei den Besuchern – das | |
kann sich das Lunatic nicht leisten. Außerdem fehlen noch Freiwillige, die | |
auf dem Festivalgelände Nachtwache halten. Doch der Ton bleibt entspannt. | |
Vielleicht ist es das Vertrauen darin, dass es auch die letzten zehn Jahre | |
immer geklappt hat, das die „Lunauten“ so gelassen wirken lässt. 2004 fand | |
das Lunatic-Festival zum ersten Mal statt. Im Herbst 2003 hatten 25 | |
Studierende den Verein Lunatic gegründet, der die Grundlage für das | |
Festival bildet. Geblieben ist seither die nachhaltige Ausrichtung: | |
Ökostrom, vegetarisches und regionales Essen, Tickets aus Recyclingpapier. | |
Vieles hat sich aber auch verändert: Aus einem Festivaltag sind zwei | |
geworden, das Gelände ist von einem Parkplatz auf die Wiese vor der Mensa | |
umgezogen, die größer ist und grüner. Neben der großen Bühne gibt es seit | |
drei Jahren auch die „Spielwiese“. Dort stehen eine zweite kleine Bühne und | |
Stände von interaktiven Kunst- und Sozialprojekten. Auch die Spielwiese | |
wird jedes Jahr von einem Seminar auf die Beine gestellt. „Daran nehmen vor | |
allem Studierende der unteren Semester teil, die ohne Druck in die | |
Festivalorganisation schnuppern wollen“, sagt Sarah Kociok. | |
An diesem Nachmittag sind beide Seminare für ein Gruppenfoto | |
zusammengekommen. Ein bunter Haufen junger Leute, die jüngsten gerade mal | |
18 Jahre alt, die ältesten um die 25. In zwei Wochen werden sie hier mit | |
Walkie-Talkies über das Gelände rennen. Zeit, sich eine der Bands aus der | |
Publikumsperspektive anzusehen, wird kaum sein. Alena Kruse hat jetzt schon | |
Angst vor dem Blues, der kommt, wenn alles über die Bühne gegangen ist. | |
„Nächstes Jahr will ich auf jeden Fall wieder dabei sein“, sagt sie. | |
## ■ Fr, 6. und Sa, 7. 6., Campus der Leuphana Universität, Lüneburg | |
1 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Carla Baum | |
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