# taz.de -- Pralles Programm in der Kunst-Provinz: Wie ein Buch mit vielen Kapi… | |
> Mit viel Engagement und wenig Geld organisieren Kunstliebhaber den | |
> Kunstverein Cuxhaven. Sie halten sich zugute, dass noch keine Ausstellung | |
> gefloppt sei. | |
Bild: Ankernde Jolle mit Bogenlampe: Die Arbeit von Matthieu Martin war Teil de… | |
CUXHAVEN taz | Zum [1][Kunstverein]? Also, da sei es nie verkehrt, die | |
Fußgängerzone zu nehmen, auf die italienische Eisdiele achten, dann je nach | |
Laufrichtung links oder rechts eine kleine, abgehende und ebenfalls | |
verkehrsberuhigte Straße nehmen und dann bei KIK über den großen Platz | |
gehen – dann sei man schon da. Und dann steht da ein gelbes Stadthaus, in | |
dem seit 1991 der Cuxhavener Kunstverein residiert samt Kunstwerkstatt. | |
Zwar gab es schon 1918 in der Stadt eine „Cuxhavener Kunstgesellschaft“, | |
die sich der zeitgenössischen Kunst widmete, entsprechend dann aber 1933 | |
von den Nazis geschlossen wurde und das war es dann für sehr lange Zeit. | |
Erst 1991 gründete der aus Köln stammende Bundeswehrgeneral a. D. Hubert F. | |
Walitschek mit Kunstfreunden den heutigen Kunstverein. Seitdem haben hier | |
Timm Ulrich und Antoni Tàpies ausgestellt, Rupprecht Geiger kam vorbei und | |
Ólafur Gíslason und Antje Schiffers. | |
„Wir haben in diesen Jahrzehnten nie einen Flop gehabt. Das ist Glück, das | |
ist aber auch Können!“, sagt Hans Hochfeld, der erste Vorsitzende des | |
Vereins, der sein Geld mit der Innenraumplanung von Wohnungen über Praxen | |
bis Appartementanlagen verdient: „Und dass wir das haben, verdanken wir | |
auch dem ehemaligen Leiter der Hamburger Kunsthochschule Carl Vogel, der | |
uns lange beraten hat. Deshalb kommen die Künstler zu uns, weil sie wissen, | |
dass wir einen ordentlichen Job machen.“ | |
## Minimale Entlohnung | |
Er stellt seine Kollegin Silke Handelmann vor, die den Bereich | |
Kunstvermittlung betreut, in Schulen in Stadt und Kreis unterwegs ist, | |
Führungen und Workshops organisiert und dafür nur minimal entlohnt wird: | |
„Ich schäme mich dafür, wie schlecht wir in diesem Land junge Leute | |
bezahlen, die exzellent ausgebildet sind“, sagt Hochfeld. Das hat er | |
unlängst einem örtlichen Politiker gesteckt, der vorbei kam: „Der wird | |
nicht wiederkommen und das wird an der Sache nichts ändern. Aber er weiß es | |
nun.“ | |
Überhaupt: das Geld. Es floss nie üppig, immer wieder hat man in den | |
letzten Jahren Kürzungen hinnehmen müssen, in diesem Jahr seien sie noch | |
einmal besonders heftig ausgefallen. Nein, konkrete Zahlen möchte die | |
zweite Vorsitzende Kathi Schmidt nicht nennen und bittet um Verständnis – | |
Ausdruck, wie heikel das Thema ist und dass Fingerspitzengefühl mehr als | |
notwendig ist. „Wir machen hier ehrenamtlich den Job von Hauptamtlichen“, | |
sagt sie. Schmidt ist Lehrerin und unterrichtet angehende Kunstlehrer. Und | |
auch sie kann nur auf den guten Ruf des Kunstvereins verweisen. Ein | |
Beispiel: Im vergangenen Jahre wählte der Stipendiat des niedersächsischen | |
New York Residenz-Stipendiums Francisco Montoya Cázarez nach seiner | |
Rückkehr die Kunsthalle Wilhelmshaven aus, um dort seine New Yorker | |
Arbeiten zu zeigen – und den Cuxhavener Kunstverein. | |
Doch mag das Image innerhalb der Kunstszene noch so gut sein, in Cuxhaven | |
zählt nationaler bis internationaler Rang nur begrenzt. Wichtiger ist: | |
Kommen die Cuxhavener? Oder muss man zu den Cuxhavenern gehen? Zudem bietet | |
die Stadt ein ganz eigenes Potenzial: „Viele Orte liegen brach oder stehen | |
leer“, sagt Schmidt. Also geht es raus aus den eigenen Räumen, rein in die | |
Stadt und auch die nähere Umgebung wird seit letztem Jahr intensiv | |
erkundet: „34 Knoten – Kunstprojekte“ lautete das Jahresmotto 2013, denn | |
bei einer Windgeschwindigkeit von 34 Knoten wird vom deutschen | |
Seewetterdienst eine Sturmwarnung herausgegeben. | |
## Das Buch als Klammer | |
Das hat zum einen gut geklappt, zum anderen ist auch das Potenzial vieler | |
Orte wie das des Piers Steubenhöft mit seinen Auswanderhallen im Hafen noch | |
lange nicht ausgeschöpft. Und so sollen in diesem Jahr dort, wo einst | |
Hunderttausende an Bord gingen, um woanders ein besseres Leben zu finden, | |
die allermeisten Aktivitäten des Kunstvereins stattfinden. Die große | |
Klammer: das Genre des Buches. Wobei man das mit dem Buch als nur eine | |
geordnete Ansammlung von bedruckten Seiten zwischen zwei Deckeln jetzt | |
nicht zu streng verstehen soll: „Es ist eher so zu verstehen, wie wenn man | |
ein Buch mit verschiedenen Kapiteln durchschreitet“, sagt Schmidt. | |
Das erste „Buch“ im Frühjahr hatte den Titel „Abschied – Les Adieux“, | |
gestaltet von dem Aktionskünstler Mathieu Martin, der aus Nantes stammt, | |
dem größten Auswandererhafen Frankreichs. Geblieben ist seine Installation | |
im Schleusenprielbecken nahe des Cuxhavener Bahnhofes: eine ankernde Jolle | |
mit Bogenlampe statt Segelmast und dem schönen Schriftzug „Blues“ am Bug. | |
Für die zweite Jahreshälfte sollen „Bücher“ mit dem Titel „Fisch – R… | |
Salz – Luft“ aufgeschlagen werden, die sich mit der Tradition des | |
Fischfangs und der Fischverarbeitung beschäftigen werden. Dafür wird die in | |
Osnabrück und Münster beheimatete Künstlergruppe „Nartur“ unter anderem … | |
ehemaligen und also verlassenen Büroräume einer Fischhalle nutzen. „Buch“ | |
vier mit „Dies alles gibt es also“ wird im Herbst des Jahres Malerei von | |
Ewen Gur und Judith Sturm zeigen. | |
Aktuell zeigt sich das „Buch“ „Hoch hinaus“, für das Felix Meyer-Chris… | |
Kopf der Hamburger Performancegruppe „Costa Compagnie“, sich ein spezielles | |
und eher unbekanntes Kapitel der Cuxhavener, aber auch der deutschen | |
Geschichte vorgenommen hat: Ab den 30er-, dann wieder unmittelbar nach dem | |
Krieg und bis Mitte der 60er-Jahre wurde in Cuxhaven militärische, aber | |
auch zivile Raketenforschung betrieben. „Hier in Cuxhaven war man schon | |
immer mehr am Draußen, am Weggehen, auch am Utopischen interessiert, als am | |
Verharren im Binnenland“, so seine These. | |
Meyer-Christian hat es nicht bei seiner Recherche in Cuxhaven belassen: Er | |
hat sich in Cape Canaveral umgeschaut und bei der Hisbollah und deren | |
Raketenmuseum im Südlibanon: „Das Schöne an der Bildenden Kunst ist ja, | |
dass die Form genauso wichtig ist wie der Inhalt. Und wir fragen: Wie ist | |
man den Inszenierungsmethoden ausgeliefert? Was machen die Formen mit uns | |
als Betrachter?“ | |
So wird auch dieses Jahr wieder für ein pralles, sehenswertes Programm | |
gesorgt werden. Schmidt sagt: „Die Kunst ist, mit wenig Geld tolle Kunst zu | |
zeigen.“ Hochfeld kann das mit einer Anekdote ergänzen, saß er doch neulich | |
mit dem Cuxhavener Oberbürgermeister auf ein Bier zusammen: „Und da meinte | |
der: ’Das Ding, das ihr da macht, versteht zwar keiner, aber wir glauben, | |
es ist gut.‘“ Hochfeld holt tief Luft, beugt sich vor, sagt dann: „Mehr | |
Kompliment kann man erst mal nicht kriegen.“ | |
„Buch zwei: ’Hoch hinaus – Utopie‘“: bis 26. 6., Hapag Halle, Lentzka… | |
Ex-Nordsee-Kantine, Baudirektor-Hahn-Str. 22, Cuxhaven, | |
[2][www.kunstverein-cuxhaven.net] | |
3 Jun 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.kunstverein-cuxhaven.net | |
[2] http://www.kunstverein-cuxhaven.net | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
## TAGS | |
Cuxhaven | |
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