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# taz.de -- Psychoanalytiker über Suárez-Biss: „Hier ging es um Sexuelles“
> Italien ist raus und niemanden interessiert's. Weil alle über Luis Suárez
> reden. Was fasziniert uns so an dessen animalischem Verhalten?
Bild: „Das Beißen an sich ist, auf der untersten Schicht des Psychischen, ei…
taz: Herr Schneider, gestern konnten wir als Publikum sehen, wie Luis
Suárez dem italienischen Spieler Giorgio Chiellini in die linke Schulter
biss. Was sahen wir da genau?
Christian Schneider: Was man an allen Reaktionen seit Dienstagabend sehen
kann: etwas doch ziemlich Erschreckendes. Das Beißen ist ja ein sehr
regressiver Akt.
Um wie ein vorerwachsenes Gemüt starke Spuren zu hinterlassen?
Ja, auch das. Aber schon bei Kindern sieht man: Bei Balgereien scheidet
jeder sofort aus, der mit den Zähnen, also mit Beißen kämpft. So jemand ist
nicht mehr satisfaktionsfähig. Selbst in aggressiven Formen der
Auseinandersetzung wird das nicht toleriert.
Können Sie erklären, warum dieser Spieler auf dieses Mittel zurückgriff?
Was ist bei seinem Selbstzivilisierungsprozess schiefgelaufen?
Wie wir als Publikum erfahren haben, ist es ja nicht das erste Mal gewesen,
dass Suárez es getan hat. Keine Spökenkiekerei, aber da müsste man auf
einen psychopathologischen Befund schließen. Das sind fast
Übersprungshandlungen, bei der in einer aktuellen Konfliktsituation sich
das Beißen als kindliche, regressive Handlung ausdrückt. Das hat natürlich
auch immer eine Ambivalenz.
Welche könnte das sein?
Das Beißen an sich ist, auf der untersten Schicht des Psychischen, eine Art
Selbstabnabelung von der Mutterbrust. Wo der lustvolle Akt des Saugens
übergeht in einen des Beißens.
Es war ja ein Zweikampf unter Männern …
… bei dem in diesem Fall beide wesentlichen Aspekte zum Tragen kamen: das
aggressive Beißen, das Abnabelnde – aber auch das lustvolle Liebesbeißen.
Vermutlich jedoch sieht der gute Herr Suárez sich nicht als einen besonders
aggressiven Spieler.
Vermutlich scheint er einer, der auf jeden Fall, wie man auch sehen konnte,
zu einer gewissen Wehleidigkeit neigt, wenn er selbst körperlich angegangen
wurde.
Er, so lesen wir von ihm, hält sich bestimmt für höchst unschuldig.
Wie ein Ertappter, oder?
Der leugnet, was sehr sichtbar war, ja.
Wir fragen uns: Hat Suárez es womöglich nie geschafft, sich von der Zufuhr
durch primäre Lustquellen zu lösen?
Das könnte möglich sein – aber natürlich können wir es nicht genau wissen.
Auch interessant ist, dass die Bilder, die uns das Fernsehen lieferte,
sowohl das benannte Erschrecken aber auch eine gewisse Belustigung
bewirken.
Und eine faszinierte Lust an der Beschäftigung mit diesem zwiespältigen
Biss, den das Opfer, Giorgio Chiellini, fast stolz herzeigte.
Exakt. Der beherzte Biss des Herrn Suárez war etwas ganz und gar anderes
als das schlicht aggressive Ohrabbeißen Mike Tysons 1997 im Kampf gegen
Evander Holyfield.
Luis Suárez’ Biss funktionierte, so sahen wir es, wie aus einem Reflex
heraus – er lief seinem Opfer nicht hinterher, sondern nutzte eine
körperlich sich bietende Möglichkeit.
Eben. In der Ambivalenz kam hier besonders der sexuelle Aspekt zum
Vorschein.
Eine Studie sagt, im Frühjahr und Sommer wird mehr gebissen als in Herbst
und Winter. Ist das erklärlich?
Ich habe wirklich keine Ahnung.
Und weshalb, da wir nun ja über Männer und ihr Agieren immer nur sprechen,
ist das Beißen wie das Kreischen meist eine Domäne der Mädchen und Frauen?
Weil diese, durch kulturelle Prägungen, nicht anders dürfen. Frauen
schlagen nicht zu – sie beißen. Jungs und Männer lernen beziehungsweise
haben die Codes verinnerlicht, dass man Aggressionen austrägt ohne Beißen.
25 Jun 2014
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Luis Suárez
Psychoanalyse
Luis Suárez
WM 2014
WM 2014
Andrea Pirlo
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