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# taz.de -- Wissenschaft: Bologna macht krank
> Immer mehr Studierende kommen in die Psychosoziale Beratung des Bremer
> Studentenwerks. Grund sei das Bachelor-Master-System, sagt der
> Geschäftsführer.
Bild: Lecker? Belastend!
BREMEN taz | Bei der Psychologisch-Therapeutische Beratungsstelle in Bremen
suchen immer mehr Studierende Hilfe – doppelt so viele, wie noch vor zehn
Jahren. Woran liegt das? Heinz Ludwig Mohrmann sieht eine eindeutige
Ursache. Er ist Geschäftsführer des Bremer Studentenwerks, zu der die
Beratungsstelle an der Uni gehört, und sagt: Es liege an der Umstellung auf
das Bachelor-Master-Systems und der damit „gestiegenen Belastung innerhalb
des Studiums“.
Noch im Juni hatte der Senat der CDU in einer Bilanz zum Bologna-Prozess
die häufigeren psychologischen Beratungen mit Verweis auf die gestiegene
Gesamtzahl der Studierenden relativiert – konnte aber nicht sagen, ob diese
ihre Studiensituation „als zunehmend belastend“ empfänden, angeblich wegen
der Schweigepflicht der BeraterInnen. Vor dem Wissenschafts-Ausschuss
konnte Mohrmann am Dienstag den Abgeordneten nun detailliert berichten: Die
Studierenden würde zunehmend die Frage quälen, wie sie ihr Studium
überhaupt noch organisieren können.
Seit im Jahr 2000 die Umstellung auf das Bachelor-Mastersystem begann
hätten sich die jährlichen Beratungszahlen verdoppelt – während die Zahl an
Studierenden nur um 16 Prozent zugenommen habe. Die Zentrale der
Psychologischen Therapeutischen Beratungsstelle liegt auf dem Campus der
Uni Bremen, daneben werden an der Hochschule Bremen und Bremerhaven
örtliche Sprechstunden angeboten. Auch im Internet können Studierende ihre
Probleme loswerden und mit Beratern chatten. Insgesamt kümmern sich dort
sieben Beschäftigte um die Studierenden.
2013 wurden erstmals über 1.000 Studierende in über einzelnen 3.000
Sitzungen beraten, wobei sich deren Probleme geändert hätten: Immer mehr
Studierenden litten unter depressiven Verstimmungen. Dies sei 2008 als
Problem aufgetaucht. „Zu diesem Zeitpunkt hat die Umstellung von alten
Diplom-Studiengängen auf Bachelor und Master-Studiengänge richtig an
Dynamik gewonnen“, sagt Mohrmann der taz. Seit 2010 wurde die depressive
Verstimmung die häufigste Beratungsursache, vor Problemen mit dem
Arbeitsmanagement oder Zeitmanagement, das 2005 noch am häufigsten war und
auch vor Schwierigkeiten beim Studienabschluss, womit die Studierenden 2008
am häufigsten in die Beratung kamen.
Schuld sind laut Mohrmann „weniger die Inhalte, sondern die Art und Weise“,
in der sich das Studium geändert habe: Der Druck steige dadurch, dass
Studierende „alle Leistungen punktgenau erbringen müssen“. Weil 60 Prozent
der Studierenden arbeiten müssten, verlängere sich das Studium. Sorge mache
den Studierenden besonders, nach Bachelor-Abschluss einen Platz für das
Masterstudium zu finden, weil es „kein offenes Mastersystem“ gebe. „Für
einen Master-Studienplatz braucht man bestimmte Noten“, so Mohrmann.
Was Mohrmann berichtet, entspricht dem, was Studierenden-VertreterInnen und
auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an der
Bologna-Umstellung kritisieren: Der Übergang vom Bachelor- zum
Masterstudium gleiche „einem Lotteriespiel“, sagt etwa die GEW. Das
Lehrpersonal sei mit bürokratischen Aufgaben überlastet und dadurch die
notwendige intensivere Betreuung der Studierenden unmöglich.
Dass Studentenwerks-Geschäftsführer Mohrmann dieser Kritik Futter gibt und
der Analyse des Bildungsressorts widersprach, nahm Wissenschafts-Staatsrat
Kück nicht zum Anlass einer näheren Einlassung. Vielmehr schlägt er vor,
sich in einer weiteren „Welle“ die Prüfungsordnungen der Studiengänge
„vorzunehmen“, also nachzubessern. Bremen habe relativ früh auf das
Bachelor-Master-System umgestellt, dabei sei zum Teil einfach die
Prüfungsordnung der ehemaligen Diplom-Studiengänge übernommen worden – was
offenbar zu Problemen führte.
Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter wiederum stimmt dem
Studentenwerks-Geschäftsführer Mohrmann darin zu, was die Probleme beim
Übergang ins Masterstudium angingen: „Eine Unsicherheit ist tatsächlich
vorhanden“, so Scholz-Reiter. Hier arbeite die Kulturminister-Konferenz an
Lösungen. Mit der Linken-Abgeordneten Claudia Bernhard war er sich einig in
einem Kritikpunkt: Es sei „ein Problem, wenn man für eigenes Denken keine
Credits mehr bekommt“.
„Das Gefühl allein zu sein, ist stärker geworden“, sagt Josef Stockemer,
Rektor der Hochschule Bremerhaven. „Beratung und Begleitung ist das A und
O“. Für HFK-Rektor Herbert Grüner habe sich auch die Zielgruppe geändert,
immer mehr „sehr, sehr junge Studierende“ kämen an die Hochschule, die mit
17 Jahren ihr Abitur gemacht hätten und „noch gar keine ausgereiften
Persönlichkeiten“ seien. Die Hochschulen müssten sich stärker auf diese
jungen Studienanfänger einstellen.
23 Jul 2014
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Bologna-Reform
Wissenschaft
Hochschule
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