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# taz.de -- Badeunfälle an der Ostsee: Die Rettungsschwimmer vom Südstrand
> In der Ostsee sind in den vergangenen Wochen mehrere Menschen ertrunken.
> Häufig werden aber auch die von der DLRG verhängten Badeverbote nicht
> ernst genug genommen.
Bild: Alles unter Kontrolle: Die Rettungsschwimmer auf Fehmarn lassen die Badeg…
FEHMARN taz | Die Temperaturen erinnern beinahe an das Mittelmeer: Die Luft
hat angenehme 26 Grad, das Wasser immerhin 23 Grad. Doch die Badefreude an
der Ostsee ist in diesen Tagen getrübt. In den vergangenen zwei Wochen
hatte es bundesweit etliche tödliche Badeunfälle gegeben. Wegen der
Windlage und einer ungewöhnlich starken Strömung waren vor allem die
Strände der Ostsee betroffen.
Nach mehreren tödlichen Badeunfällen hatte auch die Polizei Urlauber vor
den Gefahren beim Schwimmen in der Ostsee gewarnt. Dass Badegäste durch
diese Vorfälle verunsichert sind, zeigt sich auch an der Hauptstation der
DLRG am Südstrand auf Fehmarn. „Sagen Sie, wie ist es hier? Kann ich in der
Ostsee schwimmen“, fragt ein älterer Mann den Leiter der DLRG-Wache,
Matthias Jenke. „Im Moment ist alles sicher“, erwidert der 44-jährige
Orthopädietechniker aus Dülmen.
Jenke ist seit 17 Jahren in der Sommersaison bei den Rettungsschwimmern auf
Fehmarn tätig. Seit mehrere Menschen in der Ostsee ertrunken sind, muss er
Fragen wie diese häufig beantworten.
Besonders gefährlich war das Schwimmen in der Lübecker Bucht. Grund dafür
ist eine bestimmte Wetterkonstellation: Bei einem stabilen Hochdruckgebiet
über Skandinavien erreicht ein starker Nord-Ost-Wind die Ostseeküste, der
das Wasser in die Bucht drückt. Die Strömung entsteht dadurch, dass durch
den Rückfluss eine Unterwasserströmung entsteht, die einen vom Strand weg
ins freie Meer ziehen kann.
Im Juli kommt es zu den meisten Badeunfällen. Im vergangenen Jahr ertranken
bundesweit 125 Menschen allein in diesem Monat. Im Vergleich dazu starben
im Juni 69 und im August 68 Menschen im Wasser. Mehr als die Hälfte der
insgesamt 446 im Wasser verunglückten Menschen ertranken in den drei
Sommermonaten. Besonders gefährdet sind ältere Menschen: Über die Hälfte
der ertrunkenen Badegäste an den Stränden waren über 50 Jahre alt.
DLRG-Mann Jenke vermutet, dass viele Strandbesucher nicht auf die Flaggen
achten oder die von der DLRG verhängten Badeverbote einfach ignorieren. Er
vergleicht unvorsichtige Badegäste mit dem Autofahren: Es sei so, als ob
man mit einer Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern auf der Autobahn
fährt, ohne sich anzuschnallen.
Besonders wenn Kinder mit dabei sind, sei sowas doch unverantwortlich,
ärgert sich Jenke. Oft überschätzten Schwimmer aber auch ihre
Leistungsfähigkeit oder bedenken nicht, dass sie gesundheitliche Probleme
haben, sagt Heinz Lange. Auch er ist auf Fehmarn als Rettungsschwimmer im
Einsatz. Mit seinen 74 Jahren ist er sogar der erfahrenste von allen – und
immer gut erkennbar an dem Elbsegler, den er bei Wind und Wetter auf dem
Kopf trägt.
Um Badegäste zu sensibilisieren, informiert Lange mehrmals im Jahr auch die
Strandbesucher. Denn zu den Aufgaben der DLRG zählt nicht nur die
Überwachung der Strandabschnitte.
Es kommt vor, dass Strandbesucher trotz des Wellengangs und bei roter
Flagge ins Wasser gehen und erwarten, dass die Rettungsschwimmer, wenn
nötig, schon helfen, erklärt Rettungsschwimmer Jenke. „Doch jeder ist
selber für sich verantwortlich“, stellt Jenke klar. Es sei wie bei der
Feuerwehr: „Wir retten zwar, aber jeder muss auch seinen gesunden
Menschenverstand einschalten.“ Denn auch die Rettungsschwimmer müssten für
sich abwägen, ob sie selbst bereit sind, das Risiko einzugehen.
Jenke hält es für bemerkenswert, dass immer mehr Kinder und Jugendliche
nicht richtig schwimmen können. Er sieht das Problem in der zunehmenden
Schließungen von kleinen Freibädern. Dadurch seien aber auch die
DLRG-Ortsgruppen gefährdet. „Zu uns kommen Grundschulen, bei denen zwei
Drittel der Schüler nicht schwimmen können“, sagt er. Für Schwimmkurse muss
man fast ein Jahr Wartezeit einplanen. Und wegen mangelnder Vorerfahrung
reiche ein Kurs allein oft nicht aus. Das jeder Strandbesucher schwimmen
kann, sei längst nicht mehr normal. Die Zahlen der Nichtschwimmer würden
steigen.
Auch Rettungsschwimmer Lange hat den Eindruck, dass der Schwimmunterricht
heute nicht mehr so wichtig ist. Auch wegen der mangelnden finanziellen
Mittel, so gebe es auf Fehmarn etwa keinen Schwimmverein mehr. Die einzige
Möglichkeit, schwimmen zu lernen, ist die DLRG. „Für die Prüfungen müssen
wir dann extra nach Lübeck fahren, da die hiesige Schwimmhalle nicht über
eine ausreichende Wassertiefe und Sprungtürme verfügt“, sagt Lange.
Eigentlich liegt der Aufgabenbereich der DLRG aber woanders. In erster
Linie versorgen die Rettungsschwimmer Badegäste mit Pflastern oder helfen
Eltern, verloren gegangene Kindern zu finden. Dennoch ist es wichtig, die
Aufmerksamkeit für Badeunfälle über den Tag hoch zu halten, damit im Falle
eines Falles schnell reagiert werden kann. Deswegen werden täglich mehrere
Probealarme ausgeführt. „Innerhalb von 90 Sekunden muss ein in Not
geratener Mensch erreicht werden, das ist unserer Anspruch, für den wir
regelmäßig trainieren“, sagt Rettungsschwimmer Lange.
Damit die Belastung auf möglichste viele Helfer verteilt wird, arbeitet der
DLRG im Schichtsystem. Die Mannschaft von Matthias Jenke ist für drei
Wochen in diesem Bereich eingesetzt. Ob Wachleiter, Bootsführer oder
Rettungsschwimmer – alle arbeiten ehrenamtlich und bekommen lediglich 7,50
Euro Verpflegungsgeld pro Tag. Dafür verbringen viele die Hälfte ihrer
Sommerferien mit dem Bewachen des 2.500 Meter langen Strandes.
Am heutigen Tag kann Wachleiter Jenke ein Fazit ziehen, das ihm nach den
Vorfällen der letzten Wochen am liebsten ist: „Heute ist nichts passiert,
von ein paar Pflastern abgesehen.“ So sollte es immer sein.
27 Jul 2014
## AUTOREN
Jan Stau
## TAGS
Geflüchtete
Baden
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