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# taz.de -- Warschauer Aufstand: „Beschämt verneigen wir uns“
> Die Gemeinde Sylt bekennt sich dazu, dass ihr Ex-Bürgermeister Heinz
> Reinefarth mitverantwortlich war für die Ermordung von über 150.000
> Menschen.
Bild: Heinz Reinefarth (links) während des Warschauer Aufstandes.
HAMBURG taz | Mit seinen spitzen Türmen, dem langen Baukörper und dem
angebauten Kursaal sieht das Sylter Rathaus aus wie ein Bahnhof. Links das
Gleisbett, rechts der Wartesaal. Tatsächlich waren die Sylter gut darin,
abzuwarten. Zumindest, was den Umgang mit der SS-Vergangenheit ihres
ehemaligen Bürgermeisters Heinz Reinefarth betrifft, der von 1951 bis 1963
im Amt war.
Reinefarth war 1944 als Generalmajor der SS daran beteiligt, den Aufstand
polnischer Widerstandkämpfer in Warschau niederzuschlagen. Zum 70.
Jahrestag des Aufstandes wird am 31. Juli eine Tafel vor dem Rathaus in
Westerland eingeweiht, auf der zu lesen steht, worüber die Sylter nicht
länger schweigen wollen: Die Nazis ermordeten über 150.000 Menschen in 63
Tagen. Westerlands Ex-Bürgermeister Heinz Reinefarth „war als Kommandeur
einer Kampftruppe mitverantwortlich für dieses Verbrechen“, steht auf der
Tafel. „Beschämt verneigen wir uns vor den Opfern und hoffen auf
Versöhnung.“
Die Tafel und ihr Wortlaut waren auf Sylt umstritten, aber zuletzt konnte
sich eine Gruppe um Pastor Christoph Bornemann durchsetzen mit der
Variante, die Tafel prominent zu platzieren und die Person Reinefarth beim
Namen zu nennen. Angestoßen wurde die Aufarbeitung übrigens nicht durch die
Sylter, sondern durch den Brief eines polnischen Historikers.
Nun war Reinefarth, der allein am 5. August im Stadtteil Wola 10.000
Menschen hinrichten ließ, nicht nur Bürgermeister von Westerland, sondern
von 1958 bis 1962 auch Mitglied des schleswig-holsteinischen Landtags. Der
Landtag nahm das Anfang Juli 2014 zum Anlass, eine Resolution zu
formulieren, in der er „zutiefst bedauert, dass es nach 1945 in
Schleswig-Holstein möglich werden konnte, dass ein Kriegsverbrecher
Landtagsabgeordneter wird“. Der Landtag „bittet die Opfer der Untaten um
Verzeihung“. Die Resolution wurde einstimmig verabschiedet.
Mit der Sylter Gedenktafel und der Resolution des Landtags zeigen
Schleswig-Holsteins Politiker, dass sie den Status eines „braunen
Naturschutzgebiets“ (Die Zeit) für ihr Bundesland gerne loswerden wollen.
Es sei bekannt, dass sich 1945 [1][„besonders viele Schwerbelastete, hohe
und höchste Funktionsträger des NS-Apparates in den hohen Norden
zurückzogen“], sagte der Schweizer Historiker Philipp Marti der Sylter
Rundschau. Viele dieser Funktionäre entlasteten sich gegenseitig: Gegen
Reinefarth gab es mehrere Ermittlungsverfahren, die alle im Sande
verliefen.
Erst nachdem ein Filmteam der DDR den Fall 1957 in einer Mischung aus
Dokumentar- und Propagandafilm aufrollte, verlor Reinefahrt nach und nach
sein Standing. 1963 trat er als Bürgermeister zurück. „Er wirkte sehr
unauffällig“, sagte Eberhard Eberle von der Sylter SPD dem NDR. „Er hat
nach außen immer den biederen Bürger gegeben.“
30 Jul 2014
## LINKS
[1] http://www.shz.de/lokales/sylter-rundschau/der-einzige-ss-general-im-landta…
## AUTOREN
Klaus Irler
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