# taz.de -- Berlin und Olympia: Die Wiederkehr der Judith Demba | |
> Für das Scheitern der Berliner Bewerbung um die Olympischen Spiele 2000 | |
> hat Judith Demba eine entscheidende Rolle gespielt. Nun steht sie beim | |
> erneuerten NOlympia-Bündnis wieder ganz vorn. | |
Bild: Olympia in Berlin? Nicht zu stemmen, meinen GegnerInnen. | |
Frau Demba, wie war das damals mit dem Vermummten beim Anti-Olympia-Video | |
1992? Frau Demba, können Sie die neuerliche Anwendung von Gewalt | |
ausschließen? Frau Demba, sind Sie nun rechtskräftig verurteilt oder nicht? | |
Judith Demba, 57, schwarzes T-Shirt, grüne Hose, lächelt die lästigen | |
Fragen der Journalisten freundlich weg. Sie ist Medienprofi und nicht so | |
einfach aus der Ruhe zu bringen. Also sagt sie: „Die Gewalt geht eher vom | |
IOC und seinen Verträgen aus. Nein, ich bin nicht verurteilt. Die Übergabe | |
des Videos war eine tolle Sache.“ Dennoch wird in einer Boulevardzeitung am | |
nächsten Tag stehen: „Das Comeback der Olympia-Hasserin“. | |
Judith Demba ist wieder da. Das Gesicht der „NOlympia“-Bewegung aus den | |
neunziger Jahren mischt wieder mit gegen eine neuerliche Bewerbung Berlins | |
um die Spiele 2024 oder 2028. Auf einer ersten Kundgebung des | |
Anti-Olympia-Bündnisses vor dem Roten Rathaus vor zwei Wochen hat sie | |
gesagt: „Berlin braucht vieles, nur keine Olympischen Spiele.“ Wird es | |
Judith Demba also erneut schaffen, eine Mehrheit der Berlinerinnen und | |
Berliner gegen das Olympia-Vorhaben aufzubringen? | |
Einige Tage nach der Kundgebung sitzt Demba in einem Café in Kreuzberg. Am | |
Abend davor haben die Vertreter des Bündnisses über neue Aktionen beraten. | |
„Vor der Abgabe des Fragebogens durch den Senat soll es am 29. August eine | |
große Menschenkette mit Tansparenten am Olympiastadion geben“, sagt Demba. | |
„Das ist aber noch nicht spruchreif.“ Das Bündnis, betont sie, sei sehr | |
basisdemokratisch aufgestellt, da dauere es mit den Entscheidungen eben | |
etwas. Nach NOlympia 2.0 und einer Onlinemobilisierung per Twitter und | |
Facebook hört sich das nicht an. Das neuerliche antiolympische Erwachen, | |
dafür steht auch Judith Demba, ist der zweite Frühling der Kämpfer von | |
damals. | |
Wer aber soll die 18- bis 29-Jährigen erreichen? Jene sportbegeisterten | |
jungen Berlinerinnen und Berliner, die laut einer Umfrage von Forsa zu drei | |
Vierteln für die Spiele in Berlin sind? Die sich nach dem Weltmeistertitel | |
von Klose und Co. auf die nächsten Public-Viewing Ereignisse freuen? | |
## Website in Vobereitung | |
Judith Demba weiß um das Problem – und hat eine einfache Erklärung parat. | |
„Das ist die Spaßgeneration, die noch zu Hause wohnt und noch keine | |
Mietsteigerungen erfahren hat.“ Dennoch hat sich das Bündnis vorbereitet. | |
„Eine Facebook-Seite haben wir schon, eine Website ist in Vorbereitung.“ | |
Und vielleicht gibt es ja auch wieder Briefe und Videos. Denn der Adressat | |
des Protestes, betont Demba, sei zunächst nicht das Internationale | |
Olympische Komitee (IOC) wie bei der vergangenen Bewerbung, sondern der | |
Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). „Unser Ziel ist es, dass die | |
Mitgliederversammlung des DOSB beschließt, dass sich weder Berlin noch | |
Hamburg für die Spiele bewerben.“ | |
Diese Mitgliederversammlung findet am 6. Dezember statt. | |
Abstimmungsberechtigt sind über 500 Personen, darunter Vertreter aller 16 | |
Landessportbünde sowie der olympischen und nichtolympischen Sportverbände | |
und Einzelpersonen. | |
Der Wettlauf um die Stimmen der Entscheider hat also begonnen. So wie 1992, | |
als die Grüne Abgeordnete Demba und der PDS-Abgeordnete Harald Wolf in | |
Lausanne eingetroffen waren – und der offiziellen Berliner Olympia GmbH die | |
Show gestohlen hatten. „Das war ganz lustig“, erinnert sich Harald Wolf | |
noch heute. „Als wir beim Pförtner sagten, wir seien aus Berlin, sind wir | |
problemlos in das IOC-Gebäude reingekommen. Drinnen teilten wir dann mit, | |
wir wollten Bewerbungsunterlagen übergeben.“ | |
Doch Wolf und Demba hatten keine Bewerbungsunterlagen dabei, sondern ein | |
Anti-Olympia-Video, in dem dem IOC unmissverständlich gedroht wurde. Am | |
Ende des Films war ein Vermummter mit einem Pflasterstein zu sehen, | |
untertitelt mit den Worten „We will wait for you“. Wolf sagt, die Aktion in | |
Lausanne habe ihren Teil dazu beigetragen, dass Berlin so kläglich | |
gescheitert sei. Bei der entscheidenden IOC-Sitzung am 23. September 1993 | |
in Monte Carlo hatte Berlin gerade mal 9 Stimmen bekommen und war in der | |
zweiten Runde ausgeschieden. Die Sommerspiele 2000 gingen an Sydney. | |
Heute ist Judith Demba nicht mehr bei den Grünen, sondern in der Partei Die | |
Linke. Sie hat als Mitarbeiterin des grünen Europaabgeordneten Tobias | |
Pflüger EU-Erfahrungen gesammelt, war in der Linken-Fraktion in | |
Nordrhein-Westfalen bis zum Ausscheiden bei den Wahlen 2012 | |
parlamentarische Geschäftsführerin. Seitdem ist sie wieder in Berlin. Seit | |
einiger Zeit arbeitet Demba als Geschäftsführerin der Naturfreunde. „Ich | |
glaube, dass zu einer Umweltschutzorganisation neben dem Schutz der Umwelt | |
auch Antirassismus und der Kampf gegen steigende Mieten gehört“, sagt | |
Demba. | |
Wie die Grüne Liga sind die Naturfreunde Mitglied des NOlympia-Bündnisses. | |
Der Bund für Naturschutz in Deutschland (BUND) dagegen steht nun auf der | |
anderen Seite der Barrikade und will die Möglichkeiten ausloten, | |
ökologische und nachhaltige Spiele nach Berlin zu holen. | |
Judith Demba hält das für naiv. „Das IOC ist nicht reformierbar“, betont | |
sie und nennt den Host City Contract, jenen Vertrag, mit dem sich die | |
Herren der Ringe noch in jeder Olympiastadt die Gewinne gesichert haben, | |
während die Bewerberstädte und die gastgebenden Länder auf den nicht selten | |
galoppierenden Kosten sitzen blieben. Dennoch will die Aktivistin über die | |
Grünen und den BUND nicht den Stab brechen. „Der Nachhaltigkeitsgedanke ist | |
ja richtig. Man muss nur fragen, ob die Debatte nicht deshalb geführt wird, | |
um die Akzeptanz der Spiele zu erhöhen.“ Wenn sich herausstelle, dass es | |
keine grünen Spiele geben könne, meint Demba, „werden vielleicht auch die | |
Grünen gegen Olympia mobilisieren.“ | |
## Notfalls Volksentscheid | |
Denn das ist die zweite Hoffnung der Olympiagegner. Wenn es nicht gelingt, | |
den DOSB vom Nein zu überzeugen, muss es eben, wie bei der Münchner | |
Bewerbung für die Winterspiele 2022, ein Volksentscheid richten. Dass die | |
Zeit für die Olympiabefürworter arbeitet, glaubt sie nicht. „Die | |
tatsächliche Bewerbung muss beim IOC erst 2015 eintreffen“, weiß Demba. Bis | |
dahin gibt es noch reichlich Mobilisierungsgelegenheiten. „Vor allem aber | |
wird es dann neben den sportlichen Aspekten auch darum gehen, welche | |
negativen Auswirkungen Olympia auf die Stadt hat. In London etwa sind die | |
Kosten von ursprünglich 2,5 Milliarden Euro auf fast das Zehnfache | |
gestiegen“, sagt sie. | |
Bei der Kundgebung vor dem Roten Rathaus hat Berlins wieder auferstandenes | |
Anti-Olympia-Bündnis bereits eine Kostprobe gegeben. „Breitensport statt | |
Olympia“ stand auf den Transparenten oder „Bildung statt Olympia“. Dass | |
Parolen wie diese auf viele junge BerlinerInnen etwas altbacken wirken | |
können, weiß auch Demba. „Wir haben jetzt einfach mal die Initiative | |
ergriffen“, sagt sie über ihr Bündnis. „Wenn das dann die Jungen | |
übernehmen, übergebe ich gern den Staffelstab.“ | |
25 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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