| # taz.de -- Schlöndorffs „Diplomatie“ im Kino: Alleingang nach Europa | |
| > Volker Schlöndorffs „Diplomatie“ ist die Verfilmung eines Theaterstücks. | |
| > Er nimmt die Endphase der deutschen Besetzung von Paris in den Blick. | |
| Bild: Die Kunst des hartnäckigen Verhandelns: Szene aus „Diplomatie“. | |
| Paris wäre im August 1944 beim Abzug der deutschen Besatzer gesprengt, | |
| überflutet, in einem beispiellosen Inferno zerstört worden, hätten nicht am | |
| Ende die Vernunft und das Verhandlungsgeschick zweier Männer Hitlers Befehl | |
| außer Kraft gesetzt. Diese steile These hat der französische Autor Cyril | |
| Gély in ein erfolgreiches Bühnenstück gefasst, das die Vorlage für Volker | |
| Schlöndorffs Film „Diplomatie“ bildet. | |
| Die Ereignisse vor der Befreiung von Paris sind darin auf ein klassisches | |
| Drama, ein Rededuell zwischen zwei Helden auf Augenhöhe, zugespitzt. Es | |
| geht um die entscheidende Nacht in der Hotelsuite des deutschen | |
| Stadtkommandanten Dietrich von Cholditz im Hotel Le Meurice, in der er sich | |
| inmitten der Hektik von militärischen Anordnungen zur Abzugsvorbereitung | |
| auf einen Disput mit dem schwedischen Gesandten Raoul Nordling einlässt. | |
| Niels Arestrup als General von Cholditz und André Dussolier als sein | |
| Gegenspieler verkörperten die beiden zu allem entschlossenen Männer viele | |
| Monate auf französischen Bühnen. Ihre Präsenz, ihre Wachheit und | |
| Geschmeidigkeit sind es, die Schlöndorffs Kammerspiel auszeichnen. | |
| Der Film verdichtet das Geschehen so zu einer Parabel auf die Kunst | |
| hartnäckigen diplomatischen Ringens, obwohl die historischen Fakten | |
| nahelegen, dass von Cholditz’ Befehlsverweigerung sich in einem längeren | |
| Prozess anbahnte, in dem er nicht nur den schwedischen Paris-Liebhaber, | |
| sondern auch andere Repräsentanten der Gegenseite verdeckt kontaktierte. | |
| ## Deutsches Verantwortungsgefühl | |
| Während der massige General um vier Uhr morgens in die Uniform fährt, um | |
| die Befehle zur Sprengung an die Wehrmachtskommandos weiterzuleiten, die an | |
| den Brücken der Stadt, in der Kirche Notre-Dame und an anderen Orten | |
| stationiert sind, taucht Raoul Nordling wie ein Schatten in der Hotelsuite | |
| auf, eine Geheimtür der Résistance nutzend, wie sich später herausstellt. | |
| Die Männer kennen sich, sie schätzen einander, man raucht Zigarren und | |
| trinkt Cognac. Der Schwede setzt alles daran, die Konsequenzen der | |
| Sprengung bildhaft zu schildern, und appelliert an das Verantwortungsgefühl | |
| des Deutschen. | |
| Was ist das Verhandlungsgut, das einen im blutigen Krieg abgestumpften | |
| Haudegen vom Zerstörungsfuror abbringen könnte? Der General ist von einem | |
| Schlag, der die eigene Familie über den Soldatenschwur stellt. Sein | |
| Dilemma: Hitler würde seine Familie auslöschen, wenn er die Befehle aus | |
| Berlin ignoriert. Nordling steigert sich in ein Pokerspiel und macht | |
| waghalsige, aber wirkungsmächtige Versprechungen, die beiden Seiten | |
| nutzten. | |
| Von Cholditz’ Alleingang sei der erste Schritt zur deutsch-französischen | |
| Versöhnung gewesen, betonte der französische Präsident Charles de Gaulle | |
| nach dem Krieg. | |
| 27 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudia Lenssen | |
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