# taz.de -- Moscheen laden zum Besuch: Tag der offenen Rechtfertigung | |
> Schon seit Jahren sage er am 3. Oktober dieselben Sätze, klagt der | |
> Vorsitzende der Sehitlik-Moschee. Auch der Freitag machte da keine | |
> Ausnahme. | |
Bild: In der Sehitlik-Moschee. | |
Während Ender Cetin über sein Gebetshaus spricht, sind drei Fernsehkameras | |
auf ihn gerichtet. Im Hof der Sehitlik-Moschee in Neukölln, deren | |
Vorsitzender er ist, ist das Presseaufgebot am Tag der offenen Moschee am | |
Freitag riesig. Fast ein Drittel der Gruppe, die Cetin an diesem | |
Freitagmorgen durch das Gebäude führt, sind Journalisten. IS-Terror, | |
antisemitische Sprechchöre bei Gaza-Demonstrationen – das öffentliche | |
Interesse am Islam ist immens. | |
Zum einen freut das die Gemeindemitglieder, zum anderen wissen sie: Wenn | |
die Medien kommen, müssen sie sich meistens rechtfertigen. „Seit dem 11. | |
September fragt man mich immer wieder das Gleiche“, sagt Cetin und gesteht: | |
„Allmählich verliert man dabei die Motivation, weiterzumachen.“ Der | |
38-Jährige spürt, dass die Mehrheit der Gesellschaft trotz der Arbeit | |
muslimischer Gemeinden starke Vorbehalte gegen den Islam hat. | |
Und so müssen Cetin und die Gemeindemitglieder auch am diesjährigen Tag der | |
offenen Moschee die immergleichen Fragen beantworten: warum sich junge | |
Muslime radikalisieren, ob der Islam denn zu Deutschland gehöre und | |
inwiefern Hass-Sprechchöre die gemachten Schritte zunichtegemacht hätten. | |
Muslime in Deutschland finden aber, dass sie auch fernab der | |
Sicherheitsdebatte etwas beizutragen haben. Das Thema des diesjährigen | |
Tages der offenen Moschee lautet dementsprechend: soziale Verantwortung. | |
Auch Betül Ulusoy ärgert es, dass die negativen Meldungen die öffentliche | |
Wahrnehmung des Islams bestimmen. Die 25-Jährige ist ein Beispiel dafür, | |
wie junge Muslime versuchen, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Sie | |
engagiert für das Projekt „Juma“ – „jung, muslimisch, aktiv“. Darin … | |
Jugendliche nicht nur ihre Identität finden lernen, sondern auch Ideen für | |
die Gesellschaft entwickeln. „Junge Muslime übernehmen beispielsweise | |
Patenschaften für syrische oder palästinensische Flüchtlinge in Berlin, | |
lernen mit ihnen Deutsch, zeigen ihnen die Stadt“, erzählt Ulusoy. „Gerade | |
weil sie die gleiche Religion haben, fällt es den Jugendlichen leicht, | |
Empathie für die Flüchtlinge zu zeigen.“ | |
Dass sich die Gemeinden auf diese Weise weiterentwickelt hätten und | |
gesellschaftliche Initiative zeigten, käme in der Öffentlichkeit leider | |
nicht an, beklagt Ender Cetin. Es dominieren die bedrohlichen Nachrichten. | |
Die will die Sehitlik-Moschee auch gar nicht nicht leugnen. Betül Ulusoy | |
beispielsweise erzählt erzählt vor dem Eingang zum Gebetshaus von | |
vereinzelten salafistischen Muslimen, die in die Moschee kämen, um | |
Gesprächsrunden aufzumischen. „Wir spüren, dass sich Jugendliche | |
radikalisieren, aber eher im Privaten. In den Moscheen bekommen wir davon | |
wenig mit“, erklärt Cetin. | |
Hin und wieder würden Lehrer anrufen, die Probleme mit den radikalen | |
Orientierungen einzelner Schüler hätten. Um dem entgegenzuwirken, verteilt | |
die Sehitlik-Gemeinde Broschüren und besucht die Schulen. Für die Zukunft | |
wünscht sich Cetin die Finanzierung einer Beratungsstelle. Am 8. Oktober | |
startet zudem eine Vortragsreihe: „Sehitlik-Moschee aktiv gegen | |
Extremismus“. | |
Der Tag der offenen Moschee möchte seit 1997 dem Misstrauen dem Islam | |
gegenüber entgegenwirken. Das bleibt eine mühsame, für die Gemeinden und | |
ihre Mitglieder oft frustrierende Mission. „Wenn die Arbeitskollegen in | |
meinem Konzern wüssten, dass ich jeden Tag im Meetingraum bete, würden sie | |
Angst vor mir bekommen“, sagt ein Gemeindemitglied, das lieber anonym | |
bleiben will. | |
3 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Matthias Bolsinger | |
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