# taz.de -- Sprayer Oz beerdigt: Schwarzer Block trägt Trauer | |
> Auf dem Ohlsdorfer Friedhof wurde am Freitag der Sprayer Oz zu Grabe | |
> getragen. Es gab viele schwarz Gekleidete, Oz-Sticker und bunte | |
> Luftballons. Die Polizei hielt sich zurück. | |
Bild: Trauerzug für den verunglückten Sprayer: Walter F. alias Oz wurde am Fr… | |
Nach mehr als einer Stunde quillt die Menschenmenge aus den Türen des | |
kastigen Klinkerbaus auf dem Ohlsdorfer Friedhof. 250 Sitzplätze gibt es im | |
„Bestattungsforum“. „150 mussten stehen oder auf dem Boden sitzen“, sagt | |
ein Friedhofs-Mitarbeiter. Draußen warten noch mehr Menschen – viele | |
wollten Walter Josef Fischer, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Oz, | |
begleiten. Vor drei Wochen kam der 64-jährige Sprayer bei einem | |
S-Bahn-Unfall ums Leben. Davor hatte er mit seinen Graffiti die Hamburger | |
Stadtlandschaft geprägt – und dafür insgesamt acht Jahre im Gefängnis | |
gesessen, ohne sich je vom Sprayen abbringen zu lassen. | |
Organisiert wurde die Trauerfeier durch die „Kiezhelden“. In wenigen Tagen | |
hatte die Hilfsinitiative des FC St. Pauli mehr als 8.000 Euro an Spenden | |
gesammelt, um die Kosten für die Trauerfeier, Beisetzung sowie für Grab und | |
Grabpflege zu decken. Von der Trauerfeier und der Beisetzung war die | |
Öffentlichkeit ausgeschlossen, Anwalt und Bestattungsforum hatten darum | |
gebeten. | |
„Aus Respekt“, sagt ein Mann in brauner Pauli-Kutte auf die Frage, warum er | |
heute hier ist. „Er hat eine ganz kleine Art des Widerstands gezeigt. Meine | |
Art ist es nicht, aber die Lebenshaltung stimmte überein.“ | |
„Wegen Oz war ich nie alleine“, sagt Jule, eine junge Künstlerin. Warum? | |
Die Smileys seien immer dagewesen. „Schon als Sechsjährige, als Sankt Pauli | |
noch dreckiger war als heute, habe ich immer nach den Smileys gesucht.“ | |
Heute hat sie bunte Nelken mitgebracht. | |
Als sich der Trauerzug vom Bestattungsforum zum Grab aufmacht, leuchten in | |
vielen Händen Blumen, Sonnenblumen sind dabei, auch Rosen. Und | |
Bierflaschen, verziert mit Aufklebern mit dem Kürzel „OZ“. Auf der | |
Reeperbahn und im Schanzenviertel schmückten die Sticker schon seit einigen | |
Wochen die Straßenlaternen und Verkehrsschilder. Über dem Trauerzug fliegen | |
bunte Luftballons. Der Sarg, getragen von Oz’ engsten Freunden, ist eine | |
Farbexplosion: orangene Flecken, grüne Rinnsaale, Smileys. Fast zu schade, | |
um in der Erde zu verschwinden. | |
Ansonsten dominiert das Schwarz – aber nicht, weil die Gäste Trauer tragen. | |
„Trauerkleidung wäre vermutlich nicht im Sinne von Oz gewesen“, hatten die | |
Kiezhelden auf ihrer Internetseite geschrieben. Nein, viele Gäste haben | |
ihre Alltagskleidung an: schwarze Pullover, Kapuzen und Sonnenbrillen. | |
Drei Polizisten laufen am Ende des Zugs mit. Manchmal platzt ein Ballon, | |
mal raucht ein vereinzelter Böller. Sonst bleibt es ruhig auf dem Friedhof. | |
„Wir sind hier, weil die Menschenmenge so groß ist“, sagt ein Polizist. In | |
den vergangenen Tagen waren S-Bahn-Züge mit Lackfarben und Oz-Tags versehen | |
worden. | |
Das Bestattungsforum liegt verlassen da, innen scheint die Sonne durch die | |
hohen Buntglasfenster auf drei großformatige Bilder. Eines sieht aus wie | |
ein psychedelisches Mandala, ein anderes wie ein buntes Gesicht. Die Bilder | |
sind von Oz, der sich auch als Maler betätigt hat. Zu Lebzeiten stand Oz | |
symbolisch für die Kriminalisierung von Straßenkunst. Jemand, der sich – | |
allen Konsequenzen zum Trotz – nie korrumpieren ließ. Jetzt, wo er tot ist, | |
ist es kein langer Weg mehr zur Ikone. „Walter, der Kampf geht weiter“, | |
steht auf einem Plakat im Trauerzug. Auf einem anderen, in bunten Lettern: | |
„Es lebe der Sprühling.“ | |
„Oz ist ein bisschen wie Banksy“, findet Jule, die junge Künstlerin. „F�… | |
den bezahlen jetzt auch Leute schon richtig viel Geld.“ Oz selbst hatte | |
sich sich Zeit seines Lebens immer gegen jede Vermarktung gewehrt. „Seine | |
Werke werden nicht verkauft“, sagt Oz’ Anwalt Andreas Beuth. | |
Auf der Rückfahrt mit der S-Bahn in die Innenstadt, kurz vor der Wandsbeker | |
Chaussee, fliegen Oz’ Smileys vorbei; schiefe Lächeln, hastig gesprüht. | |
Mehr als hunderttausend Smileys, Kringel, Oz-Schriftzüge, aber auch bunte | |
Bilder soll er gesprayt haben. Sie gehören so selbstverständlich zum | |
Hamburger Stadtbild, dass sie einem kaum noch auffielen. Jetzt bemerkt man | |
sie wieder. Die Smileys da draußen sind schon rissig, brüchige Malerei, | |
abgegriffen, wie es altes Graffiti werden kann. | |
In Erinnerung von diesem Tag bleibt aber ein anderes Bild: Als der | |
Trauerzug auf dem Ohlsdorfer Friedhof schon längst vorbei gezogen ist, | |
wehen noch vereinzelte lila, gelbe, grüne Luftballons durch das Herbstlaub. | |
Ein Kind läuft mit seinen Eltern über die Hauptstraße des Friedhofs, zwei | |
Ballons hat es aufgehoben. Über ihm der wechselhafte Herbsthimmel, unter | |
ihm der gepflegte Rasen. Das ist ein bisschen kitschig. Vor allem ist es | |
bunt. | |
17 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Eva Thöne | |
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Beerdigung | |
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