| # taz.de -- Konzert von Kiesza in Berlin: Die Kaiserin und das Laserschwert | |
| > Ooh! Ah! Ooh! Die kanadische Sängerin Kiesza hat ihr Album in Berlin | |
| > vorgestellt. Protokoll eines Abends, bei dem die meisten Grenzen im Kopf | |
| > waren. | |
| Bild: Kiesza. Nicht im Bild: das Laserschwert. | |
| 21.07 Uhr. Der Gretchen Club ist zu klein. Zu klein für die kanadische | |
| Sängerin Kiesza, um deren [1][Song „Hideaway“] man in diesem Sommer nicht | |
| herumkam. 150 Millionen Klicks gab es auf ihrem YouTube-Kanal für [2][das | |
| Video], das in Deutschland gesperrt ist. In über 25 Ländern war die Single | |
| auf Platz 1 der Charts. Wer ist diese Frau, die mit bürgerlichem Namen | |
| Kiesa Rae Ellestad heißt und deren Künstlername Kiesza sich wie „Kaiser“ | |
| spricht? | |
| 21.30 Uhr. Der Drummer schlägt dreimal die Bass-Drum, dann steht er auf und | |
| geht. Buhrufe. | |
| 21.35 Uhr. Das Konzert war für 21 Uhr angekündigt, und das Publikum ist | |
| eines, das Pünktlichkeit schätzt. Die ersten Reihen werden unruhig, wieder | |
| Buhrufe. Was ’n hier los? Haben die alle Mutti-Zettel und müssen um | |
| Mitternacht nach Hause? „Kiesza! Kiesza!“, rufen ein paar Kiesza-Lookalikes | |
| mit weißen Tops und Hosenträgern. Hier und da sieht man Mädchen, die sich | |
| Kieszas typischen Hochsteck-Iro gestylt haben. | |
| Ansonsten: Hip-Hopper, ein paar Hipster, Bärte und Blondierungen, Glitzer | |
| und Extensions. Mädchen mit Leuchtarmbändern, Jungs mit Poloshirts, auf | |
| einem steht „Players Club“. Altersdurchschnitt Anfang zwanzig. Kiesza | |
| selbst ist ja erst 25, das glaubt man kaum, wenn man hört, was sie schon | |
| alles gemacht hat: Sie hat Codes entschlüsselt bei der Royal Canadian Navy, | |
| nahm an den Wahlen zur Miss Universe Canada teil und schrieb Songs für | |
| Rihanna und Kylie Minogue. Heute stellt sie ihr erstes Album vor: „Sound of | |
| a Woman“. Ein Album, das man nicht im Sitzen hören kann. | |
| ## Zum Schnacken ist sie nicht hier | |
| 21.44 Uhr. Eine Perlenpaula sagt zur anderen, Kiesza könne jetzt endlich | |
| mal rauskommen, andere müssten morgen schließlich arbeiten. „Voll die | |
| Diva.“ | |
| 21.46 Uhr. Und dann kommt sie. Die Diva. Die Kaiserin. Und wie. Vielleicht | |
| hat sie die Buhrufe nicht gehört, oder sie dachte, dit ist halt dieses | |
| Berlin. Sie singt „[3][The Love]“, ein Dance-Stück. Es funktioniert, die | |
| Menge tanzt. Kiesza hat zwei hübsche Tänzer dabei in „Bad | |
| NYC“-Muskelshirts, die das ganze Konzert über kaum eine Sekunde stillstehen | |
| werden, dazu den Drummer und einen DJ. Sie schiebt zwei weitere Songs | |
| hinterher– zum Schnacken ist sie nicht hier. | |
| 21.57 Uhr. Alles an Kiesza ist 90er. Der Sound, die Outfits, der Lidstrich. | |
| Doch das einzige Lied, das sie nicht selbst geschrieben hat und das | |
| tatsächlich von 1993 stammt, ist „What is love“ von Haddaway. [4][Ihr Cover | |
| des Eurodancetracks] ist eine Klavierballade, die sie jetzt mit Kraft und | |
| Schmelz singt und sich dabei selbst begleitet. Weil sie zu klein für den | |
| Klavierhocker ist, sitzt sie auf einem Stapel Handtücher. „Baby don’t hurt | |
| me no more“. | |
| 22.07 Uhr. Die nächste Ballade, „Cut Me Loose“ ist wahnsinnig berührend, | |
| nur leider ist das dem Publikum egal. Es plappert und wartet auf die | |
| nächste Dance-Nummer. Eine Lookalike gähnt. Hinterher wischt sich Kiesza | |
| eine Träne aus dem Augenwinkel. Na gut, vielleicht war es auch nur der | |
| Schweiß. „I can see a lot of sexy faces in this crowd!“, ruft sie in die | |
| Menge. | |
| ## Perfekt einstudiert | |
| 22.09 Uhr. Bei [5][„So Deep“], einer R&B-Nummer, stimmt etwas nicht, | |
| Kiesza, was ist los? Die Intonation ist falsch, sie singt schief, merkt es | |
| und fummelt sich am Ohr rum. Besser. „It is so exciting to play the songs | |
| from my album“, sagt sie. Eine Message? Hat sie nicht, braucht sie nicht. | |
| Ihre Message ist die Musik. | |
| 22.14 Uhr. Erste Berührung mit dem Publikum, Abklatschen von links nach | |
| rechts. Sie ist eine 100-Prozent-Entertainerin, hat Ballett, Stepptanz und | |
| Jazz gelernt. Tanzen und Singen sind für sie gleichwertig, jede Bewegung: | |
| perfekt einstudiert. Irgendwie erinnert sie an Madonna, nur dass die ihre | |
| leuchtende Mikrostange bestimmt nicht selbst mit dem Fuß an- und | |
| ausschalten würde. Es sieht aus, als würde Kiesza in ein Laserschwert | |
| singen. Der Bass vibriert in den Knochen, es riecht nach Schweiß. | |
| 22.22 Uhr. Ihr DJ spielt ein Medley aus 90er-Songs. Crystal Waters, Robin | |
| S., Madonna. Und Kiesza geht richtig ab. Sie tanzt, als wäre ihr Körper ein | |
| einziger Muskel. Im Bootcamp der Navy, so sagte sie kürzlich in einem | |
| Interview, hat sie gelernt, an ihre Grenzen zu gehen: „Die meisten Grenzen | |
| sind im Kopf, der Körper kann viel weiter.“ | |
| 22.36 Uhr. Die meisten Songs vom Album sind gespielt. Moment, einer fehlt | |
| aber noch. „Any requests?“, ruft Kiesza ins Mikro. Ja!! Jetzt muss | |
| „Hideaway“ kommen, klar. Als der erste Ton erklingt, rastet der Saal | |
| komplett aus. Es war das Video zum Song, das sie so berühmt gemacht hat. | |
| Eine Kamerafahrt – eine Einstellung, ohne Schnitt –, in der sie durch die | |
| Straßen Brooklyns tanzt. Mal allein, mal mit einem Typen, mal mit anderen | |
| Mädels, der Song ein einziger Sog – man möchte am liebsten mittanzen. | |
| Machen auch alle, hier im Saal. Ooh! Ah! Ah! Ooh! | |
| 22.42 Uhr. Noch ein Song. Und plötzlich: Schluss. Vorne reichen ihr Fans | |
| eine Regenbogenfahne hoch, dann geht auch schon die Musik vom Band los, | |
| keine Zugabe, Licht an. Das ganze Konzert hat exakt eine Stunde gedauert. | |
| 22.55 Uhr. Eine polnische Gruppe ist extra angereist, nun wollen sie ein | |
| Foto und versperren den Weg zum Klo. Kiesza kommt kurz aus dem | |
| Backstagebereich, alle Smartphones gehen hoch. | |
| 23.24 Uhr. Wieder draußen. Zwei Frauen, Desi und Melli, finden nicht | |
| schlimm, dass es keine Zugabe gab. „Es war doch ein derbes Level“, sagt | |
| Desi. Sie hat auf Ebay den doppelten Preis für eine Karte gezahlt. Das | |
| Konzert war lange im Voraus ausverkauft. | |
| Protokoll: Franziska Seyboldt, Emilia Smechowski, Margarete Stokowski | |
| 12 Nov 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://vimeo.com/91508174 | |
| [2] http://www.youtube.com/watch?v=DaNJBepuDy0&list=PLnCuErfOXAUnI4tabZTFFW… | |
| [3] http://www.vevo.com/watch/kiesza/The-Love-(Audio)/USUV71402180 | |
| [4] http://www.mtv.co.uk/kiesza/videos/what-is-love | |
| [5] http://soundcloud.com/kiesza/kiesza-so-deep | |
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