Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Abgewickeltes Hilfsprojekt für Tsunami-Waisen: Verwaiste Beletage
> Das von dem insolventen Reeder Niels Stolberg finanzierte Projekt „Beluga
> School for Life“ wird abgewickelt. Ein Versuch, neue Geldgeber zu finden,
> schlug fehl.
Bild: Spuren der Vergangenheit: Der Schriftzug "Beluga" auf dem Wegweiser zur "…
HAMBURG taz | Die Beluga School for Life, Niels Stolbergs soziales
Vorzeigeprojekt in Südthailand ist gescheitert. Der Bremer Ex-Reeder, hatte
das Hilfsprojekt 2005 nach dem verheerenden Tsunami gegründet. Mehr als 130
Kinder fanden dort ein Zuhause, finanziert aus Spenden und üppigen
Zuwendungen der ehemaligen Beluga-Reederei. Mit deren Pleite versiegte die
größte Geldquelle. Der Versuch, die übrigen Spender bei der Stange zu
halten, ist jetzt fehlgeschlagen.
Unternommen hatte ihn Silke Nagel, ehemals Gefängnisdirektorin in Bremen,
verheiratet mit dem ehemaligen Wirtschaftssenator der Hansestadt, Ralf
Nagel, inzwischen Chef des Deutschen Reederverbandes in Hamburg – eine
exklusive Verbindung in die maritime Wirtschaft zu potenziellen Geldgebern.
Silke Nagel wurde Geschäftsführerin des Schulprojekts und verlegte den
Firmensitz von Bremen an die noble Hamburger Rothenbaumchaussee. Die
Beletage im Gründerzeithaus wurde ihr kostenlos zur Verfügung gestellt, wie
sie stets betonte.
Nagel tilgte das Wort „Beluga“ aus dem Namen und benannte das Projekt 2011
um in „Hanseatic School for Life“, kurz HSfL. Ob es das war, was die
verbliebenen Großspender ärgerte? Oder dass auch der Name Stolberg von der
HSfL-Homepage verschwand? Die beiden Bremer Hauptsponsoren sollen ihre
finanziellen Zuwendungen jedenfalls deutlich gekürzt haben.
Peter Lürßen, geschäftsführender Gesellschafter der Lürssen Werft in
Bremen, hatte die Waisenschule nach eigenen Angaben als Privatperson früher
in größerem Umfang unterstützt. Damit war offensichtlich Schluss.
Beibehalten hat er nur eine Patenschaft.
Marco Fuchs, Vorstand des Bremer Technologiekonzerns OHB, möchte sich nicht
zum Sponsoring in Thailand äußern. Er engagiert sich jetzt, zusammen mit
Niels Stolberg, in der Green Sailing GmbH einem Unternehmen, das
umweltschonende Hightech-Segelschiffe entwickeln will.
Neben den Bremern haben auch drei Hamburger Kaufleute die HSfL unterstützt.
1,5 Millionen Euro Spendengelder hatten die nach Angaben Nagels zugesagt.
Bei dem von ihr errechneten Bedarf von monatlich 47.000 Euro hätte allein
diese Summe zweieinhalb Jahre gereicht, um das Projekt weiterzuführen.
Und hätte Niels Stolberg nicht im Dezember 2009 Spendengelder in Höhe von
500.000 Euro vom Konto der Schule auf eines seiner klammen Reederei
gebucht, wären noch zehn weitere Monate drin gewesen. Das Geld stammte aus
dem RTL-Spendenmarathon.
Die Bremer Staatsanwaltschaft stellte in dieser Sache die Ermittlungen
wegen des Verdachts auf Untreue gegen Stolberg ein. Nicht weil sie von
dessen Unschuld überzeugt ist, sondern weil er wegen anderer Delikte, unter
anderem wegen schweren Betrugs, eine weitaus höhere Strafe zu erwarten hat.
Silke Nagel gab damals ein Gutachten in Auftrag, das zwar die Umbuchung
bestätigte, aber keine Verfehlung feststellen konnte. Jeder Cent kommt an,
trommelt RTL übrigens gerade wieder für seine aktuelle Spendengala. RTL ist
ohne Imageverlust aus der Geschichte gekommen.
Bei Silke Nagels Sponsorensuche lief es nicht so gut. Das neue
Spendenkonzept zog nicht. Der Ratschlag aus ihrem Newsletter, einen Betrag
von 10.800 Euro statt für „das Designer-Möbelstück“ lieber in eine
dreijährige Schulpatenschaft zu investieren, sprach wohl nur wenige
Durchschnittsverdiener an.
Der Anfang vom Ende zeichnete sich schon im Sommer auf der HSfL-Homepage
ab. Dort wurde vom Besuch im Projekt offen abgeraten. „Die Hanseatic School
for Life befindet sich derzeit in einer Umstrukturierungsphase, sodass wir
aktuell keine Besucher beherbergen können“, heißt es dort.
Trotzdem wies der in Thailand neu eingesetzte Manager Christian Buerckel
noch im Juni Gerüchte um den Fortbestand der Schule in einer E-Mail brüsk
zurück: „Von einer Schließung kann nicht die Rede sein.“
Vorerst sollen die thailändischen Behörden den Schulbetrieb übernommen
haben – möglicherweise ohne Wissen Nagels. Denn ihren Angaben zufolge
werden die verbliebenen Kinder auf andere Schulen verteilt. Das sei
verantwortbar, weil „der intensive Ausbau des Bildungssystems die
Versorgung der Schüler gewährleistet“.
Und Silke Nagel? Die ehemalige Gefängnisdirektorin und Ex-Richterin war
zuletzt als Beamtin im Bremischen Staatsdienst tätig. Sie wurde
freigestellt, „zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Entwicklungsarbeit“,
bestätigt der Sprecher des Justizsenators und ergänzt :„Die Bezahlung wird
von der Stelle übernommen, wo die beurlaubte Person eingesetzt ist. Die
Dauer der Beurlaubung ist an die Tätigkeit geknüpft.“
Silke Nagel fungiert jetzt als Liquidatorin der HSfL. Die Frage, ob sie
nach der Abwicklung nach Bremen zurückkehrt, will sie nicht beantworten.
Das betreffe ihre Privatsphäre, zu der sie öffentlich keine Stellung nehmen
wolle.
16 Nov 2014
## AUTOREN
Christina Gerlach
## TAGS
Niels Stolberg
Indonesien
Tsunami
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aufstieg und Fall eines Reeders: Flieg nicht zu hoch, mein kleiner Freund
Niels Stolberg wollte immer mehr sein als der gefeierte Unternehmer: Er
richtete Studiengänge ein und gründete Waisenhäuser. Eine Würdigung.
Wiedervereinigte Familie in Indonesien: Jamaliahs Tsunami-Kinder
Vor zehn Jahren entriss der Tsunami einem Elterpaar Sohn und Tochter. Jetzt
sind die totgeglaubten Kinder zurück. Aber sind sie es wirklich?
Gedenken an den Tsunami vor 10 Jahren: Spürbare Schicksalsgemeinschaft
Vor zehn Jahren starben nach einem Erdbeben rund um den Indischen Ozean
250.000 Menschen. Für viele ist die Erinnerung noch frisch.
Versickerte Spendengelder: Spendenshow im Beluga-Sog
RTL ruft heute wieder zum Spendenmarathon auf. Dabei sind vor drei Jahren
Spendengelder bei der Bremer Beluga-Reederei versickert.
Waisenhaus-Finanzierung: Die Spur der Spenden
Bremens frühere Gefängnisdirektorin Silke Nagel führt die Geschäfte einer
thailändischen Schule für Tsunami-Waisen, die einst der Reeder Niels
Stolberg finanzierte.
Raus aus der Pleite: Beluga-Reederei versucht Neustart
Verbliebene Schiffe sollen ab Montag wieder Ladung transportieren, sagt der
Insolvenzverwalter. Ein Grundstock an Aufträgen sei vorhanden. Der
Hedgefonds Oaktree will das angeblich finanzieren.
KOMMENTAR: ZWEISCHNEIDIGES ENAGEMENT: Folgen eines Abgangs
Niels Stolberg hat durchaus polarisiert - auch, wenn er viel gutes getan
hat. Die Frage ist, ob sein soziales Engagement zur Last wird, wenn es
ausfällt. Denn dass Oaktree auch humanitäre Ambitionen verfolgt ist
unwahrscheinlich.
SCHLUCKEN UND GESCHLUCKT WERDEN: Oaktree will Beluga schlucken
Investmentfonds aus den USA will die Mehrheit an der Bremer Reederei Beluga
Shipping übernehmen. Bei der Beluga-Gruppe kann man dazu "aktuell nichts
sagen".
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.