# taz.de -- Mordprozess: Komplott komplett | |
> Eine junge Pferdewirtin wird in Lübars nach einem perfiden Plan getötet – | |
> aus Habgier. Das steht für die Staatsanwaltschaft nach 20 Monaten | |
> Verhandlung fest. | |
Bild: Mörderische Gegend.. | |
Christin R., 21 Jahre alt, wurde ermordet. Sie liebte den zwei Jahre | |
älteren Robin H. Doch der erkor sie gemeinsam mit seiner Mutter zum Opfer. | |
Davon ist Staatsanwalt Dieter Horstmann nach 20-monatigem Prozess | |
überzeugt. Das Verfahren, das ein für Berlin beispielloses Mordkomplott | |
aufklären soll, wird am Montag, den 24. November, mit den Plädoyers der | |
Nebenkläger fortgesetzt. Im Dezember werden die Urteile gegen fünf | |
Mitwirkende erwartet. | |
Dennoch wird es für die Richter nicht einfach: Die insgesamt fünf | |
Angeklagten beschuldigen sich gegenseitig, es gibt zwei glaubhafte | |
Tatversionen, nahezu hundert Jahre Haft könnten verhängt werden. | |
Staatsanwalt Horstmann hat für vier der Verdächtigen am vergangenen Montag | |
lebenslange Freiheitsstrafen gefordert: „Die Pferdewirtin ist das | |
unschuldige Opfer, das für die finanziellen Interessen der Angeklagten | |
sterben musste.“ | |
Robin H. war 15 Jahre alt, als sein Vater starb. Kurz darauf zog er von | |
Schleswig-Holstein nach Nordrhein-Westfalen, um eine Ausbildung als | |
Pferdewirt zu machen. Er war allein auf sich gestellt und daher glücklich, | |
als er von der wohlhabenden Familie seiner ersten Freundin wie ein Sohn | |
aufgenommen wurde. 2010 endete diese Beziehung zeitgleich mit Robins Dienst | |
bei der Bundeswehr, wo er sich zunächst eine sorglose Zukunft vorgestellt | |
hatte, dann aber beim Einsatzkommando Spezialkräfte auf eine recht raue | |
Truppe gestoßen war. Dem damals 22-Jährigen gelang sein erster Betrug: Er | |
bauschte einen realen Autounfall zum traumatisierenden Erlebnis auf, wurde | |
entlassen, eine Versicherung zahlte ihm 24.000 Euro Abfindung. | |
Seine berufliche Zukunft sah er fortan im Pferdezüchten: Er wollte sie | |
zureiten und verkaufen. Um das Finanzielle sollte sich seine Mutter | |
Cornelia H., eine Versicherungsexpertin, kümmern. Weil Pferdehöfe im | |
Brandenburgischen erschwinglicher sind, entschieden sich die beiden im | |
Frühjahr 2011 für den „Goldnebelhof“, auf dem Christin R. eine Lehre als | |
Pferdewirtin absolvierte und auf dem sie sich dann in Robin H. verliebte. | |
Ohne die Zusage für ein beantragtes Darlehen abzuwarten, legte Robin H. mit | |
den ersten teuren Umbauten los. „Die H.s kamen mir vor wie Kinder, die | |
einen bestimmten Lutscher haben wollen“, berichtete die zuständige | |
Kreditberaterin im Prozess. Nach wenigen Monaten platzte der Traum, der | |
Verkäufer wollte den Hof behalten. | |
Die H.s pachteten einen Hof in Wutzetz und wollten ihn mit einem | |
Versicherungsbetrug finanzieren. Damit hatte Cornelia H. bereits gute | |
Erfahrungen: Erfolgreich hatte sie die Versicherungsprämie für ein | |
Ferienhaus kassiert, für dessen Abfackeln sie nach Ansicht des | |
Staatsanwaltes selbst gesorgt hatte. | |
Diesmal wurde das Leben von Christin R. versichert. Nach ihrem Tod sollte | |
Robin H. 2,4 Millionen Euro kassieren. Die junge Frau war damit | |
einverstanden, denn sie ging davon aus, dass für den neuen Hof ein Kredit | |
aufgenommen werde und ihr Liebster sich ebenfalls zu ihren Gunsten | |
versichere. Sie ahnte nicht, dass sie ab jetzt eine Zielscheibe war. | |
Ostern 2012 fuhr Robin H. von Wutzetz zu einer kilometerweit entfernt | |
liegenden Tankstelle, um sich auf dem videoüberwachten Gelände ein Alibi zu | |
verschaffen, wie der Staatsanwalt glaubt. Unterdessen traf seine arglose | |
Freundin auf dem Hof ein, begab sich ins Wohnzimmer zu ihrer zukünftigen | |
Schwiegermutter, von der sie hinterrücks angegriffen wurde. Tief stach | |
Cornelia H. in den Leib ihres Opfers. Wie durch ein Wunder wurden keine | |
inneren Organe verletzt. Und trotz ihrer Verletzungen überwältigte das | |
Opfer ihre Angreiferin und benachrichtigte Robin H. Der wiederum hoffte | |
noch auf den Erfolg des Anschlags. So spät wie ihm mit Hilfe von | |
Ausflüchten möglich, chauffierte er Christin R. ins Krankenhaus. | |
Gegen die Messerstecherin wurde nur wegen gefährlicher Körperverletzung | |
ermittelt. „Wieder machte sie die Erfahrung, dass die Polizei ihr nicht | |
wehtut“, so der Ankläger. Christin R. zog zwar sofort zurück zu ihren | |
Eltern und mied das Alleinsein mit ihrem Freund, beendete aber die | |
Beziehung nicht. | |
In dieser Zeit bändelte Robin H. mit der Reiterin Tanja L. an. Er | |
beschloss, dass sie sein Opfer vergiften sollte. Sie sollte sich mit | |
Christin R. treffen, sie zu einem von Robins Pferden ausfragen und ihr | |
dabei Kaliumchlorid ins Getränk kippen. Tanja L., die sich Geld und Liebe | |
versprach, tat wie geheißen. Doch das Gift wirkt nur tödlich, wenn es | |
intravenös verabreicht wird. | |
Nun sollte Tanja L. einen Auftragskiller besorgen. Sie wandte sich an ihren | |
Bruder Sven L., der seinen Kumpel Steven McA. dazu bestimmte. Am 20. Juni | |
2012 fuhren Tanja L. und Steven McA. von Dortmund nach Berlin. Auf einem | |
Parkplatz vorm Freibad Lübars wollte Tanja mit dem Opfer auf einen | |
angeblichen Pferdekauf anstoßen und dem Killer seine Tat ermöglichen. Doch | |
die misstrauisch gewordene Christin erschien mit einer Freundin. Jetzt muss | |
Robin H. alle Vorsicht fahren gelassen haben. Wenige Minuten nach Christins | |
Abfahrt bestellte er sein Opfer erneut zum Lübarser Parkplatz – angeblich, | |
um nun zu dritt anzustoßen. Auch Christin wurde unvorsichtig: Sie vertraute | |
auf die Anwesenheit der als sympathisch geschilderten Tanja – und erschien | |
diesmal allein. | |
Ab diesem Punkt existieren zwei glaubwürdige Tatversionen. Tanja L. | |
behauptet, der maskierte Killer sei aus dem Gebüsch gesprungen, habe die | |
junge Frau erdrosselt und ihre Leiche ins Gebüsch gezogen. Der laut | |
Psychiater „aggressiv-gehemmte“ Steven McA. dagegen gibt an, er habe sich | |
dem Druck seines Kumpels Sven L. nicht widersetzen können. Auf dem | |
Parkplatz aber präsentierte er sich nachweislich jedem, der dort zufällig | |
vorbeikam – um als Auftragsmörder verbrannt zu sein. Er habe neben Christin | |
R. gestanden und geglaubt, wenn er nichts unternähme, geschähe ihr nichts. | |
Plötzlich habe der hinter seinem Opfer stehende Robin H. Handschuhe sowie | |
ein Seil aus seiner Tasche gefischt und es um den Hals von Christin R. | |
geschlungen. Diese habe sich an Steven McA. festgehalten, ihn dabei | |
gekratzt. Als Christin R. tot war, habe Robin H. die Leiche weggezogen und | |
sei mit den Worten: „Alles muss man allein machen!“ wiederaufgetaucht. Die | |
Fasern von McA.s fusselnder Hose, so ein Gutachten, könnten bereits während | |
der Autofahrt auf Tanja L. übertragen worden sein. Möglicherweise habe | |
diese die Fasern bei einer Umarmung an Christins Kleidung verteilt. | |
Für den 24-jährigen McA. geht es im Prozess um null oder lebenslange Haft | |
mit besonderer Schwere der Schuld, das ergibt fast 25 Jahre Gefängnis. Die | |
Erklärungen von Cornelia und Robin H. indessen sind kaum geeignet, um eine | |
solche Verurteilung zu umgehen. Für Killervermittler Sven L. geht es nicht | |
um besondere Schuldschwere, da er nach Ansicht des Staatsanwalts „zu weit | |
weg vom Geschehen war“. Einzig Lockvogel Tanja L. soll einen | |
Kronzeugen-Rabatt bekommen. Ohne ihre Aussage hätte die Staatsanwaltschaft | |
kaum die Tragweite der Tragödie erkannt. | |
23 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Uta Eisenhardt | |
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Schmerzensgeld | |
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