# taz.de -- Rassismus: Advent mit unlauteren Mitteln | |
> Das niederländische Sinterklaas-Fest wird seit etlichen Jahren auch in | |
> Potsdam gefeiert – inklusive schwarz geschminkter Narren. Diesmal wurde | |
> dagegen protestiert. | |
Bild: Auch in den Niederlanden wird gegen den "Zwarten Piet“protestiert. | |
Die Rollen sind klar verteilt: Der ältere Mann im Nikolauskostüm steigt auf | |
einen Schimmel, sein schwarz geschminkter Diener hilft ihm, in den Sattel | |
zu kommen. Ringsum stehen etwa 200 Zuschauer auf der Wiese im Potsdamer | |
Lustgarten: Frauen, Männer, viele Kinder, Potsdamer und Touristen. Sie | |
machen Fotos und winken mit kleinen orangefarbenen Papierfähnchen, auf | |
denen „Sinterklaas“ abgebildet ist – die niederländische Version des | |
Nikolaus. | |
Der Empfang am Samstag ist der Auftakt des zweitägigen Potsdamer | |
Sinterklaas-Festes. Eine Woche nach der gleichnamigen Feier in den | |
Niederlanden soll die Figur auch in der brandenburgischen Landeshauptstadt | |
für Adventsstimmung sorgen und Besucher zum Weihnachtsmarkt ins | |
Holländische Viertel locken. Seit 18 Jahren veranstaltet der Förderverein | |
zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam ehrenamtlich das Fest. Der | |
eigens gestrickten Legende nach soll Sinterklaas auf seiner Rückreise von | |
den Niederlanden nach Spanien einen Zwischenstopp an der Havel einlegen. | |
Mitgebracht hat der Mann im roten Mantel außer Geschenken auch eine | |
Blaskapelle und ein Dutzend seiner gut gelaunten Helfer: Die „Zwarten | |
Pieten“ haben schwarz geschminkte Gesichter, schwarze Afroperücken und | |
tragen bunte Narrenkostüme. Sie lachen, albern mit Kindern herum und | |
posieren für Fotos. | |
## „Klar rassistisch“ | |
Mit Sinterklaas ist aber auch die Diskussion aus den Niederlanden | |
angekommen, ob die Zwarten Pieten ein rassistisches Überbleibsel aus der | |
Kolonialzeit sind. In dem Nachbarland gibt es seit Jahren Proteste gegen | |
diese Tradition. Zuletzt erlaubte das höchste Verwaltungsgericht der | |
Niederlande die Umzüge, nachdem die Vorinstanz den Klägern noch Recht | |
gegeben und den Zwarte Piet eine „negative stereotype Figur“ genannt hatte. | |
In Potsdam warten auf die niederländische Schauspielertruppe am Samstag | |
nicht nur Eltern mit ihren Kindern, sondern auch etwa 20 Demonstranten. | |
„Stop Racism now“ und „Zwarte Piet Niet“ steht auf ihren improvisierten | |
Papierschildern. Eine von ihnen ist Marianne Ballé Moudoumbou. Die | |
Potsdamerin engagiert sich im Afrikarat und ist für ihre Arbeit schon mit | |
dem Ehrenamtspreis des Landes Brandenburg ausgezeichnet worden. „Das ist | |
eine klar rassistische Darstellung“, sagt sie, als die Zwarten Pieten an | |
ihr vorbeilaufen. Dass die Organisatoren das Fest in dieser Form | |
durchziehen, sei unverständlich und unnötig. Die Sinterklaas-Helfer könnten | |
schließlich auch anders oder gar nicht geschminkt sein. „Solange sie | |
schwarz angemalt blieben, können schwarze Menschen das nicht ohne Protest | |
hinnehmen.“ Die Kritik sei dem Verein im Vorfeld bekannt gewesen. | |
Deutliche Worte hatte es vor zwei Wochen auch vom Verein Opferperspektive | |
gegeben. „Diese Präsentation ist eine Nachahmung kolonialer Figuren, die | |
schwarze Menschen in entwürdigender, lächerlich machender Art und Weise | |
darstellt“, so Nadja Hitzel-Abdelhamid. Auf einer Pressekonferenz der | |
Organisatoren hatte sie den Veranstalter Hans Göbel direkt angesprochen: | |
„Warum wollen Sie mit einer so gut gemeinten Veranstaltung Menschen | |
verletzen?“ Gebracht hat es offensichtlich nicht viel: Als Geste des guten | |
Willens ließ der Veranstalter einige der Pieten lediglich mit | |
rußgeschwärzten Wangen auftreten statt komplett geschminkt. | |
Auch am Samstag kann Göbel, der mit seinem weißen Rauschebart selbst einen | |
passablen Nikolaus abgeben würde, die Kritik an seinem Sinterklaas-Fest | |
nicht verstehen. Am Nachmittag steht er im Holländischen Viertel zwischen | |
den Marktständen, an denen in Verkäufer in niederländischer Tracht | |
Kunsthandwerk, Glühwein und Käse anbieten. Er versucht sich zu | |
rechtfertigen: „Wir halten uns an die Tradition.“ Würde das Fest in den | |
Niederlanden anders gefeiert, müsste man reagieren. „Sinterklaas hat den | |
Mohren aus der Sklaverei befreit. Aus Dankbarkeit hilft der ihm bei der | |
Arbeit“, erklärt er die Geschichte des Festes. Dass Menschen diese | |
Erzählung als rassistisch empfinden, könne er so nicht nachvollziehen. Die | |
Pieten seien doch positive Figuren und bei den Kindern beliebt. Ein älterer | |
Mann klopft ihm im Vorbeigehen auf die Schulter: „Halten Sie durch“, sagt | |
er. | |
## Gemischte Reaktionen | |
Ein paar Straßen weiter hat sich die Gruppe der Protestierenden zu eine | |
Kundgebung versammelt. Sie halten ihre Schilder hoch, rufen „No | |
Blackfacing!“ Die Reaktionen der Passanten seien gemischt, sagt Jamie | |
Schearer. Die 29-jährige Berlinerin engagiert sich in der Initiative | |
Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). „Eine Mutter meinte, wir würden mit | |
dem Protest das Fest für die Kinder ruinieren.“ Aber es habe auch | |
interessierte Nachfragen gegeben. | |
Wie die Pieten im kommenden Jahr aussehen werden, ist unklar. Am Rand des | |
Festes vereinbarte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) für Januar ein | |
Treffen mit den Protestierenden. „Wenn Betroffene sagen, dass sie sich | |
diskriminiert fühlen, nehme ich das ernst“, sagt er. Er kritisiert, dass | |
der Veranstalter einem Vorschlag aus dem Rathaus, die „Zwarten Pieten“ nur | |
mit bunter Bemalung oder Rußtupfern auftreten zu lassen, „leider nicht in | |
vollem Umfang gefolgt“ sei. Den Organisatoren Rassismus vorzuwerfen, halte | |
er jedoch für maßlos übertrieben. Er hoffe auf einen Dialog. Letztlich | |
liege es aber am Veranstalter. „Ich werde das nicht verbieten“, so Jakobs. | |
14 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Marco Zschieck | |
Marco Zschiek | |
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Schwerpunkt Pegida | |
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