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# taz.de -- Sportverein mit Sammelleidenschaft: Panini in der Provinz
> Der SV Alemannia aus Wilster hat ein Album aufgelegt, in dem alle 479
> SpielerInnen der 24 Vereinsteams ihren Platz haben - als Sticker zum
> Sammeln.
Bild: Die Sammelbilder zeigen die vereinseigenen SportlerInnen.
ITZEHOE taz | Wer braucht hier schon einen Cristiano Ronaldo, diesen
selbstverliebten Pfau mit dem Faible für aufgesetzte Gesten? Oder einen
Lionel Messi? Oder einen Arjen Robben? Till Schmedtje ist das Maß aller
Dinge. Auch Logan Anders ist überaus begehrt.
Der eine spielt in der Fußball-E-Jugend, der andere in der F-Jugend des SV
Alemannia aus der 4.300-Einwohner-Stadt Wilster, die acht Kilometer
westlich von Itzehoe zu finden ist. Zu Tills Leben gehört seit Kurzem die
Nummer 402 dazu, zu Logans die 450. Es sind ihre Positionen in einem
Sticker-Sammelalbum, mit dem der SV Alemannia Wilster derzeit für Furore
sorgt.
Panini in der Provinz – auf diese Weise lässt sich beschreiben, was sie
beim SVA fertig gebracht haben. Genauso, wie es das italienische
Unternehmen mit seinen Sammelalben bei Welt und Europameisterschaften seit
Jahrzehnten praktiziert, so haben sie hier in Wilster, unweit der tiefsten
deutschen Landstelle, ihr eigenes Fußball-Sammelalben gedruckt. Als erster
Amateurverein.
479 Fotos von sämtlichen Spielern und Spielerinnen aller 24 Teams des
Vereins – von der G-Jugend bis zu den Alten Herren – sowie von
Vorstandsmitgliedern und Trainern haben darin ihren Platz, zugewiesen durch
die jeweilige Zahl. 75 Cent kostet eine Tüte mit fünf Klebebildern.
„Etwa 65 Euro hat mich das bislang gekostet, aber das ist mir der Spaß
wert. Viele fehlen mir nicht mehr“, sagt Henning Wilkens, Trainer der
B-Jugend. „Mich hat das Sammelfieber gepackt. Es stellt sich ein Gefühl wie
aus Kindheitstagen ein.“ In dem Punkt ist er nicht der Einzige an diesem
kalten Abend im Dezember, an dem eigentlich das Training der Alten Herren
der Fixpunkt sein sollte. In Wilster haben sich die Prioritäten jedoch ein
klein wenig verlagert – ganz nach dem Motto, das mit dem Sammelalbum
ausgegeben wurde: „Kleb Dir Deinen Traum.“
Und wie sie kleben, und vor allem: wie sie suchen! Eine komplette
Mannschaft älterer Herren sitzt da im Klubheim zusammen, über ihren Listen,
auf denen akkurat die Zahlenkombinationen stehen. Kugelschreiber und der
obligatorische Stapel mit den doppelten Bildchen liegen bei jedem von ihnen
griffbereit neben den Listen. Immer mal wieder wird mit einem Ausdruck des
Vergnügens eine Zahl durchgestrichen, weil ein Tausch gelungen ist und im
Album ein weiteres Bild den Platz im Rahmen einnehmen darf.
Es ähnelt einem Basar – aber ohne Feilschen. Ein Bildchen für ein anderes,
so ist der Satz. Es wird munter gehandelt. „Eddy, wo sind deine Bilder?“,
heißt es hier. „Frank, hast du Doppelte dabei?“, ist von dort zu hören.
Ältere Männer, die auf Zahlen starren. Hin und wieder bricht leichte
Verzweiflung hervor: „Wo ist bloß die 450, die suchen ganz viele. Ich
glaube so langsam, die werden doch nicht in der gleichen Anzahl gedruckt?“,
sagt Frank Goede mit einem Lachen. Es ist eine Anspielung auf Panini. Das
Unternehmen steht bei jedem großen Turnier unter dem Verdacht, einige
Bilder absichtlich seltener zu produzieren, um den Sammlern die Suche zu
erschweren und ihnen dadurch mehr Geld für den Kauf von Tüten aus der
Tasche zu ziehen. Panini verneint dies jedes Mal.
Beim Album des SV Alemannia Wilster ist Ralf Maron derjenige, der das zeit
und kostenintensive Projekt in die Tat umgesetzt hat. Der 43-jährige
Jugendobmann schwört Stein und Bein, dass die Bilder in der gleichen
Stückzahl produziert werden. Zusammen mit dem Fotografen Marc Behmer machte
er sich im Sommer an die Aufgabe. Eine Mannschaftskabine wurde zum
Fotoatelier umfunktioniert. 7.000 Fotos schoss Behmer, fast 25 Stunden
kamen für die Aufnahmen zusammen. Maron: „Wir haben mehr als 200 Stunden
geackert. Ich habe nicht nur den zeitlichen, sondern auch den finanziellen
Aufwand unterschätzt. Das wird in jedem Fall ein einzigartiges Projekt
bleiben. Noch einmal halte ich das nicht durch.“
Die Inspiration zum Sammelalbum hatte Pamela Asmus, Mutter zweier
Jugendspieler. Eine Werbung im Fernsehen hatte sie dazu gebracht. „Ich fand
die Idee einfach süß. Hier sind jetzt alle völlig aus dem Häuschen, und wir
Frauen tauschen jetzt unsere Männer, Söhne und Töchter wie wild
untereinander. Nur in Stickerform versteht sich“, sagt Pamela Asmus.
Auf der anderen Seite des Tresens tauschen ältere Herren weiterhin munter
die kleinen Bilder, streichen Zahlen durch und kleben. „Ich habe immer zu
Welt und Europameisterschaften die Bilder gesammelt. Aber es ist doch
einfach viel interessanter, wenn du noch einen aus dem Verein benötigst als
einen x-beliebigen Nordkoreaner“, sagt Frank Goede, Vorstandsmitglied,
Spieler, Obmann und Schiedsrichter des Klubs. „Auf so etwas habe ich doch
mein Leben lang gewartet.“
23 Dec 2014
## AUTOREN
Christian Görtzen
## TAGS
Sammelalbum
Sticker
G20-Gipfel
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