# taz.de -- Es trotzdem tun: „Weit besser als nichts“ | |
> Der Hamburger Arzt Stefan Schmiedel hat in Sierra Leone Ebola-Kranke | |
> behandelt. Er konnte ihnen nicht so helfen, wie er es gewollt hätte. | |
> Zurückkehren will er dennoch. | |
Bild: Es ist schwierig, in der Schutzkleidung Patientenkontakt herzustellen: Ä… | |
taz: Mit welcher Hoffnung sind Sie nach Sierra Leone gereist, Herr | |
Schmiedel? | |
Stefan Schmiedel: Ich habe gedacht, dass ich das tun könnte, was ich am | |
besten kann: Individualmedizin. Ich dachte, dass jemand, der langjährige | |
Erfahrung im Umgang mit Infektions-Patienten hat, die Therapie sehr | |
verbessern könnte. | |
Hat sich das bewahrheitet? | |
Vor Ort hat sich das aus verschiedenen Gründen anders dargestellt. In der | |
Schutzkleidung, die man zum eigenen Schutz anziehen muss, war es so | |
kompliziert zu arbeiten, dass man wenig Patientenkontakt herstellen konnte: | |
sie konnten einen kaum sehen. Es gab erhebliche Sprachbarrieren, kaum | |
jemand sprach Englisch. | |
Und keine Dolmetscher? | |
Deren Fähigkeiten waren stark eingeschränkt. Und man muss auch sagen: wir | |
hatten es mit ganz einfachen Menschen zu tun, die sehr abgeschnitten | |
lebten. Keiner konnte lesen, schreiben oder die Uhr lesen. Sie waren | |
plötzlich konfrontiert mit europäischen Helfern in | |
Hightech-Schutzausrüstung, die immer fern geblieben sind. | |
Auch aus Angst? | |
Ich glaube, man muss zwischen den ausländischen und den einheimischen | |
Helfern unterscheiden. Bei den ausländischen gab es die eher nicht – sonst | |
wären sie nicht gekommen, oder man hat sie rasch wieder nach Hause | |
geschickt. Anders war es beim lokalen Personal – dem man größte Hochachtung | |
zollen muss. | |
Was sind das für Leute? | |
Es sind Menschen, die seit Monaten von Morgen bis Abend unglaublich schwere | |
Arbeit tun, unter Bedingungen, die sehr viel schlechter sind als die der | |
ausländischen Experten. Sie werden dafür in ihren Familien und Dörfern | |
ausgegrenzt – und trotzdem kommen sie zur Arbeit. Bei diesen Leuten kommt | |
es immer wieder zu Infektionen, was dort große Angst macht. | |
Was für Folgen hatte es, dass Sie kaum mit den Patienten kommunizieren | |
konnten? | |
Was wir unter Medizin verstehen, hat viel mit persönlicher Zuwendung zu | |
tun. Das ist unter diesen Umständen kaum möglich, vielleicht gar nicht | |
möglich. Das ist schwer auszuhalten. | |
Eine Tropenmedizinerin sagte mir, einigen der Ebola-Helfer sei es nicht | |
bewusst, dass sie die Menschen nicht heilen werden, sondern beim Sterben | |
begleiten. Wie erging es Ihnen damit? | |
Ich teile die Einschätzung, dass man mit einer medizinischen Behandlung die | |
Sterblichkeit nicht deutlich beeinflussen kann. Andererseits kann man auch | |
die Begleitung mit unterschiedlicher Qualität anbieten. Und das, was | |
möglich war, war wenig. Aus meiner Sicht zu wenig. | |
Was hätten Sie konkret tun wollen? | |
Wir waren zu wenige Helfer, um diesen vielen Patienten angemessene | |
Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hätte mir gewünscht, dass man das, was | |
medizinisch unter den einfachen Bedingungen möglich ist, auch tut. Es | |
fehlen überall Köpfe: in der Behandlung, in der Aufklärung. | |
Hier ist Ebola schon wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Haben Sie | |
Hoffnung, dass das Interesse wiederkehrt? | |
Das Medieninteresse hat ja wenig Wirkung gehabt. Die Verhältnisse wurden | |
erst besser, als sich die Politik Monate später dafür interessieren musste, | |
weil man befürchtete, dass der Ausbruch nach Europa und in die USA | |
überschwappen könnte. | |
Und jetzt, wo man glaubt, dass es auf Afrika begrenzt bleibt, interessiert | |
es kaum noch. | |
Ich hoffe, dass die Weltgemeinschaft interessiert bleibt. Ärzte ohne | |
Grenzen alleine werden es nicht wuppen können. | |
Wie war Ihr Blick, als Sie in Ihre Hightech-Klinik in Hamburg zurückkamen? | |
Es sind zwei Welten, die nichts miteinander zu tun haben. Die Patienten in | |
Sierra Leone dämmern ihrem Ende entgegen, wir haben dem wenig | |
entgegenzusetzen. Sie verstehen nicht, was ihnen passiert ist und sie sind | |
so geschwächt, dass sie sich nicht alleine im Bett umdrehen können. Wir | |
können die Schmerzen bekämpfen, Essen und Trinken geben – das war es im | |
Wesentlichen. Unsere Patienten hier können ihr Schicksal mit in die Hand | |
nehmen. | |
Werden Sie noch einmal nach Sierra Leona gehen? | |
Ich möchte noch einmal hinfahren. Bei aller Skepsis diesen Einsätzen | |
gegenüber: man tut da etwas Wichtiges. Man setzt ein Zeichen, dass man es | |
nicht hinnehmen kann und natürlich hilft es den Leuten, wenn jemand kommt | |
und für ein paar Wochen mitarbeitet. Die lokalen Helfer motiviert das sehr | |
und natürlich profitieren die Patienten davon. Sie sind sehr dankbar und es | |
ist weit besser als nichts. | |
24 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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