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# taz.de -- Die Wahrheit: Unfreie Wildbahn
> Schwabinger Krawall: Der kleine Kevin hat seiner Mutter etwas
> mitgebracht. Doch das Mitbringsel mit den Knopfaugen kommt gar nicht gut
> an.
Bild: An eisigen Zapfen lecken bleibt ein pubertärer Spaß.
Wenn der kleine Kevin aus dem Hof kommt, bringt er der Mama manchmal etwas
mit. Zum Beispiel ein Blümchen, durchaus um eine vergangene Verfehlung noch
vergangener zu machen. Ab und zu ist das, was er mitbringt, auch für ihn
selbst gedacht, und er schenkt es der Mama bloß, um die Deportation des
Mitbringsels aus der Wohnung zu verhindern. So war das mit den fünfzehn
Regenwürmern, die er „züchten“ wollte, und mit dem Autoreifen, aus dem ein
Vogelplanschbecken für den Balkon entstehen sollte.
So ist es auch mit dem neuesten Neuankömmling, einem durchaus gesunden, in
herbstlicher Vorsorglichkeit aufgespeckten, verschämt aus Knopfaugen
herausblickenden Igel. Der sei im Hof unter einem Busch heraus auf ihn
zugetrippelt, berichtet der Kevin, und habe so ausgesehen, als wäre er arg
einsam und wünschte sich eine warme Wohnung bis zum Frühling. Er habe
versucht, den Igel hochzuheben, und dabei habe sich der so um seine Hand
herumgewickelt, dass er ihn nicht mehr loswerden könne.
Was das wieder sei, verlangt Onkel Rainer zu wissen, erschrickt beim
Anblick des zusammengewickelten Tiers und stellt fest, es sei unmöglich,
Igel in der Wohnung zu halten, aus hygienischen Gründen und wegen dem
Tierschutz: Wenn das Tier seinen Winterschlaf nicht recht ordnungsgemäß zu
Ende führe, sei es praktisch zum Tode verurteilt.
Dann werde er den Igel eben in die Schule mitnehmen, sagt der Kevin, weil
sein Biologielehrer neulich sowieso gesagt habe, man solle mal ein Haustier
vorzeigen. „Ein Igel ist kein Haustier!“, brüllt Onkel Rainer so laut, dass
dem Kevin seine Englischlehrerin einfällt, bei der er vorige Woche den
Ausdruck „out of his head“ gelernt hat. Dem Igel ist der Aufruhr zu viel,
er lässt sich fallen und trippelt eilends aus der Küche hinaus. „Halt!“,
schreit Onkel Rainer, stürzt hinterher und verschwindet ächzend unter dem
Sofa. „Lass ihn leben!“, fleht der Kevin.
## Kevin nennt Solkan einen Deppen
Es klingelt an der Tür, die Mama öffnet. Draußen steht Kevins Freund
Solkan. Er habe eigentlich nur fragen wollen, ob der Kevin seinem Onkel den
Igel schon „beigebracht“ habe. Der Kevin nennt den Solkan einen Deppen, die
Mutter schreit, es reiche ihr jetzt, der Igel komme sofort hinaus, wo er
hingehöre, und der Solkan fleht, es sei doch ein solcher Aufwand gewesen,
das Tier einzufangen, und sein eigener Vater sei Muslim und erlaube keine
Tiere in der Wohnung, was auch grundsätzlich verboten sei.
Im allgemeinen Tumult bekommt niemand mit, dass der Igel aus der
Wohnungstür geflohen und todesmutig die Treppe hinuntergesprungen ist. Wenn
nicht im selben Moment Frau Reithofer das Haus betreten und beim Anblick
des rasenden Tiers drei volle Milchflaschen und ein Sammelsurium weiterer
Viktualien auf den Steinboden geworfen hätte, wäre die Flucht gänzlich
unbemerkt geblieben.
Kevins Trauer dauert vier Tage, dann fragt er Onkel Rainer, der immer noch
damit beschäftigt ist, auf dem Sofa nach Flöhen zu suchen und sie zu
zerzwicken, beiläufig, ob er schon mal eine Marderspur gesehen habe.
3 Feb 2015
## AUTOREN
Michael Sailer
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Krawalle
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