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# taz.de -- Lob der Musiktruhe: Möbel der Sehnsucht
> In der Wirtschaftswunder-Zeit prägten die Produkte der Tonmöbelfabrik
> Kuba so manches Wohnzimmer. Etwa 100 Modelle zeigt ein Privatmuseum in
> Wolfenbüttel.
Bild: Der Gründer und sein Werk: Tonmöbel-Fabrikant Gerhard Kubetschek in Wol…
WOLFENBÜTTEL taz | Kuba Imperial – hinter dieser Bezeichnung stand in
Zeiten des bundesdeutschen Wirtschaftswunders die Tonmöbelfabrik von
Gerhard Kubetschek im niedersächsischen Wolfenbüttel. Sie sorgte dafür,
dass die zeitgenössische Unterhaltungstechnik aus Radio, Plattenspieler,
später auch Fernseher, in Form von Truhen, Kredenzen oder Sideboards,
Einzug ins deutsche Interieur hielt – gerne um eine verspiegelte, kleine
Hausbar bereichert.
Die Idee brachte zunächst Umsatz, Gewinn und Wachstum: Für das 1946
übernommene Unternehmen arbeiteten nach der Übernahme des Geräteherstellers
Imperial in Osterode am Harz 4.000 Menschen, der Umsatz betrug 220
Millionen DM. Aber Kubetschek verkaufte seine Firma für 80 Millionen DM,
zwei Jahre später wurde das Unternehmen an einen deutschen Konkurrenten
weiterveräußert, 1972 geschlossen.
Doch seit 2006 gibt es in Wolfenbüttel einen Ort, an dem an die großen
Zeiten von Kuba Imperial und die Produkte erinnert wird – ein Kuba-Museum,
betrieben von einem Verein.
Sehr liebevoll wird hier etwa der Brotkasten auf rotem Samt dargeboten –
dem spektakulären Messeerfolg von 1958. Eine grüne Samtgirlande liegt ihn
zu Füßen. Die Kombination kostete übrigens, je nach Bestückung, zwischen
2.798 und 3.227 DM (dann mit dem vollen Programm aus Radio,
Plattenwechsler, Fernseher und Magnetophon).
Der Preis lag damit deutlich über dem eines VW-Käfers, trotzdem fand sie
rund tausend Käufer. Eine abgespeckte Truhenvariante namens Tango steht
etwas abseits, sie zeigt dieselbe aufwendige Verarbeitung hochglänzend
kontrastierender Hölzer.
Die Initiative für das Museum ging von einem Braunschweiger
Kartonagenfabrikanten aus. Er hat etwa 200 Kuba-Tonmöbel gesammelt, die
laufenden Kosten gehen ebenfalls auf sein Konto. Der Kuba-Bestand ist
ergänzt um separate Privatsammlungen zu Grammophon, Radio und Fernseher.
Somit ist die apparative Geschichte von Rundfunk und Unterhaltungstechnik
von ihrem Beginn bis nach 1970 repräsentiert.
Uwe Erdmann, studierter Nachrichtentechniker, ist erst wenige Monate
Vorsitzender des Museumsvereins, aber bestens mit der Firmen und
Produkthistorie vertraut. Auf 800 Quadratmetern der ehemaligen
Entwicklungsabteilung betreut er etwa hundert Tonmöbel.
Er weiß um manch raffinierte Ausstattung wie elektrisch ausfahrbare Tablare
mit den Geräten, demonstriert faltbare Einschubtüren der Gehäuse. Diese
Präzision und Liebe zum Detail machte wohl den Unterschied aus zu Tonmöbeln
der Konkurrenz, rechtfertigte ihren hohen Preis.
Ganz neu war der Einfall Kubetscheks, moderne, gar als befremdlich
empfundene Technik zu dekorieren und so zu domestizieren, indes nicht.
Frühe Dampfmaschinen wurden mit dorischen Gusseisen-Säulen verziert,
Grammophone ab 1910 in Kleinmöbel verpackt.
Was im Übrigen ihrer Akustik zugute kam: Das plärrend Blecherne des
Schalltrichters mutierte im hölzernen Resonanzkörper zum ansatzweise
sonoren, zudem durch Türen oder Klappen modulierbaren Klanggenuss. Bei Kuba
Imperial wurden in jedem Jahr sieben bis neun neue Modelle entworfen, zu
Beginn nur mit Plattenwechsler und Radio, meist von Unternehmen wie
Nordmende und Telefunken.
Die Namen der Geräte-Möbel-Kombinationen waren Ausdruck bürgerlicher
Nachkriegssehnsucht nach Normalität, Geselligkeit und, naja, weltläufiger
Connaissance: Adria, Lido, Cortina etwa, aber auch Tarantella, Carmen,
Verdi und Troubadour. Das stilistische Spektrum reichte vom dunklen
Gelsenkirchener Barock, Antik geheißen, über eine zeittypische Sachlichkeit
in hellem Teak bis zur futuristischen Kreation.
Immer legte der Tischlersohn Kubetschek Wert auf edle Hölzer, mitunter
Intarsien, und die handwerkliche Fertigung der Gehäuse in eigener
Werkstatt. In späteren Jahren wurden auch Tonbandgerät und Fernseher
verbaut, sechs bis acht Lautsprecher in Raumklang-Anordnung, dem Vorläufer
des Stereosystems, beschallten selbst größere Örtlichkeiten eindrucksvoll.
Die verbauten Geräte waren wartungsfreundlich, konnten repariert werden.
Was praktisch für die Nutzer war, macht nun Sammlungsbetreuer Erdmann
Sorgen: Denn in einigen Möbeln des Museums wurden die Geräte im Laufe der
Jahre durch neuere ersetzt, so dass Erdmann die bauzeitliche Authentizität
vermisst. Manchmal stören auch nur Kleinigkeiten wie falsche Bedienknöpfe.
Es wartet Restaurierungsarbeit.
An jedem Modell steht ein Schild, auf dem Name, Baujahr, Art der
technischen Bestückung und Preis zur Bauzeit notiert sind. Erdmann findet
die zu groß, auch hier will er irgendwann Hand anlegen.
Zwischendrin sind Plakate gehängt, Fotos vom Leben im Kuba-Werk, kleine
Arrangements aus Cocktailsesseln, Lampen, Zierpflanzen, die obligate
Flasche Jägermeister steht in manchem Barfach. Und die Autobiografie
Kubetscheks, der nach dem Verkauf der Firma auch in der Finanzbranche
reüssierte, liegt aus.
Sicherlich: Professionelle Ausstellungsdesigner hätten andere Lösungen für
die Präsentation parat, würden die veritablen Schätze dramatisch in Szene
setzen. Den Wolfenbüttelern geht es nicht um trockene Technikgeschichte,
geschweige denn pure Kuriosität. Man will das zeitgeschichtliche Flair der
jungen Bundesrepublik vermitteln, als eine ganze Generation den Aufbruch in
die Zukunft wagte. Das gelingt durchaus stimmig.
## Kuba-Museum (Kuba Tonmöbel e.V.) Lindener Straße 15, Wolfenbüttel;
geöffnet am 2. Samstag jeden Monats von 14 – 18 Uhr; www.kuba-museum.de
2 Mar 2015
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Möbel
50er Jahre
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
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