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# taz.de -- Bitteres Ende eines Stadtmagazins: In einem schwebenden Zustand
> Die „Szene“ nannte sich selbst mal den „Spiegel“ unter den
> Stadtmagazinen. Lang ist’s her und jetzt hat der herausgebende Verlag
> Insolvenz angemeldet.
Bild: Wie, ob es bei der Szene Hamburg weiter geht - ist noch offen.
HAMBURG taz |Wenn Klaus Heidorn, der 2000 verstorbene Gründer der [1][Szene
Hamburg], das Wesen seiner Zeitschrift auf den Punkt bringen wollte, sagte
er gern: „Wir sind der Spiegel unter den Stadtmagazinen.“ Manchmal sprach
er auch vom FC Bayern München des Genres. Der Spiegel ist zwar nicht mehr
das, was er mal war, aber Sorgen muss man sich um ihn ja nicht machen. Und
dem FC Bayern geht es bekanntlich nicht so schlecht. Von der Szene lässt
sich das nicht sagen. Ende Februar hat die in Ottensen ansässige Hamburger
Stadtillustrierten Verlagsgesellschaft (HSI Verlag), in der das Magazin
erscheint, Insolvenz angemeldet.
Heidorns Einschätzungen sind rund ein Vierteljahrhundert alt. Ob er damals
richtig lag? Tendenziell ja, aber ich bin da befangen, denn ich war in der
Phase rund zwei Jahre lang Redaktionsleiter. Der Laden war ein Irrenhaus.
Einmal etwa bedrohte der Verleger seine Redakteure mit einem Gewehr. Trotz
seiner Anfälle nach Gutsherrnart konnten wir in der Regel machen, was wir
wollten. Was die Szene schrieb, hatte Gewicht im (Sub-)Kulturbetrieb, und
das Blatt stand für eine politische Haltung, die sich abhob von der der
etablierten Medien in der Stadt.
„Der Szene verdanke ich nicht gerade mein Leben, aber immerhin hat sie mich
den Beruf geschubst“, schrieb Uwe Kopf, langjähriger Kolumnist des Blatts
und mein Vorgänger als Redaktionsleiter, 2003 anlässlich des 30-jährigen
Jubiläums. Viele Journalisten, die das Wesentliche bei der Szene gelernt
haben, dürften ein bisschen deprimiert gewesen sein, als die Nachricht von
der Insolvenz die Runde machte.
## Keine Überraschung
Für die heutigen Mitarbeiter war es keine Überraschung, schließlich hatten
sie zwei Monate in Folge kein Gehalt bekommen. Die Festangestellten haben
Anspruch auf Insolvenzgeld, bitter sei die Lage aber für die freien
Mitarbeiter, sagt Anja Westheuser, Justiziarin beim Deutschen
Journalistenverband in Hamburg. Die Autoren, die wesentlich länger kein
Geld gesehen haben als die Redakteure, dürfen bestenfalls mit einem
Bruchteil ihrer Forderungen rechnen.
Das Monatsmagazin konnte sich zuletzt noch über Wasser halten, weil der HSI
Verlag mit Projekten für die Kulturbehörde und die Hamburg Tourismus GmbH
das einstige Renommierobjekt quersubventionierte. Im vierten Quartal 2014
verkaufte die Szene im Schnitt nur noch 8.900 Hefte pro Ausgabe. Die von
Brancheninsidern sogenannte harte Auflage – Einzelverkauf plus Abo – lag
lediglich bei 3.800, der Rest entfiel auf „sonstige Verkäufe“. Zu den
letzten Problemlinderungsmaßnahmen gehörte die Untervermietung einiger
Räume.
## Weg des Niedergangs
Völlig untypisch ist die Entwicklung nicht, denn die Geschichte der
Stadtmagazine ist eine des Niedergangs: Die bundesweite Stadtillustrierte
Prinz stellte im Dezember 2012 seine 14 Regionalausgaben ein und existiert
nun nur noch online. Auch die Szene war schon früher in Gefahr. Anfang 2000
griff mal die SPD-Medienholding DDVG, die sich aber längst zurückgezogen
hat, rettend ein. In Berlin erscheinen die jahrzehntelangen Rivalen Tip und
Zitty mittlerweile in einem Verlag – wettbewerbsrechtlich ist so etwas
mittlerweile unbedenklich, weil die Verkaufszahlen so gesunken sind.
Dass Stadtzeitschriften, die sich zu einem wesentlichen Teil an die
Ausgehgesellschaft und damit an eine relativ junge Zielgruppe richten,
größere Probleme haben als Tageszeitungen und General-Interest-Magazine,
liegt auf der Hand. Schließlich sagt man jungen Mediennutzern nach, sie
rezipierten keine Informationen mehr auf Papier.
## "Froh über den Ausgang der Wahl"
Ob der tiefe Fall der Szene nur solch strukturellen Gründe hat oder auch
inhaltliche, ist schwer zu sagen. Im Editorial der aktuellen Ausgabe findet
sich jedenfalls eine Passage zur Bürgerschaftswahl, die man bei einem
kleinem Indie-Verlag nicht erwartet: „Auch wenn sich manch eine inhaltliche
Schwäche andeutet, kann man froh sein über den Ausgang der Wahl.“ Hallo?
Immerhin spricht einiges dafür, dass die Szene Hamburg weiter erscheinen
wird. Die Titelrechte für das Monatsblatt und seine diversen Ableger (Essen
& Trinken, Stadtgeschichte) sind nicht Teil der Insolvenzmasse. Sie lagen
nicht beim HSI Verlag, sondern bis vor kurzem bei Herausgeber und
Alleingesellschafter Gerhard Fiedler als Privatperson. Der verkaufte sie
vor Insolvenzanmeldung. Eine nicht ganz unpfiffige Maßnahme, obwohl
Fiedler, wie ein Mitarbeiter sagt, „der erste ist, der zugibt, dass er kein
guter Geschäftsmann ist“.
Unter welchen Rahmenbedingungen es weitergeht, scheint noch unklar zu sein,
zumal die Käufer der Titelrechte nicht aus der Verlagsbranche kommen.
Donnerstag beriet sich der Betriebsrat, aber äußern wollen sie sich nicht:
Man befinde sich in einem „Schwebezustand“.
## Der Autor war von Anfang 1989 bis Anfang 1991 Redaktionsleiter bei .
6 Mar 2015
## LINKS
[1] http://www.szene-hamburg.de/
## AUTOREN
René Martens
## TAGS
Szene
Insolvenz
Stadtmagazin
Stadtmagazin
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