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# taz.de -- Heinz-Jochen Zenker über TBC: „Eine alte, archaische Angst“
> Die Angst vor Flüchtlingen als Überträger von Infektionskrankheiten hält
> sich. Wie bedrohlich die Lage wirklich ist, erklärt Heinz-Jochen Zenker.
Bild: Wer geschwächt ist, kann sich besonders leicht durch Tröpfcheninfektion…
taz: Herr Zenker, Tuberkulose wird häufig mit Flüchtlingen und
Asylbewerbern in Verbindung gebracht. Ist die Verknüpfung gerechtfertigt?
Heinz-Jochen Zenker: Wenn man sich den Jahresbericht des Europäischen
Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ansieht,
zeigt sich, dass es 2014 unter den Migranten einen etwas höheren Anteil an
Tuberkulose-Neuerkrankungen gibt als in der Normalbevölkerung. Von
Flüchtlingen geht aber keine Bedrohung für die einheimische Bevölkerung
aus. Das bestätigt auch das Robert-Koch-Institut. Deutschland gilt als
Niedrigrisikoland und die Neuerkrankungsrate ist in den letzten Jahren
gesunken.
Die Region Hannover rechnet für dieses Jahr mit einem Anstieg der
Tuberkulose-Erkrankungen, denn im Januar und Februar gab es bereits 22
Neuerkrankungen, während es in den Vorjahren insgesamt zwischen 60 und 70
Fälle waren. Wie ansteckend ist Tuberkulose?
Wichtig ist vor allem, dass im Allgemeinen nur diejenigen ansteckend sind,
die eine offene Tuberkulose haben. Dann besteht ein deutliches
Ansteckungsrisiko durch Tröpfcheninfektion. Es kommt aber auch darauf an,
wer die Erreger mit welcher Intensität abbekommt. Menschen, die ohnehin
schon geschwächt sind, haben ein höheres Risiko, sich mit TBC zu infizieren
als andere. Die Wahrscheinlichkeit, beim Überqueren einer Straße verletzt
zu werden, ist vermutlich um ein Vielfaches höher. Doch die Angst vor
Tuberkulose ist und bleibt offensichtlich eine alte, archaische Angst.
Die aktuelle Masernwelle in Berlin soll ihren Ausgang in einem
Flüchtlingsheim genommen haben. War das nur Zufall oder ist die Angst vor
Krankheitsübertragungen durch Flüchtlinge begründet?
So ein Krankheitsausbruch kann an vielen Orten entstehen. Im
Flüchtlingsheim war möglicherweise der Impfschutz der einreisenden Kinder
nicht ausreichend. Aber Masernausbrüche können auch in Waldorfschulen
auftreten, weil dort viele Eltern Impfgegner sind. Und auch ein
Kindergarten kann der Ursprung einer Infektionswelle sein. Wenn viele
Kinder keinen Impfschutz haben, reicht schon ein krankes Kind aus. Überall,
wo Menschen sich intensiv begegnen und gehustet und geniest wird, kann das
Risiko der Ansteckung bestehen.
Trägt die Unterbringung von Asylbewerbern in Massenunterkünften zur
Ausbreitung von Krankheiten bei?
Natürlich, die sogenannte verdichtete Belegung trägt zur Ausbreitung bei –
und in Flüchtlingsunterkünften besteht eigentlich immer eine verdichtete
Belegung. Ähnliches gilt allerdings auch für Krankenhäuser, Altenheime,
Schulen oder Kindergärten.
Demnach ist die Angst vor Infektionen durch Flüchtlinge irrational?
Natürlich gibt es einen rationalen Kern, die Viren und Bakterien existieren
nun mal. Aber in ihrer Übertreibung bekommt die Angst irrationale Züge. Ein
mögliches Infektionsrisiko bekommt sehr schnell eine zu hohe Bedeutung. Man
muss die Menschen motivieren, sich die Fakten anzuschauen, sich auf den
Boden der Tatsachen zu begeben.
Die Stigmatisierung von Asylbewerbern als Krankheitsüberträger ist also
völlig übertrieben?
Ja, davor kann man nur warnen. Das ist Unsinn. Aber offensichtlich eignet
sich die Gruppe der Flüchtlinge gut, um sie auszugrenzen. Übertreibungen
und Vorurteile gibt es ja auch in anderen Bereichen, etwa beim Thema
„Migrationshintergrund und Kriminalität“.
25 Mar 2015
## AUTOREN
Jördis Früchtenicht
## TAGS
Ansteckung
Flüchtlinge
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