# taz.de -- Der „Abramowitsch des Pferdesports“: Hier reitet der Chef noch … | |
> Oleksandr Onischtschenko hat einen mehr als fragwürdigen Ruf. Trotzdem | |
> arbeiten auch deutsche Springreiter gerne mit ihm zusammen. | |
Bild: Zwielichtgestalt Onischtschenko auf „Valentino Velvet“ bei der Reit-W… | |
BERLIN taz | Spätestens seit Katars Handballnationalteam bei der jüngsten | |
WM mit Spielern aus aller Welt glänzte, weiß man, dass Sportler auch auf | |
Länderebene munter den Arbeitgeber wechseln. Was den Pferdesport betrifft, | |
so ist die Ukraine seit geraumer Zeit Vorreiter. Der dortige | |
Verbandspräsident ist Oleksandr Onischtschenko, ein schwerreicher Mäzen. | |
Ihn als schillernd zu beschreiben, wäre untertrieben. | |
„Roman Abramowitsch des Reitsports“ wird er auch genannt. Seit 2002 | |
investiert er schließlich kräftig, unter anderem in deutsche Springreiter. | |
Dass Onischtschenko einst einer kriminellen Vereinigung angehört haben | |
soll, scheint seine Beschäftigten nicht weiter zu stören. René Tebbel, der | |
Nationaltrainer, sagt etwa: „Ich kenne ihn schon seit ein paar Jahren und | |
komme gut mit ihm zurecht.“ | |
Der 46-Jährige ist seit Herbst 2013 für das Team verantwortlich und reitet | |
seit Januar selbst wieder mit. Seine Rückkehr auf den Pferdesattel hat die | |
Szene überrascht. Eigentlich hatte Tebbel mit der Reiterei abgeschlossen. | |
Anfang Januar war der Weg vom Trainerjob in den Reitsattel dann doch kürzer | |
als gedacht. | |
Nun soll der Emsbürener die ukrainische Mannschaft zu den Olympischen | |
Spielen 2016 nach Rio coachen. Der Weg führt über ein Qualifikationsturnier | |
und die EM in Aachen. Als Reiter dabei sind zwei weitere Deutsche: | |
Katharina Offel, 38, und Ulrich Kirchhoff, 47, Doppel-Olympiasieger 1996 – | |
für Deutschland. Offel wechselte 2005 in die Ukraine, Kirchhoff 2013. Auch | |
ihnen unterbreitete Onischtschenko verlockende Angebote, zudem können sie | |
weiterhin in Deutschland trainieren. So folgten sie, trotz des | |
zweifelhaften Rufes ihres Arbeitgebers. | |
Der sah sich unter anderem 2007 dem Vorwurf der Steuerhinterziehung und | |
Urkundenfälschung durch belgische Behörden ausgesetzt. Sie beschlagnahmen | |
(allerdings erst fünf Jahre später!) drei von Onischtschenkos Pferden. Der | |
ehemalige Liebhaber von Martina Hingis dürfte das verkraftet haben, hat er | |
doch das nötige Kleingeld für neue Pferdchen längst verdient. Auf vielen | |
Wegen, etwa durch die Organisation von „Miss Ukraine“-Wahlen. | |
## Prostituierte für Gaddafi-Sohn | |
Mit der Gewinnerin von 1997 war er verheiratet und auch anderweitig ist | |
Onischtschenko ein echter Frauenversteher. So soll er VIP-Prostituierte an | |
gut betuchte Männer vermitteln. Unter den Abnehmern hätte sich auch ein | |
Sohn des alten libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi befunden. Berichtet | |
jedenfalls die ukrainische Internetseite argumentua.com. Das investigative | |
Onlineprojekt hat sich einen Namen damit gemacht, Missstände aufzudecken, | |
über die sich die Mächtigen lieber ausschweigen. | |
Dazu gehört die vermutete Mitgliedschaft Onischtschenkos in der Kiewer | |
Kissel-Bande. In den 90er Jahren, die Sowjetunion war gerade zerfallen, | |
stieg sie in der Ukraine zu einer der größten kriminellen Gruppierungen | |
auf, mit mafiösen Strukturen. Onischtschenkos Spezialgebiet war wohl die | |
Schutzgelderpressung. Seine Machenschaften tätigte er unter seinem | |
ursprünglichem Namen: Kadyrow. Ende der 90er plante er den Ausstieg und | |
nannte sich konsequenterweise anders – aus Herrn Kadyrow wurde Herr | |
Onischtschenko. Seine Mutter heißt so. | |
Mamas Name ist seit Herbst durch den umtriebigen Oleksandr erneut im | |
ukrainischen Parlament vertreten. Doch auch da gibt es Ungereimtheiten. Ein | |
Gericht wies Onischtschenkos Wahlunterlagen zweimal ab. Er halte sich zu | |
selten in der Ukraine auf, begründete es. Beim dritten Anlauf klappte es | |
merkwürdigerweise doch. Vermutet wird, dass der russische Geheimdienst | |
interveniert hat und Onischtschenko im Parlament nun weniger die Interessen | |
seines Wahlkreises, als vielmehr die Interessen Wladimir Putins vertritt. | |
Springreittrainer Tebbel kommentiert dies alles nicht. „Politik ist nicht | |
meine Stärke“, sagt er. Und überhaupt habe er „viel mit dem Sport zu tun�… | |
Für Kirchhoff gilt: Was den Chef betrifft, ist eben Chefsache. | |
„Onischtschenko ist alt genug, um seine Dinge selbst zu regeln. Wenn wir | |
uns unterhalten, dann übers Sportliche.“ Und im Sport, das muss man dem | |
Ukrainer lassen, kennt er sich aus. Bei den Olympischen Spielen 2008 und | |
2012 ist er sogar selbst aufs Pferd gestiegen. Als Verbandspräsident fiel | |
ihm die eigene Nominierung etwas leichter. Der große Erfolg blieb freilich | |
aus. Solche Aktionen bringen die Sportler dann doch ins Grübeln. | |
## „Ein mehr als schwieriger Mann“ | |
Etwa Björn Nagel. 2006 erreichte er mit der Ukraine bei den | |
Weltreiterspielen in Aachen einen überraschenden vierten Platz. Hauchdünn | |
hinter Bronze-Gewinner Deutschland. Das sorgte für Aufsehen. Mittlerweile | |
reitet er nicht mehr für Onischtschenko. „Oleksandr Onischtschenko ist ein | |
mehr als schwieriger Mann, man weiß nie, woran man ist. Von jetzt auf | |
gleich ändert er alles“, wurde er in einem Onlineportal für Pferdesport | |
Ende 2014 zitiert. | |
„Aus den vorhandenen finanziellen Möglichkeiten ist unterm Strich zu wenig | |
herausgekommen“, sagt Nagel auch heute noch gegenüber der taz. Nagel | |
bemängelt Onischtschenkos fehlende Ruhe, wenn es ums Pferdegeschäft geht. | |
Mangels eines stichhaltigen Konzepts sei der langfristige Erfolg | |
ausgeblieben. Ansonsten ist Nagel aber schon wieder deutlich milder | |
gestimmt: „Es war eine gute Zeit. Für den Reitsport ist Onischtschenko ein | |
Gewinn.“ Man weiß eben nie, woran man ist, bei diesem Oleksandr | |
Onischtschenko. | |
13 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
David Joram | |
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