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# taz.de -- Farbe Grau: Die große Unbestimmte
> Grau, in der Malerei als unbunt bezeichnet, gilt gemeinhin als langweilig
> und tot. Von wegen. In dieser Farbe steckt viel mehr.
Bild: Grau ist die Farbe der sanfteren Übergänge, bringt aber auch andere Tö…
Alles zwischen Schwarz und Weiß ist Grau, und je nach Mischungsverhältnis
entsteht ein heller, mittlerer oder dunklerer Ton. So haben wir das als
Kinder gelernt. In der Malerei werden diese drei Farben, im Gegensatz zu
jenen des Farbkreises, als unbunte bezeichnet. So wie auch in der Sprache
das Wort Grau einen negativen Beiklang hat, gelten die drei Töne als eher
langweilig oder „tot“, vor allem, wenn sie flächig eingesetzt werden. Aber
im Grau steckt viel mehr. Sein ganzes Potenzial kommt erst richtig zur
Geltung, wenn es aus bunten Farben zusammengesetzt ist.
Im Gegensatz zu Weiß kann man Schwarz in der Ölmalerei nämlich mischen –
etwa aus gebrannter Sienaerde, Pariserblau und Krapplack oder anderen
Komplementärfarben, also den Farben, die sich im Farbkreis gegenüber
beziehungsweise auf einem Kreisdurchmesser liegen. Je nachdem, welche
Komponente dominiert, erhält man beim Hinzufügen von Weiß ein breites
Spektrum unterschiedlicher Töne von einem kühlen bis zu einem warmen Grau.
Dabei steigert die Beigabe von Zinkweiß alle kalten Töne etwas, während
Kremserweiß den warmen Tönen zu größerer Kraft verhilft. Weiß betont die
jeweils intensivste Farbe der Mischung, die Beimischung anderer bunter
Farben kann die Leuchtkraft reduzieren, die Farben „vermatschen“ dann.
Generell gilt, dass ein aus bunten Farben gemischtes Grau nicht nur grau
ist.
In der Malerei hat Grau seine eigene Funktion. Neben Schwarz kommt jede
bunte Farbe gerade wegen des starken Kontrastes und der scharfen Trennlinie
gut zur Geltung, wie man beispielsweise bei den Bildern von Max Beckmann
(1884–1950) sehen kann. Demgegenüber ist Grau die Farbe der sanfteren
Übergänge, bringt aber auch andere Töne zum Klingen.
Man stelle sich etwa einen Abendhimmel im April vor: ein rosiger Hauch, ein
Stück Blau, ein Fetzen Weiß, die letzten Sonnenstrahlen kommen durch einen
grauen Wolkenschatten erst richtig zur Geltung. Das kann dem Bild das
Süßliche nehmen und ihm eine gewisse Dramatik verleihen. Umgekehrt lassen
sich aber auch Kontraste abmildern, wenn man benachbarten Farben eine Idee
Grau beifügt. So wird der farbliche Zusammenhang gewahrt und das Bild
harmonischer, eine Vorgehensweise, die die Impressionisten gern angewandt
haben.
## Bewusster Verzicht auf Farbe
Grau hat etwas Unbestimmtes, Flüchtiges, Verschleierndes oder
Geheimnisvolles. Eine Nebelbank, die aufreißt und den Blick auf das
dahinter Versteckte, den Himmel oder die Landschaft, freigibt, symbolisiert
in gewisser Weise die Farbe selbst in ihrer verborgenen Vielschichtigkeit.
Dieses Diffuse, das auch bedrohlich, unheilverkündend, sein kann, ist aus
der Schwarz-Weiß-Fotografie und dem Film nicht wegzudenken. Zum Malen mit
Grau gehört auch der bewusste Verzicht auf Farbe.
Bei der Grisaillemalerei – der Begriff leitet sich von dem französischen
„gris“, also grau, ab – arbeitet der Künstler ausschließlich mit Weiß …
schwarzen und grauen Farben, häufig mit lasierenden, übereinandergelegten
Schichten. Bei diesem Vorgehen ist Grau letztlich nicht nur ein Mittel der
Darstellung, sondern quasi ihr Gegenstand selbst.
Ein moderner Vertreter dieser Richtung ist der Maler Gerhard Richter, der
von „Grauen Bildern“ spricht. Wer sich beispielsweise sein Werk mit dem
Titel „Grau“ aus dem Jahr 1973 ansieht, wird feststellen, dass das
malerische Grau nicht einfarbig ist. Richter hat sich wiederholt zu seiner
Verwendung dieser Farbe geäußert, etwa in einem Brief an den
niederländischen Museumsleiter, Kurator und Sammler Edy de Wilde im Jahr
1975. „Grau. Es hat schlechthin keine Aussage, es löst weder Gefühle noch
Assoziationen aus, es ist eigentlich weder sichtbar noch unsichtbar“,
schreibt er. „Die Unscheinbarkeit macht es so geeignet, zu vermitteln, zu
veranschaulichen, und zwar in geradezu illusorischer Weise gleich einem
Foto. Und es ist wie keine andere Farbe geeignet, ’nichts‘ zu
veranschaulichen.“
Die Farbe Grau war schon vor Tausenden von Jahren bekannt, etwa in der
Frühzeit der pharaonischen Reiche in Ägypten. Doch egal, ob man Grau mag
oder nicht, egal, wie man es mischt: In der künstlerischen Moderne hat die
Farbe ihren Siegeszug angetreten und ist aus der zeitgenössischen Malerei
nicht mehr wegzudenken.
12 Apr 2015
## AUTOREN
Beate Seel
## TAGS
Grau
Farbe
Gedöns
Haltung
Ostern
Peta
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